Gestern im Ersten, hier schon gelobt: „Borowski und der gute Mensch“, letzter Teil einer ungewöhnlichen Trilogie innerhalb des Kieler „Tatorts“. | Foto © NDR/Thorsten Jander

Das ZDF protegiert Springer, Schnelltests sollten vielleicht kostenlos bleiben und die Vergangenheit der Gesundheitsämter – Gedanken in der Pandemie, Folge 132. 

„Franzosen und Russen gehört das Land,
Das Meer gehört den Briten,
Wir aber besitzen im Luftreich des Traums
Die Herrschaft unbestritten.“
Heinrich Heine

Zu der inzwischen überaus auffälligen Achse zwischen dem ZDF und dem Springer-Verlag, über die ich letzte Woche schrieb, hier ein Update: In der Woche nach der Wahl war Robin Alexander (stellvertretender Welt-Chefredakteur) nicht weniger als dreimal im ZDF-Talk zu sehen: Sonntags bei bei „Maybrit Illner Spezial“, dienstags bei Lanz, donnerstags wieder bei Maybrit Illner. In den letzten drei Maybrit-Illner-Runden war die „Welt“ damit jedes Mal mit dabei. Der Mann hat bestimmt eine Menge zu sagen, und ich schätze Maybrit Illner, aber das ist dann doch ein bisschen zu viel Springer (und Parteinahme für CDU/CSU und FDP). 

Robin Alexanders Chefin Dagmar Rosenfeld, Ex.Frau von Christian Lindner kommentierte dafür ausnahmsweise mal bei „Maischberger Die Woche“. Wollen wir wetten, dass sie innerhalb der nächsten 14 Tage wieder irgendwo im ZDF auftaucht?

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Gestern, am Wahlabend. | Foto © ARD

Die politische Daily Soap: Claus Klebers allerletzter Auftritt und noch einmal das Skelett, die Seenixe, der Scholzomat und die Schlussrunde vor dem Beginn des Corona-Herbstes – Gedanken in der Pandemie, Folge 131.

„Politische Kommunikation darf sich nicht davor drücken, Probleme zu benennen und Fehler anzusprechen […] Niemand hat von vornherein die richtige Antwort auf gesellschaftliche Fragen.“
Carsten Brosda, „Die Zerstörung“

„Passive aggression is rebellion of retaliation that is sugar-coated by nonaggressive behavior.“
B. T. Goodwin „Surrounded by Idiots. How Ineffective Communication Causes Chaos“

Jetzt ist sie vorbei, die Wahl, und wie nach Weihnachten, bleibt ein leichtes Katergefühl zurück. Über die politischen Folgen der Wahl und über die Chancen der wahrscheinlichen sozialliberalen Koalition werden wir nach bei vielen Gelegenheiten debattieren. Vielleicht wird irgendwann auch im Rückblick voller Überraschung darüber gesprochen werden, das Corona eigentlich gar keine Rolle spielte. Dass die Pandemie schlichtweg kein Thema war; auch nicht das Versagen der Regierung an bestimmten Stellen, auch nicht Maskenskandale und Beschaffungsprobleme, auch nicht die rechtsstaatliche Bedenken der Verfassungsjuristen, der FDP und von Minderheiten in anderen Parteien. Alles das kam im Wahlkampf so wenig zur Sprache, wie Außenpolitik – und beides ist ein schweres Versäumnis. Sowieso stellt der zurückliegende Wahlkampf unbequeme Fragen unsere politische Kultur betreffend. 

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Jamaika, Ampel oder doch lieber was anderes? Die Wahl fällt nicht leicht in diesem Jahr. | Foto © Seven One/Willi Weber

Außenpolitik Fehlanzeige, Warten aufs Laschet-Wunder und meine Wahlempfehlung(en) – Gedanken in der Pandemie, Folge 130.

