Falsche Vielfalt – wie Disney das mit der Diversität missversteht …

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Pyjama-Party mit Prinzessinnen in „Ralph reicht’s 2“. Disney hat bald für jeden Herkunftshintergrund die passende Identifikationsfigur – und retten können die sich inzwischen schon selber. Doch Diversität sieht anders aus, wenn man’s ernst meint. | Foto © Disney

So geht’s, wenn man’s mit der Diversität nicht richtig ernst meint: Disney will „Schneewittchen“ neu verfilmen und feierte seine erste „Latino-Prinzessin“. Doch die sieben Zwerge hatte man irgendwie übersehen. Der kleinwüchsige Schauspieler Peter Dinklage zeigte sich öffentlich „ein bisschen sprachlos“, warum man „diese verdammt noch mal rückwärtsgewandte Geschichte über sieben Zwerge“ überhaupt nochmal erzählt. 

An seinen Prinzessinnen hat Disney über die Jahre schwer gearbeitet. Seit den 1990er-Jahren kamen welche aus nahen und dem fernen Osten und aus dem Pazifik  hinzu, sogar eine amerikanische Ureinwohnerin wurde zur Titelheldin, und vor zwölf Jahren durfte erstmals eine Schwarze Prinzessin den Frosch küssen. Selbstbewusster und unabhängiger wurden die Prinzessinnen – der Unterhaltungskonzern ging mit der Zeit: „Die Eiskönigin“ von 2013 hatte locker den „Bechdel-Test“ bestanden. 

Nur am Aussehen hat man kaum gearbeitet. Die Prinzessinnen-Riege sieht immer noch aus wie frisch von der Barbie-Akademie, ein Pummelchen wie in „Lilo und Stitch“ ist die Ausnahme. Und wird auch nicht zur Pyjama-Party eingeladen, wenn man sich etwa in „Ralph reicht’s 2“ über die eigenen Klischees lustig macht. Mehr aber auch nicht, und darum endet hier der märchenhafte Teil der Geschichte. Denn die Prinzessinnen sind zwar inzwischen so international wie ihre Zielgruppe – doch so richtig scheint man das doch nicht ernst zu nehmen, und „bessert“ lieber plastisch am Erscheinungsbild nach, wie die Reaktionen auf die Pyjama-Party vor drei Jahren zeigten.    

Doch Diversität ist eh etwas anderes als Schönheitsideale in ethnischen Variationen vorzuführen. Darum muss es nicht wundern, dass Disney prompt über die eigenen Ankündigungen gestolpert ist. Weil man die einstigen Zeichentrickerfolge seit einiger Zeit gerne nochmal verwertet, soll auch Schneewittchen bald als Realverfilmung und Musical auf die Leinwand kommen. „Wonder Woman“ Gal Gadot soll die böse Stiefmutter spielen, Prinzessin wird Rachel Zegler. Die hatte schon in der Neuverfilmung der „West Side Story“ schön gesungen. Und weil ihre Mutter aus Kolumbien stammt, ist sie nun auch die erste Latino-Prinzessin. Ja, so simpel läuft das mit der Zuordnung – immer noch. „Deadline Hollywood“ [auf Englisch] sah es im Sommer trotzdem als „einen Schritt in die richtige Richtung, um die Prinzessinnen-Figuren zu diversifizieren“. 

Eigentlich ist die Neuverfilmung ein reizvolles Unterfangen – schließlich zeigt das Märchen erstens, was passiert, wenn man zu oft in den Spiegel guckt; und macht zweitens ein paar Leute zu Helden, die sonst wenig beachtet werden. Von den Disneys allerdings auch nicht, weshalb man sich wenig Hoffnungen machen sollte, nun würde mal endlich gründlich nachgedacht. Der kleinwüchsige Schauspieler Peter Dinklage, seit „Game of Thrones“ weltbekannt, ereiferte sich am Montag voriger Woche im Podcast-Gespräch „WTF with Marc Maron“ [auf Englisch]: „Ich fühlte mich wie im falschen Film, als sie ganz stolz verkündeten, dass eine Latina das Schneewittchen spielen würde. Sie erzählen tatsächlich nochmal das Märchen. Halt mal die Luft an und sieh dir an, was sie machen. Für mich macht das keinen Sinn. Einerseits bist du irgendwie fortschrittlich, und dann drehst du diese verdammt rückständigen Geschichten über sieben Zwerge, die in einer Höhle zusammen leben. Verdammt noch mal, was machst du da? Habe ich aus meiner Seifenkiste heraus rein gar nichts bewirkt für unsere Sache? Ich vermute, ich war nicht laut genug.“ Sollte jemand eine „progressive Idee“ zum Stoff haben, solle er nur loslegen (darum sei an dieser Stelle an Pablo Bergers „Biancanieves“ von 2012 verwiesen). 

Neben seiner beruflichen Tätigkeit als Schauspieler engagiert sich Dinklage, der unter der genetisch bedingten Wachstumskrankheit Achondroplasie leidet, seit langem für die Rechte von Kleinwüchsigen, die im Amerikanischen tatsächlich noch als „Zwerge“ (dwarfs) bezeichnet werden“, erklärt der BR dazu. 

Disney hat auf die Vorhaltungen reagiert und ließ in „Variety“ [auf Englisch] verkünden: „Um Stereotypen aus dem ursprünglichen Animationsfilm zu vermeiden“ und „die Geschichte zu verbessern“, werde man mit Berater*innen aus der „Dwarfism Community“ zusammenarbeiten.

In der „Süddeutschen Zeitung“ ist David Steinitz trotzdem gespannt, wie man „aus dieser Nummer rauskommen will, ohne jemanden zu verärgern […]. Und bis dahin kann man sich noch mal die wohlformulierten Warnhinweise über andere Diskriminierungsvergehen durchlesen, die der Konzern bei seinem Streamingdienst Disney Plus mittlerweile vor vielen Klassikern einblendet. Denn sie alle könnten die Remake-Probleme der Zukunft weissagen.“

In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ kommentiert Tilman Spreckelsen:  „Dass alle Stoffe, natürlich auch die Märchen, davon profitieren können, wenn man sie ausdeutet, fortschreibt und aus neuen Perspektiven betrachtet, liegt auf der Hand, und umgekehrt leider auch, dass uns nicht jede Adaption in diesem Sinne bereichert. […] Disney beeilte sich mit der Versicherung, bloß nicht die ,Stereotypen’ des Trickfilms von 1937 wiederholen zu wollen und einen ,anderen Ansatz’ bei ,diesen sieben Figuren’ zu wählen – fragt sich nur welchen. Wer vorsichtig von ,Figuren’ spricht, hat womöglich keine Kleinwüchsigen mehr im Sinn, aber warum will sich Disney ausdrücklich ,Rat von Mitgliedern der Kleinwüchsigen-Gemeinschaft’ holen?“

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