Vodoogrüße aus dem Kreuzberger Busch

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Anfrage aber ich bin an der Rolle des Alpha nicht interessiert. Die Gründe dafür liegen nicht alleine an dem Fakt, dass die Figur in dem offensichtlich rassistischen Umfeld Bayern als Neger, Bimbo und Muhakl beschimpft wird, noch daran, dass sämtlich rassistische Klischees wie “billigste zu bekommene Arbeitskraft”, aidsinfiziert, abergläubisch, Voodoo praktizierend, ängstlich, schwer von Begriff, Sexobjekt etc. aufgezählt werden. Was mich an der Figur stört ist, dass leider der Mensch, der hinter diesem wandelnden Klischee steht, überhaupt nicht zu Geltung kommt. Fremdbestimmt lässt er sich bis zum Schluss vom rassistischen Bayern kommandieren um dann, ob seiner treudoofen Art, schließlich doch noch als Schwiegersohn Widerwillen toleriert zu werden.

Im Gegensatz zu guten Filmen wie “Ziemlich beste Freunde” wo beide Menschen auch als solche Dargestellt werden ist hier erneut der Schwarze in seiner Ansammlung an die Hautfarbe geknüpfte Klischees der Störfaktor, der Stein des Anstoßes und bekommt nicht die Chance als gleichwertiger Charakter zu zeigen dass alle Menschen im Grunde gleich sind. Diese Art von Erzählweise ist veraltet und unserem Zeitalter unwürdig.

Es sind solche Bücher, für die ich mich im Jahr 2012 als deutscher Schauspieler für dieses Land in dem ich wohne schäme und ernsthaft in Erwägung ziehe auszuwandern, um in Zukunft nicht mehr dieses erdrückende Gefühl von Trauer, Scham und Wut spüren zu müssen wenn es wieder heißt: “Herr Ricketts, ein Drehbuch für sie!” Als kleine Übung für Abgestumpfte in Punkto Fremdenhass, Rassismus und politische Unkorrektheit bitte ich sie darum, in einer beliebigen Seite ihres Buches das Schimpfwort Neger durch das Wort Jude zu ersetzen. Ein kleiner Perspektivenwechsel und das Stück könnte im Handumdrehen 1933 spielen….Ist es dann immer noch so lustig?

Mit ihrer Erlaubnis werde ich das Drehbuch auch an Frau Dr. Böhmer, Bundesbeauftragte für Integration im Kanzleramt,
sowie an Herrn Dr. Ströhm, Leiter der Bundespresseamtes schicken um eine offizielle, nicht parteiische Meinung zu ihrem Stoff einzuholen. Zugegebenermaßen bin ich mittlerweile zum Thema Klischees in deutschen Filmen etwas übersensibilisiert.

Ich freue mich von Ihnen zu hören und sende Ihnen…

Vodoogrüße aus dem Kreuzberger Busch
Tyron Ricketts

9. November 2012: Und hier die Antwort:

„Lieber Tyron Ricketts,
danke für Ihr Feedback. Ich hab mir die Figur daraufhin noch einmal mit Ihren Augen angesehen und finde ihren Eindruck in vielen Punkten richtig. Alpha ist viel zu lange passiv, muss aktiver, intelligenter, eigenständiger werden, ein gleichwertiger Partner für Franz. Tatsächlich hab ich begonnen, den Charakter zu überarbeiten. Dass einem eine Figur zu schwach gerät, passiert immer wieder. Es tut mir leid, dass Sie sich so beleidigt gefühlt haben.
Ich möchte mich bedanken für die offenen, mutigen Worte, obwohl ich mich natürlich auch mißverstanden gefühlt habe. Das Buch ist ein Plädoyer dafür, die eigenen Vorurteile zu überwinden. Deswegen hab ich´s geschrieben…
Herzliche und bayerische Grüße,
die Autorin“

5 Kommentare
  1. Scholz sagte:

    Es gibt halt leider in Deutschland für dunkelhäutige Schauspieler keinen so großen Markt. Der Frust darüber speist die stumpfsinnige Pöbelei. Aber die Alternative wurde ja bereits benannt. Viel Erfolg in den USA.