„Politics is just showbusiness for ugly people.“
Jay Leno

„Das Leben ist voller Widersprüche: Wir müssen mehr Kapitalismuskritik und weniger erhobenen Zeigefinger wagen. […] Identität ist wichtig im Leben. Sie darf aber nicht dazu führen, dass nur noch Unterschiede statt Gemeinsamkeiten zwischen Menschen betont werden und sich nur noch ,woke‘ Akademiker in Innenstädten angesprochen fühlen. Eine Politik, die nur noch an das Ego und die individuelle Betroffenheit, aber nicht mehr an die Gemeinschaft appelliert, ist auch Donald Trump nicht fremd.“
Fabio die Masi; ausscheidender Abgeordneter der Linken

 

Die Politik ist eben doch noch für Überraschungen gut. Ab Nikolaus ist GroKo-Aus. Aber nicht nur, sondern vermutlich auch das Aus für die Union nach 16 Jahren ununterbrochener Regierung. 

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Noch eine Woche Wahlkampf. „Aufbruch statt Weiter so!“ – das sagen jetzt alle. Aber was heißt das eigentlich? 

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Vor genau 700 Jahren vollendete Dante Alighieri seine „Göttliche Komödie“. Als Filmvorlage dient sie immer noch – etwa 1998 für „Hinter dem Horizont“. | Foto © Universal

Was wäre, wenn … Planspiele vor der Wahl und der Versuch, Corona mit 9/11 kurzzuschließen – Gedanken in der Pandemie, Folge 129.

„Die Nacht steigt auf, s’ist Zeit, wir müssen fort, denn alles haben wir nun gesehen.“
Dante, „Die Göttliche Komödie“

„Auch hier sah ich ein Volk von verlorenen Seelen, weit mehr, als oben waren: sie drückten ihre Brüste gegen enorme Gewichte, und mit wahnsinnigem Gebrüll rollten sie aufeinander zu. Dann in Eile rollten sie sie zurück, und die einen schrien: ,Warum hortet ihr?‘, und die anderen: ,Warum verschwendet ihr?‘“
Dante, „Die Göttliche Komödie“

Die Spannung steigt: Wird der Scholzomat, also der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der neue Bundeskanzler? Und wenn ja: Warum wird er es? Und wenn nein: Warum wird er es doch nicht?

Beginnen wir einmal mit diesen im Prinzip schlichten Fragestellungen. Falls Olaf Scholz bis zum Ende des Wahlkampfes, also noch die nächsten zwei Wochen, durchhält und neuer Bundeskanzler wird, dann wird er dies vor allem aus zwei Gründen. 

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Auch eine Idee: ein Corona-Mat. Wer seine Meinung von „Alles Aufsperren“ bis „Harter Lockdown“ eingibt, erhält das Land angezeigt, dessen Maßnahmen am besten dazu passen. | Montage © cinearte

Wahlomaten, Postkolonialismus, Leningrad – Gedanken in der Pandemie, Folge 128.

„Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will.“
Jean-Jacques Rousseau

Mich wundert, dass es noch keinen Corona-Mat gibt. Ein Tool, bei dem man über die verschiedenen Optionen der Corona-Politik von „Impfzwang“ bis „Alles Aufsperren“, vom „Tübinger Modell“ bis „Harter Lockdown“, von Streeck bis Drosten seine Vorlieben benennen kann, und dann bei „Neuseeland“ oder „Schweden“ landet. 

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In wenigen Wochen werden die Sitze im Bundestag neu besetzt. Zeit, sich Gedanken zu machen. | Foto © Deutscher Bundestag

Allmählich müssen wir uns überlegen, welche Stimme bei der kommenden Wahl das kleinste Übel bedeutet – Gedanken in der Pandemie, Folge 127.

