Wann und wie ist die Idee zu diesem Blog entstanden?

Elmira: Mein Schlüsselerlebnis hatte ich voriges Jahr durch die von der Schauspieleragentin Birgit Menzel gegründete Facebook-Gruppe „Wie viele Schauspielerdatenbanken braucht die Branche?”, die sich auf die cn-klappen-Beiträge bei casting-network bezog – Interviews mit diversen Datenbankbetreibern. Das war eine so wichtige Auseinandersetzung, dass plötzlich aus allen Ecken die Wortmeldungen zunahmen, sogar richtige Diskussionen auflebten. Caster, Agenten, Regisseure, andere Filmschaffende und Schauspieler hatten endlich eine Plattform, wo auf Augenhöhe miteinander kommuniziert wurde und ohne Umwege: Fragen und Stellungnahmen wurden ruckzuck von allen zeitnah geklärt, beantwortet, beraten.
Da ich selbst sehr aktiv bei Facebook unterwegs bin, fand ich, dass es an der Zeit wäre, eine zentrale Umgebung dafür anzulegen. Denn es verliert sich sonst, wenn zu jedem Thema immer aufs Neue eine neue Gruppe oder ein Thread geöffnet werden muss, wo erstmal alle beitreten müssen. Endlich alle an einem Tisch zu haben, wäre sozusagen meine persönliche Vision.

Peter: Bis Sommer 2010 stand ich dem Thema eher distanziert gegenüber. Nicht, weil ich generell etwas gegen Blogs hätte, sondern weil cinearte als 14-tägige PDF-Zeitung schon seine Publikationsform im Internet gefunden und sich so über acht Jahre etabliert hatte. Ein zweites Format hätte da nur verwirrt. Andererseits: Wäre cinearte nicht 2003 gestartet, sondern drei Jahre später, wäre es wahrscheinlich ein Blog geworden … Anlass, mich doch ernsthafter damit auseinanderzusetzen, war der Umstand, dass es immer wieder Themen gibt, die ich in der PDF-Zeitung auf die übliche Art nicht behandeln konnte – womit ein Blog also die übrigen Teile von cinearte ergänzen könnte. Und während ich noch eifrig am Konzept bastelte, hörte ich, dass Tina Thiele von casting-network ähnliche Pläne hatte und Rüdiger Schaar von medienvorsorge sich ebenfalls dafür interessierte. Wir kooperieren schon länger und fanden, dass das DIE Gelegenheit ist, unsere beiden Plattformen ein bisschen enger zu verzahnen.

Rüdiger: Bei der Entwicklung des Portals medienvorsorge.de hatten wir bereits über einen Blog-Teil nachgedacht – dies aber erst mal verschoben. Auch bei Facebook haben wir nur langsam angefangen, Themen zu posten, da wir anfangs befürchteten, dass User, soweit sie eine Kommentarmöglichkeit haben, es nutzen könnten, um mit ihrem Finanzbeamten oder dem Gesetzgeber abzurechnen. Die Befürchtung war allerdings unberechtigt: es kam zu interessanten Diskussionen und wertvollen Beiträgen.
Lustigerweise hatte ja jeder von uns für seinen Bereich schon einmal über einen Blog nachgedacht, richtigen Sinn ergab es für uns allerdings erst in der Verbindung der verschiedenen Portale.

Was treibt Euch als Macher/Blogger von out takes an? Warum macht Ihr das?

Peter: Manchmal frage ich mich das auch (lacht). Es ist, ähnlich wie bei cinearte, die Idee, ein Forum für die gesamte Branche zu schaffen, wo sich alle Filmberufe – von der Maskenbildnerin bis zum Filmgeschäftsführer – einander vorstellen und ein Dialog über ihre Arbeit stattfinden kann. Die Hoffnung ist natürlich, dass dieser Dialog in Form eines Blogs mit Kommentarfunktion noch intensiver und direkter stattfindet.

Rüdiger: Gerade in meinem Bereich stelle ich immer wieder unglaubliche Unkenntnis bei den Filmschaffenden fest. Der Blog soll für die User eine Möglichkeit sein, sich auch über steuerliche beziehungsweise sozialversicherungsrechtliche Themen zu informieren und Tipps zu erhalten. Häufig ist es für sie eine große Hemmschwelle – oder auch eine Frage des Geldes – Fragen an Steuerberater zu richten. Jetzt haben sie die Chance, ihre Probleme zu schildern, zu denen wir dann, im Allgemeinen, Stellung nehmen.

Elmira: Ich glaube stark daran, dass wir in dieser Branche miteinander und nicht gegeneinander arbeiten sollten! Die Erfahrung durch den Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) und andere Verbänden zeigt deutlich, wie wichtig es ist, miteinander zu kommunizieren, sich zu vernetzen, seine Meinung zu äußern, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, sich entgegenzukommen, dabei fair und transparent zu arbeiten. Und das funktioniert nur, wenn wir uns als ein Ganzes betrachten, und uns alle gegenseitig updaten, und Synergien bilden. Ich selbst leite alle Inhalte, die meine Kollegen bereichern könnten, immer weiter, versuche aufzuklären und Hilfestellung zu bieten. Das war auch immer die Motivation, weshalb ich in den Journalismus eingetaucht bin.