  2. PrincipeAzzurro sagte:

    Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich kann mir kein Urteil erlauben ohne das Buch gelesen zu haben (ob ich das freiwillig wollen würde, steht nach auf einem anderen Blatt).

    Tyron, Du hast meine komplette Sympathie, ich verstehe emotional auch die Höhepunkte wie die Neger-Juden-Passage. Aber Dein Rundumschlag ist ohne den Kontext zu kennen meiner Ansicht nach für eine breitere Öffentlichkeit nicht verständlich und gehört daher IMHO auch in der vorliegenden Form eher in die private Sphäre als ins Netz. Correct me if I’m wrong…

  3. Frank sagte:

    Ich denke, man sollte diese Meinung erst einmal ernst nehmen. Auch wenn es ggf. weitere Gründe zur Frustration beim Autor geben mag, was nur spekuliert werden kann, so ist, meiner Meinung nach, sein Hauptanliegen nachvollziehbar. Fakt ist, dass Film/Fernsehen versucht, die Realität von Minderheiten-Gruppen in unserer Gesellschaft abzubilden und rutscht dabei, wahrscheinlich ungewollt, immer wieder in überlieferte oder eigen konstruierte Klischees. Dabei ist das Medium ein Teil des Problems selbst, da der fokussierte „Ausschnitt“, welcher im Film immer per se geliefert wird, und die Passivität des Zuschauers, einen anderen Eindruck vermitteln als die Realität selbst. Eigenes Beispiel: In meinem Viertel leben viele Türken. Beim Spazieren treffe ich auf viele Frauen mit Kopftuch. Mein Gefühl bei der Beobachtung ist durchweg positiv. Mir erscheint diese Kleidung selbstverständlich und trägt zur bunten Vielfalt in meiner Umgebung bei. Unterhalte ich mich mit Frauen mit Kopftuch, so ist dies maximal ein interssantes Accessoire. Kopftücher in Film/Fernsehen haben, in meinem Empfinden, aber überwiegend etwas Andersartiges/Befremdliches, obwohl ich das gleiche sehe. Das Kopftuch scheint eine erhöhte Aussage über die Persönlichkeit der Figur treffen zu wollen. Um aus dieser Diskrepanz auszubrechen und auf der Leinwand nicht klischeehaft zu wirken, braucht man, denke ich, ein hohes Maß an Empathie, erzählerischer/filmerischer Kreativität und vor allem das Bewusstsein, dass die o.g. Diskrepanz eine Herausforderung darstellt. Das vom Autor zitierte Drehbuch scheint jedoch genau das Gegenteil darzustellen, weshalb ich die Empörung nachvollziehen kann. Dieses Drehbuch ist natürlich nur ein extremes Beispiel von weniger offensichtlichen „Fehlern“ im Umgang mit dieser Thematik in anderen Drehbüchern. Der „Juden“-Vergleich ist natürlich eigentlich per se nicht erlaubt, sollte aber nachsichtig bewertet werden, da der Autor das Gefühl eines Betroffenen deutlich machen wollte und der Vergleich seinen Zweck erfüllt. Ich halte diesen Vergleich nicht für ein „Nazi-Totschlag-Argument“, um jemanden zu diskreditieren.

  4. Arab sagte:

    Tut mir leid, ich finds eher peinlich. Dass das Drehbuch Schrott ist, glaube ich. Aber bei diesem Rundumschlag haut Tyron Ricketts sich selber auch gleich mit um. Das Ganze klingt doch ein bisschen nach gekränkter Eitelkeit, weil er nach seinem Ausstieg bei „Soko Leipzig“ nicht mehr allzuviel zu tun hat.

    Sein Judenvergleich allerdings geht gar nicht, das ist so falsch und dumm, dass es mich graust. Wieso müssen Leute in Diskussionen immer diese Keule rausholen?
    Da gilt dann leider „Godwins law“: Wer als erster in einer Diskussion mit einem Nazivergleich um die Ecke kommt, ist automatisch der Verlierer der Diskussion.

    Der Schluss ist allerdings dann fast schon komisch: Wie soll man jemanden ernst nehmen, der ein Drehbuch an das Kanzleramt schicken will?
    Das ist Kindergarten.

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