„Es ist wirklich schwer einzusehen, wie Menschen, die der Gewohnheit, sich selbst zu regieren, vollständig entsagt haben, imstande sein könnten, diejenigen gut auszuwählen, die sie regieren sollen.“
Alexis De Tocqueville, „Über die Demokratie in Amerika“; 1840

„Ich glaube, ich würde die Freiheit in allen Zeiten geliebt haben; in der Zeit aber, in der wir leben, fühle ich mich geneigt, sie anzubeten.“
Alexis De Tocqueville, „Über die Demokratie in Amerika“; 1840

Kaum zu glauben, aber wahr: Heute in vier Wochen, also nur drei weitere Pandemie-Gedanken später, wissen wir, wer die Bundestagswahl gewonnen hat, und vermutlich wissen wir dann auch, wer der neue Bundeskanzler wird. Oder die Kanzlerin, klar: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Nicht nur, weil auch die Pandemie Politik voll und ganz im Schatten des Wahlkampfes steht und man ziemlich jede Maßnahme auch daraufhin abklopfen kann welcher Partei sie nutzt, wollen wir uns auch in diesem Pandemie-Blog ein bisschen mit dem deutschen Wahlkampf beschäftigen.

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Shahrbanoo Sadat ist eine der bekanntesten Filmemacherinnen Afghanistans. In Cannes gewann sie vor fünf Jahren den Hauptpreis in der Sektion „Quinzaine“. Heute ist ihr die Flucht aus Kabul geglückt. Das Berliner „Wolf Kino“ ruft jetzt zu einer Spendenaktion die Filmemacherin auf. | Foto © Persian Film Festival Australia

Deutsche Sicherheiten, Corona und Afghanistan – Gedanken in der Pandemie, Folge 126.

„Then the sickness really breaks out, and the less recording and reporting the better for the peace of the subscribers. But the Empires and the Kings continue to divert themselves as selfishly as before, and the foreman thinks that a daily paper really ought to come out once in twenty-four hours, and all the people at the Hill-stations in the middle of their amusements say:?„Good gracious! Why can’t the paper be sparkling? I’m sure there’s plenty going on up here.“
Rudyard Kipling, „The Man Who Would Be King“; 1888

„Der Krieg in Afghanistan ist verloren.“
Peter Scholl-Latour, 2014

„Es gibt keine guten Taliban.“
Hasnain Kazim in der „Zeit“, 2021

Fast 60 Prozent aller Deutschen, 48,9 Millionen sind vollständig gegen Corona geimpft. 64 Prozent mindestens einmal. 

Aber wie sieht es eigentlich im Rest der Welt aus? Besser als ich gedacht hätte: 32,5 Prozent der kompletten Weltbevölkerung, meldet „ourworldindata“, haben mindestens eine erste Impfdosis erhalten, und sind damit bereits weitgehend sicher vor schweren Erkrankungen. Ziemlich genau ein Viertel, 24.5 Prozent, ist vollständig geimpft. 4.97 Milliarden Impfdosen wurden bisher verabreicht, zurzeit 34.91 Millionen pro Tag. Dass es noch immer keine größere Zahl schwerer Erkrankungsfälle gibt, könnte den Impfverweigerern ja allmählich zu denken geben. 

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Die Erfahrungen der Deutschen mit ihrer ersten Demokratie sind bis heute nicht ganz ausgelotet. Dominik Graf nähert sich ihnen aber an. Seine Adaption von Erich Kästners Roman „Fabian“ läuft jetzt im Kino. | Foto © DCM

Journalistische Trauerspiele, Surrealismus und Terror, Streichholz und Benzinkanister, und die lädierte Utopie – Gedanken in der Pandemie, Folge 125.

„Es geht gar nicht um die Grünen in diesem Wahlkampf. Es geht darum, dass die Gesellschaft entlang der Analysen der Wirklichkeit handlungsfähig wird. Und das sind wir nicht.“
Robert Habeck im „ZDF-Sommerinterview“

„Die Abkehr vom Politischen schlägt sich inzwischen, wenn auch unschuldig, auch dort in einer verräterischen Semantik nieder, wo Verdacht sich eigentlich nicht einstellen sollte: Beim weltläufigsten unserer Politiker.“
Karl Heinz Bohrer

Karl-Heinz Bohrer ist gestorben, leider, ein gutes Jahr vor Vollendung seines 90. Lebensjahres. Bohrer gehört für mich zusammen mit Alexander Kluge und Jürgen Habermas zu den drei spannendsten lebenden Intellektuellen deutscher Sprache. Wie Kluge war er neugierig, vor allem neugierig, mit Habermas verband ihn die Lust an Streit und an Debatte. Zugleich bewies er, zum Beispiel in seiner Freundschaft mit Habermas: Auch grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten in politischen Fragen, müssen einen nicht daran hindern, sich gut zu verstehen. Davon könnten heute fast alle etwas lernen. 