Welche Inhalte werden im Blog behandelt, die Ihr auf Euren bestehenden Plattformen so nicht aufgreift oder aufgreifen könnt?

Elmira: Der Blog ist als Erweiterung der bestehenden Plattformen zu verstehen, denn man kann Themen direkter aufgreifen und muss nicht bis zum Veröffentlichungstermin warten. Ich kann sämtliche Strömungen umgehend behandeln und hoffentlich mit der Branche teilen. Inhaltlich ist der Vorteil eines Blogs, dass man auch viel subjektiver berichten und seine Haltung äußern kann. Man ist auch freier in der Wortwahl. Das ist persönlicher, finde ich. Auf der anderen Seite steht eben der Dialog im Vordergrund. Wer nicht redet, dem kann auch nicht geholfen werden!

Peter: Die Unterschiede bestehen weniger im Inhalt als in der Form der Darstellung. Das beste Beispiel hierfür sind Themen um die Arbeitsbedingungen in der Branche. Da bekommen wir zum Teil haarsträubende Geschichten zu hören. Nur können wir das kaum so wiedergeben, ohne den Beteiligten zu schaden. In der Regel bitten sie auch selbst darum, anonym zu bleiben. Aber allein mit einer Namensänderung ist es da selten getan, weil sich eine „undichte Stelle“ bei einer Filmproduktion oft leicht ermitteln ließe. Also müssten wir das noch weiter anonymisieren.
Zudem ist von vornherein klar, dass wir uns aus den gleichen Gründen nicht auf diese Informanten berufen können: Zum einen sind die meisten Freiberufler und wollen auch in Zukunft noch engagiert werden, zum anderen gibt es Klauseln im Vertrag, die ihnen unter Androhung von Sanktionen verbieten, mit Dritten über Interna zu sprechen, und dazu gehören eben auch die Arbeitsbedingungen. Diese Verschwiegenheitspflicht ist an sich eine ganz normale Sache, die Folge ist aber: Wir kennen die Geschichten, können sie aber nicht belegen, wenn es hart auf hart kommen sollte und wir plötzlich einem Anwalt gegenüberstehen. Wir können so eine Geschichte also nur erzählen, indem wir sie sehr verfremden und das auch thematisieren.
Natürlich wäre das auch in einer Zeitung möglich, aber der Blog erscheint uns als das geeignetere Format, weil die Leser da ohnehin schon einen subjektiveren, freieren, literarischeren Zugang erwarten. Das gilt aber auch für weniger investigative Themen.
Genauso kann hier mal auf ein Buch, einen Film oder eine Website hingewiesen werden, die gerade ungeheuer relevant für die Filmgemeinde sind oder sein sollten. Auch das geht in einer Zeitung, aber es müsste eine feste Kolumne dafür geben, sonst wirkt es zu zufällig oder beliebig. Ein Blog aber verzeiht so eine Willkürlichkeit. Er lebt sogar davon.

Rüdiger: Im Blog wollen wir mit den Lesern kommunizieren, erfahren, was sie für Probleme mit dem Finanzamt und den Versicherungsträgern haben. Wir wollen allerdings keinen Lästerblog, wo sich jeder über seinen Sachbearbeiter beim Finanzamt auslässt, sondern herausfinden, wo genau die Probleme in der Praxis liegen. Soweit mehrere das gleiche Problem haben, hilft es uns, hierzu Stellung zu nehmen oder aber auch die Finanzbehörden auf bestimmte branchenspezifische Themen hinzuweisen.

Demnächst sollen auch Gäste bloggen dürfen! Was ist deren Aufgabe?

Elmira: Auf die Gäste freue ich mich schon ganz besonders. Da gibt es wahnsinnig viele Anwärter und spannende Personen, die Bereicherndes mitzuteilen hätten. Also im Prinzip läuft das so: ein Regisseur möchte ein ihm wichtig erscheinendes Thema, etwa die aktuelle Debatte über die Vernachlässigung vom „deutschen Kino im TV”, gerne vertiefen und hat bei uns nun die Möglichkeit, es im Blog aufzubereiten. Es gibt so viele Persönlichkeiten oder Experten, die ihre Meinung zu einem Thema unbedingt der breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen sollten – zum Beispiel bei out takes. Interessante Anstöße sind da immer willkommen und erwünscht. Wir gehen auf unsere Gäste zu und laden Sie dazu ein, aber es kann sich auch jeder bei uns melden, der als Gast für eine gewisse Dauer bei uns mitbloggen will. Das hat im Übrigen nichts mit dem Kommentieren zu tun. Ein Gast ist mit seinen Beiträgen in dem Moment genauso gleichwertig wie wir drei Hauptblogger.

