FREIHEIT – Ein Kommentar zur Abstimmung der EU-Urheberrechtsrichtlinie

pablo (5)

Ich habe 2013/14 einen Film über die europäische Flüchtlingspolitik gemacht, nicht nur als Regisseur, sondern auch als Produzent, der ORF hat mit ca. 20% koproduziert und gemäß des dadurch bestehenden Vertrages wurde der Film auch in ORF2 ausgestrahlt. Um den von mir persönlich eingebrachten Produktionskostenanteil abzudecken, haben wir den Film auch anderweitig verkauft und zum Streaming über eine Plattform angeboten, die es uns ermöglichte, konform zu unseren Verträgen einen kleinen Geldbetrag dafür einzuheben.

UPLOADFILTER
Am Tag nach der Erstausstrahlung fand ich den Film inklusive ORF Senderkennung auf Youtube, hochgeladen von einer politisch aktiven Userin, die ohne jede böse Absicht den Film toll und sehenswert fand und ihren »Followern« zeigen wollte. Ich habe mich also schweren Herzens hingesetzt, und Youtube und einigen anderen illegalen Streaming – Plattformen geschrieben, auf denen der Film aufgetaucht war, mich als Rechteinhaber ausgewiesen und erreicht, dass der Film nach ca. einer Woche offline gestellt wurde. Eine Wochen Schaden! Bei der Ausstrahlung durch andere Sender ging das ganze Spiel von vorne los. Ein Aufwand, der schon bei einem einzigen Film die Kapazitäten einer kleinen Firma wie der unseren vollkommen übersteigt. War ich also ein Uploadfilter?

GRATIS, UMSONST, WERTLOS
Dem User wird dabei vorgemacht, der Inhalt sei gratis, aber er bezahlt mit seinen Daten, seinem Kaufverhalten und zuletzt mit seiner Meinung. Die Profiteuere sind Google, Facebook und andere Giganten, die auf diese Art und Weise nicht nur enorme Reichtümer, sondern auch eine schier unfassbare Macht angehäuft haben. Aus Inhalten, die User in Glauben etwas Gutes zu tun, herschenken. Oder aus Inhalten, die sich Google holt, ohne zu fragen. Oder aus Inhalten, die einfach nur geklaut sind. Geld, das nicht in Europa versteuert wird, Macht, die unsere Demokratie nachhaltig gefährdet. Dabei bestimmen nämlich die Plattformen, ob und wer den Inhalt des einzelnen Users zu sehen bekommt, die Plattform fungiert als Herausgeber, aber sie stellt sich dieser Verantwortung nicht. Diese heute schon tatsächlich angewendeten Uploadfilter interessieren die Kritiker dabei offenbar nicht, im Gegenteil, in teils abenteuerlichen Kampagnen beschützen sie genau diese, während sie die Freiheit in Gefahr sehen. Wie paradox.
Ein Rechteinhaber muss die Möglichkeit muss, selbst zu entscheiden, wo und wie er seinen Werk auswertet. Wie jeder Film hatte auch meiner noch andere Urheber, einen Komponisten, einen Kameramann, einen Schnittmeister etc. – sie alle haben mir, dem Regisseur und Produzenten, das Recht eingeräumt, das Werk auszuwerten. Die Richtlinie ermöglicht es mir als Rechteinhaber nämlich nun, den vom User geposteten Content auf YouTube stehen zu lassen, und gemeinsam mit allen Urhebern an der Auswertung des Werkes gemäß unseren Ansprüchen zu partizipieren. Das ist nicht nur ein Bestandteil unseres Einkommens, sondern ermöglicht auch in Zukunft die Produktion solcher Inhalte neben Mainstream und Populismus. Aber es geht nicht nur ums Geld.

DONALD TRUMPS URENKEL
Nehmen wir einmal an, aus meinem Film, für den ich auf eigene Kosten nach Lampedusa gereist bin, würde ein rechtsradikaler User eine oder mehrere Einstellungen rausnehmen, diese in einen fremdenfeindlichen Kontext setzen und sie über eine Massenplattform wie Youtube verbreiteten. Soll ich dazu verdammt sein, tatenlos zusehen zu müssen, wie das von mir sorgsam gestaltete Material in einen vollkommen anderen Zusammenhang gesetzt wird, der meinen Intentionen fundamental widerspricht? Bis mir das gelingt, sitzt bereits der Urenkel von Donald Trump durch Erbfolge im Weißen Haus. In Zeiten von Deepfakes werden wir nämlich noch ganz anderen Manipulationen ausgesetzt sein. Das scheinen die Technologieexperten, die Uploadfilter mit Contentidentifikation gleichsetzen und allen Ernstes behauten, dass aufwendig produzierter Qualitätscontent mit Amateurvideos verwechselt werden könnte, zu entgehen. Wer die Richtlinie aufmerksam gelesen hat, weiß, dass die Identifizierung der Inhalte ausdrücklich in angemessener Weise und in Zusammenarbeit mit den Rechteinhabern zu erfolgen hat, also mit uns, den Urhebern und unseren Vertretungsorganen. Genauso intendiert die Richtlinie auch, dass in Zukunft der User das Recht bekommen soll, seine Ansprüche gegenüber solchen Plattformen geltend zu machen, was bisher nicht möglich war. Wer jetzt das Lied der bösen Verwertungsgesellschaften anstimmen will, den verweise ich auf das Verwertungsgesellschaftengesetz 2016, das im übrigen erst durch eine Richtlinie des EU Parlaments möglich wurde.

VIELFALT
Gerade Kleinstproduzenten, zu denen auch ich mich zähle, die zusammen mit Urhebern, Filmern, Autoren, Musikern, Schauspielern Initiativen ergreifen, und Dinge machen, die sie für notwendig halten, die für die Vielfalt genauso wichtig sind, wie für die Kritik, müssen fortan nicht mehr durch die Finger schauen, wenn alle anderen mit ihren Inhalten Geld verdienen, oder diese umgestalten können, wie es Putin passt, um’s polemisch zu formulieren.
Die Richtlinie ist keine Vorgabe eines einzelnen oder einer einzigen Fraktion, sondern Ergebnis eines breiten demokratischen Diskurses, in den sich neben den konservativen auch die sozialdemokratischen Kräfte konstruktiv eingebracht haben. Gerade das EP ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich solche konstruktive Mehrheiten auch abseits von Klubzwängen finden lassen, was übrigens auch auf nationaler Ebene wünschenswert wäre, weil dadurch Lösungen in Sachfragen jenseits des ideologischen Betons eher möglich sind. Dass beinahe 2/3 der MEPs für die Richtlinie gestimmt haben, spricht dabei für die Qualität des erzielten Kompromisses.

DEMOKRATIE
Die Richtlinie ist einer erster, wichtiger, aber kleiner Schritt zu einer fairen Remuneration von Urhebern, sondern auch in Richtung eines demokratischeren Internets. Warum also gerade die österreichischen Abgeordneten von Neos und Grünen gegen diese Richtlinie und damit gegen die Urheber gestimmt haben, bedarf gerade im Angesicht der anstehenden EU Wahl einer gesonderten Erklärungen. Vielleicht hilft ihnen aber auch einfach die Lektüre von »Change the Game« von Corinna Millborn und Markus Breitenecker um zu erkennen, von wem die Freiheit des Users im Netz wirklich bedroht ist.
Von den Urhebern jedenfalls nicht.

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