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Die Stiftung Warentest hat zum zweiten Mal FFP2-Masken untersucht. Alle 20 taugen, aber nur vier seien wirklich stark. | Foto © Stiftung Warentest/Thomas Vossbeck

Freiheit der Presse, Luther als Medienphänomen und Lisa Herzog über Arbeit in Corona-Zeiten – Gedanken in der Pandemie, Folge 124.

„Die Furcht selbst, die Angst vor der eigenen Freiheit hält die Menschen gefangen.“
Lukas Baerfuss: „Luther“

Peter R. de Vries ist tot. Am Dienstag vor zwei Wochen wurde der mutige niederländische Investigativjournalist von einem Attentäter niedergeschossen, am vergangenen Donnerstag starb er an den Folgen. 

De Vries hatte er zur Drogenmafia in seinem Land recherchiert, ihren internationalen Verknüpfungen, ihren Verdienstmodellen und Auftragsmorden. In der „Welt“ schreibt Dirk Schümer, der de Vries kannte, über den Fall: „Bedrohte, verfolgte, ermordete Journalisten – wir stellen uns solche Zustände eher in autokratischen Regimen vor. […] Der Mord an Peter de Vries zeigt erneut, dass wir uns nur fälschlich in Sicherheit wiegen. Die gefestigte Demokratie Niederlande wird herausgefordert von einem Mörderkartell, das Bürgermeister und Richter bedroht, ganze Branchen wie den Rotterdamer Hafen oder den Blumenexport für Schmuggel und Geldwäsche infiltriert. […] Europas Kriminelle korrumpieren Richter und Polizisten, bestechen Politiker, töten Journalisten – und fordern den Rechtsstaat zum Duell.“

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Corona ist auch in Cannes ein Thema. Gleich neben dem Festivalpalais steht ein eigenes Testzentrum allen Gästen kostenlos offen. | Foto © Rita Molnár/CC BY-SA 3.0

Über die Filmfestspiele und die Pandemie. Und leider nochmal zum Wahlkampf der Grünen –  Gedanken in der Pandemie, Folge 123.

„Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hinzuschauen.“
Astrid Lindgren

Halbzeit bei den Filmfestspielen von Cannes. Mein Cannes-Tagebuch mit Impressionen und Filmberichten kann man bei „Artechock“ nachlesen. Aber auch Corona ist hier an der Cote d’Azur ein Thema. Man muss den Verantwortlichen gratulieren, denn es ist ihnen geglückt, ein Filmfestival für rund 20.000 Besucher auf die Beine zu stellen, dass dem Normalfall zum Verwechseln ähnlich sieht. 

Man hat dafür direkt neben dem Festivalpalais ein eigenes Testzentrum aufgebaut, das allen Gästen kostenlos offen steht. Jeder Festivalbesucher muss, um überhaupt Einlass zu bekommen, entweder vollständig geimpft sein, oder – da das nur selten der Fall ist – einen negativen PCR-Test nachweisen, der nicht länger als 48 Stunden alt ist. 

Das gilt nur nicht für jene Kinos, deren Zugänge außerhalb des eigentlichen Festivalgeländes liegen. Denn in Frankreich sind im Gegensatz zu Deutschland Kinos besonders gesetzlich privilegierte Orte – und das bedeutet: frei! Der Zugang für alle Bürger darf auch nicht durch möglicherweise sinnvolle Zwangstests beschränkt oder gar verwehrt werden. Der zu einem Filmfestival schon, weil das ein Arbeitsort ist, auch ein Ort der Medien und der Vermarktung, also weniger heilig als der Kunsttempel Kino. 

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„The Trouble with Being Born“ ist Sandra Wollners Abschlussarbeit an der Filmakademie Ludwigsburg. Der Film ist eine Zumutung. Man sollte sie sich antun“, meint der Kritiker der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. | Foto © Panama Films


Träumen Menschen eigentlich von elektrischen Schafen? Gedanken in der Pandemie, Folge 122.