Rüdiger: In unserem Bereich wollen wir auch die Finanzbehörde, Versicherungsträger, Sozialrichter und ähnliche Personen in den Blog einbeziehen. Da auch die Behörden mittlerweile Öffentlichkeitsarbeit betreiben, stieß der Vorschlag im Vorfeld auf offene Ohren. Wir wollen insoweit ein gemeinsames Forum – fernab der Behördenflure beziehungsweise dem meist wenig entspannten Telefonat mit dem Sachbearbeiter.

Wie funktioniert das Kommentieren?

Elmira: Das Kommentieren soll einladen und keine Hürde darstellen. Man kann gleich drauf los schreiben – lediglich eine E-Mail-Adresse muss man angeben. Das ist wichtig, damit kein Missbrauch entsteht, etwa durch Kommentare unter der Gürtellinie.
Natürlich bevorzugen wir es, wenn der Schreiber sich auch mit Namen identifiziert. Wenn man weiß, aus welcher Berufsecke er stammt, ist das sehr aufschlussreich. Doch wir respektieren es absolut, dass es da auch Ängste gibt, und jemand anonym bleiben will. Uns geht es dabei nicht ums Anschwärzen oder Petzen, aber jeder von uns kennt ja so manche Bedingungen am Set oder die allgemeine Lage zum Lohndumping. Da ist es wichtig, dass wir offen darüber reden können und auf solche Zustände hinweisen, um die Dinge besser zu machen. Dem BFFS gelingt sowas durch anonyme Erhebungen und den Austausch innerhalb des Verbands ja auch sehr gut. Das kann gerne weiter vertieft werden, finde ich.

Welche Spielregeln sind hier einzuhalten?

Rüdiger: Wie der Blogger Peter Tury es so schön auf den Punkt bringt: Nicht motzen, moralisieren oder Missionieren! Man sollte jemanden so antworten, als würde man dem anderen gegenüberstehen. Klingt selbstverständlich, wird aber leicht vergessen. Bei manchen Diskussionen im Internet müsste man seinen Beiträgen die Dreifaltigkeit vorausschicken „Meine Eltern sind nicht verwandt, ich lese nicht die ,Bild’-Zeitung und ich habe nicht die Nazis gewählt. Trotzdem habe ich eine andere Meinung.“ Das soll bei uns nicht nötig sein. Also: menschlich bleiben – auch, wenn man anonym ist.

Warum macht Ihr das Ganze nicht auf Facebook?

Peter: Da gibt’s uns ja auch. Facebook ist eine Sache, aber ein Blog eine ganz andere. Wir wollen auch im Blog keine Beiträge im Umfang von „Krieg und Frieden“ veröffentlichen, aber bei den Facebook-Posts ist die zumutbare Aufmerksamkeitsspanne schon sehr kurz.

Elmira: Facebook ist eine nette, spielerische Sache, sehr gut als Vernetzungsform und man kann quasi kostenlose PR machen. Doch dazwischen landen auch Posts wie „die letzten 99 Latte Macchiato, die ich getrunken habe”. Außerdem sehen wir die datenschutzrechtlichen Richtlinien bei Facebook eher kritisch.

Wie finanziert sich die Website?

Rüdiger: Die finanzielle Anfangsinvestition wurde zunächst vorgestreckt. Das hielt sich aber im Rahmen, denn jeder griff auf seine Ressourcen beziehungsweise seine Kontakte zurück. Es war mehr die Zeit, die jeder von uns investierte. Dabei merkte man allerdings, dass jeder selbst ein solches Projekt schon einmal gestemmt hat und über Probleme und Möglichkeiten Bescheid wusste. In Zukunft werden wir dezent Werbung auf dem Portal schalten, um dessen Unterhaltung zu finanzieren. An eine gewinnorientierte Plattform denkt dabei keiner von uns.

Wenn Ihr die Augen schließt und Euch das Ziel am Ende des Tunnels vorstellt, wie soll die Seite in einem Jahr aussehen?

Elmira: Prall gefüllt, aber übersichtlich mit lebhaften Diskussionen und informativem Mehrwert. Und dass wir darüber so manche Entscheidungen in der Branche zum Positiven beeinflussen können.

Rüdiger: Ich hoffe auf eine lebhafte Diskussion, interessante Beiträge und für meinen Bereich, dass wir es schaffen, den Usern das Steuerrecht ein wenig näher zu bringen und Probleme, die die Branche hat, entsprechend zu lösen. Beziehungsweise die Problematik verständlich zu erläutern.

Peter: Eine große bunte Landschaft, in der geschäftiges Treiben herrscht – der Marktplatz, auf dem sich regelmäßig alle treffen, um sich auszutauschen und zu informieren.

Das Interview führten Tina Thiele (casting-network) und Oliver Zenglein (crew united) | Vorstand von out takes. Dem Blog der Film- und Fernsehbranche e.V..