„Wir sind auf alles programmiert/ Und was du willst, wird ausgeführt
Wir sind die Roboter/ Wir sind die Roboter“
Kraftwerk „Die Roboter“; 1978

„Das Nebensächliche ist das Wesen der Kommunikation – folglich des Denkens. Es bildet das Fleisch und das Blut des Wortes und der Schrift. Darauf verzichten wollen hieße soviel, wie mit einem Skelett huren.“
E. M. Cioran

„Das nächste Spiel ist immer das schwerste.“
Sepp Herberger

Letzte Woche lag die Inzidenz in Deutschland bei etwa 9, heute liegt sie bei 5,6. In Italien und Österreich fallen die letzten Einschränkungen. Weiterhin gute Nachrichten also. Aber weiterhin ist der deutsche Corona-Diskurs von Sorge, Warnung, Verbotsideen und Narzissmus geprägt. Zum Narzissmus gehört die dauernde Nabelschau, der Unwille, sich wirklich für andere Länder zu interessieren, die Fixierung auf uns selber.

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Die Viren heißen jetzt anders. „Delta“ heißt die zurzeit schlimmste Mutation – und der Name war auch schon für zahlreiche Action-Filme gut. Szenenfoto aus „Delta Force“ (1986). | Foto © Scotia

Deutschland in Sorge, zwischen Trash-Science-Fiction und Nanny-Staat Flanieren an der Seine – Gedanken in der Pandemie, Folge 121.

Inzwischen liegt die Corona-Tagesinzidenzrate nur noch bei 9. Am höchsten ist sie in Flächenstaaten wie Baden-Württemberg, Bayern, Saarland und Hessen. 

Was bei diesen guten Nachrichten gerade vollkommen in Vergessenheit gerät: Monatelang wurde uns öffentlich in regierungsamtlichen Verlautbarungen wie im Talkshow-Gerede der jeweiligen Gäste, ob Politiker oder Virologen, fortwährend eingeredet, dass das Senken der Inzidenzrate das Allerwichtigste sei. Und warum das? Weil man dann wenn die Rate „erstmal unter 35″ sei, „und besser noch unter 10″, weil man dann „endlich wieder alle Einzelfälle nachverfolgen könne.“ Jetzt liegt die Rate schon seit Wochen unter 35 und seit ein paar Tagen unter 10, und ich bin mir ganz sicher, dass jetzt die Gesundheitsämter munter nachverfolgen, und jeden einzelnen Corona-Fall mit seinem Dutzenden Kontakten mit Bleistift auf ihren Notizblöcken eintragen, und das dann irgendwelche armen Praktikanten in Spahns Ministerium oder beim RKI digitalisieren müssen. Das schafft bestimmt Arbeitsplätze und macht sicher Laune, und ist ganz sicher ungemein effektiv und sinnvoll in der Pandemie-Eindämmung. Denn mit diesen Daten können die Forscher jetzt endlich forschen, und die Gesundheitsämter jetzt endlich – wonach sie sich schon so lange sehnen – alle Kontakte abtelefonieren. 

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Die Eidgenoss*innen haben abgestimmt und eine CO2-Abgabe abgelehnt. Der Klimawandel wird in der Schweiz erstmal verschoben. | Foto © SRF

Die mit dem Feuer spielen … Gedanken in der Pandemie, Folge 120.

„Dämmernd liegt der Sommerabend/ Über Wald und grünen Wiesen;
Goldner Mond im blauen Himmel/ Strahlt herunter, duftig labend.
An dem Bache zirpt die Grille,/ Und es regt sich in dem Wasser,
Und der Wandrer hört ein Plätschern/ Und ein Atmen in der Stille.
Dorten, an dem Bach alleine,/ Badet sich die schöne Elfe;
Arm und Nacken, weiß und lieblich,/ Schimmern in dem Mondenscheine.“
Heinrich Heine, Animateur

„Vielleicht lacht man über Deinen Zweifel …“
Friedrich Nietzsche, Unternehmensberater

Rückkehr zur Normalität heißt auch, dass die Themen wieder normaler und vielfältiger werden.

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549 lautet die Zahl der Neuinfektionen heute – erstmals nach acht Monaten unter 1.000 in Deutschland. Unterschätzen wir nicht, wie großartig diese Nachricht ist. Das heißt jetzt nicht, dass die Pandemie vorbei ist. Es heißt aber, dass es schon mal viel schlimmer war und wir uns alle ein bisschen entspannen dürfen. 

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Der Independent-Regisseur John Carpenter ist jetzt auch schon 73. Arte widmet ihm ab heute einen Programmschwerpunkt samt Dokumentation. | Foto © Arte

Kehren wir in mittelalterliche Verhältnisse zurück? Wie Corona die Tendenz zu dritten Räumen und dritten Zeiten verschärft – Gedanken in der Pandemie, Folge 119.

„Je planvoller die Organisation ist, desto weniger haben die Menschen noch miteinander zu tun.  […] Das junge Volk, das in den breiten Schichten zwischen dem Proletariat und dem Bürgertum aufwächst, passt sich mehr oder weniger leicht dem Betrieb an. Viele lassen sich unwissend treiben und machen mit, ohne noch zu ahnen, dass sie eigentlich gar nicht dazugehören.  […] Sie möchten ihre eigenen Empfindungen ausdrücken; sie widersetzen sich dem System, das ihr Dasein zu bestimmen sucht, und werden doch von dem System übermannt.“
Siegfried Kracauer, „Die Angestellten“ (1929)

Sachsen-Anhalt hat gewählt! Die für viele überraschenden Resultate wurden am Montagmorgen im Deutschlandfunk bei „Kontrovers“ debattiert. In der hochinteressanten Diskussion mit Hörerbeteiligung skizzierte der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke die derzeitige politische Lage aus seiner Sicht: „Wir erleben eine gespaltene Öffentlichkeit“. Es gebe die Debatte der städtischen Bevölkerung, wo man sich für Klimaschutz, Digitalisierung, korrekte Sprache und ähnliches interessiere, und dann gebe es die Debatten der Landbevölkerung: Dort braucht man ein privates Auto und Arbeitsplätze, sorgt sich um soziale Themen und möchte nicht gleich als Rassist beschimpft werden, wenn man sich darum sorgt, dass möglicherweise zu viele Flüchtlinge ins Land kommen. Wenn man dann noch wie die Grünen in der Woche vor der Wahl in einem Flächenstaat eine Benzinpreisdiskussion beginnt, darf man sich nicht wundern, wenn das Wahlergebnis enttäuschend ausfällt. 

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Beim Ausmisten im Lockdown fallen einem mitunter Fundstücke aus der alten Normalität in die Hände. Zum Beispiel ein „Arte-Magazin“ von 2010, als das Wort „Querdenker“ noch als Kompliment galt. | Foto © Rüdiger Suchsland

Corona-Moralismus, Corona-Hedonismus, Corona ist eine kollektive Erfahrung – Gedanken in der Pandemie 118.

„Ein Hauptmittel, um sich das Leben zu erleichtern, ist das Idealisieren aller Vorgänge desselben.“
Friedrich Nietzsche

„Ich sehe als Liberaler eine große Verantwortung für das, was man in Freiheit schaffen kann. Und man muss überraschend sein. Nehmen Sie die ,Taz’-Kolumnistin, die Polizisten auf den Müll wünscht. Darüber, dass diese Kolumnistin jetzt Werbung für Luxusmode macht, schreibe ich: Wunderbar, sie hat kapiert, wie die Ökonomie der Aufmerksamkeit funktioniert.“
Ulf Poschardt, Autor und Journalist

„Freiheiten sind nicht rechtfertigungsbedürftig.“
Robert Habeck

Liebe Leser, habt ihr schon „Lockdown-Schmerz“? Also sehnt ihr euch schon nach dem allmählich verblassenden Lockdown zurück? Als alles so schön ruhig war? Als man nicht ins Museum musste? „Als alles noch viel schöner war.“ 

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