FIlmförderungsgesetz 2022: Nur eine Übergangslösung

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Der Bundestag sprach vorige Woche erstmals übers neue Filmförderungsgesetz. Es soll nur eine Übergangslösung für die nächsten zwei Jahre werden. Corona habe die Planungen zur „Makulatur“ gemacht. | Screenshot

Der Bundestag hat über die Novelle zum Filmförderungsgesetz beraten. Auch drei der vier Oppositionsparteien haben eigene Anträge vorgelegt, wie sie sich die Zukunft des Deutschen Films vorstellen. 

Der Bundestag hat vorigen am Freitag in erster Lesung über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Filmförderungsgesetzes beraten. Erstmals standen außerdem fünf Anträge der Opposition auf der Tagesordnung: Die AfD will „den deutschen Film erfolgreicher machen“ und hierzu das Filmfördersystem neu ausrichten. Die Linke plädiert ebenfalls für eine Reform des Filmförderungsgesetzes und für die Unterstützung von Kinos, Filmverleihen und -produktionen in der Krise.  Ebenfalls zwei Anträge brachte die FDP ein. Sie will zum einen die „Deutsche Filmförderung im europäischen Kontext reformieren“ und sich zum anderen „für ein Überleben der deutschen Film- und Kinobranche“ stark machen. 

Eigentlich hatte wieder eine große Novelle für die nächsten fünf Jahre angestanden. Die Corona-Pandemie durchkreuzte die Pläne. Wegen Corona sei die Evaluierung für das Jahr 2019 „Makulatur“, erklärte in der halbstündigen Sitzungsrunde Martin Rabanus von der SPD. Noch fehle die Datenbasis für weiterreichende Planungen, sagte die Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), für die nächsten Monate ständen die Neustarthilfen im Mittelpunkt. Dennoch stellten sich gesellschaftspolitische Fragen wie Gleichberechtigung oder Diversität. Die Neufassung soll darum nur für zwei Jahre gelten und werde lediglich rechtliche sowie förderpolitisch zwingende Änderungen beinhalten, so die Bundesregierung.

Man könne aber auch nicht alles auf Corona schieben, manches könne eben nicht warten, meinte Tabea Rößner von den Grünen in der Aussprache. Sie verwies auf Chancengleichheit und soziale Nachhaltigkeit an. Die Reformen kämen nur in homöopathischen Dosen, dabei sei doch schon die letzte Novelle „ziemlich unmutig“ gewesen. Sie hoffe, dass die nächsten zwei Jahre gut genutzt werden. Im Anschluss an die Aussprache wurden alle Vorlagen in den federführenden Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen.

Die Novelle der Bundesregierung will das Filmförderungsgesetz in Zeiten von Corona anpassungsfähiger gestalten, so die Zusammenfassung des Bundestags. Vorgesehen sind „Anpassungen“ bei den Fördervoraussetzungen, den Sperrfristen und der Verwendung der Mittel vor – so sollen in Zukunft Ausnahmen möglich sein, etwa falls „einzelne Förder- oder Auszahlungsvoraussetzungen aufgrund höherer Gewalt nicht erfüllt werden können.“ Auch die Abgaben von Bezahlfernsehen und Programmvermarktern sollen den veränderten  Marktverhältnissen angepasst werden.

Geplant sind außerdem Verpflichtungen zu Klimaschutz und Geschlechtergerechtigkeit. Hersteller*innen müssen mittels eines CO2-Rechners nachweisen, welchen Ausstoß von Treibhausgasen die Produktion des Films verursachte, Förderhilfen werden nur gewährt, wenn „wirksame Maßnahmen zur Förderung der ökologischen Nachhaltigkeit getroffen werden.“

Neben der Geschlechtergerechtigkeit habe die Filmförderungsanstalt „nun auch ausdrücklich auf die Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderung und auf Belange der Diversität hinzuwirken“ heißt es in dem Antrag der Regierung. „Die Regelung eröffnet insbesondere dem Verwaltungsrat die Möglichkeit, im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz aufgrund der gesetzlichen Aufgabenzuweisung auf Maßnahmen zur Förderung von Diversität und Inklusion noch stärker hinzuwirken.“

Ebenfalls zu den Aufgaben der FFA gehört die Sorge um sozialverträgliche Beschäftigungsbedingungen in der Branche. Seit 2017 steht dies im Gesetz, geschehen ist seither nahezu nichts. Zum Vergleich: das aktuelle FFG, das erstmals auch die Gleichberechtigung anmahnte, war gerade erst in Kraft getreten, als die FFA eine Studie zu „Gender und Film“ vorlegte. Die ökologische Nachhaltigkeit, die jetzt erst neu ins Gesetz kommt, soll sogar Förderkriterium werden. Doch die soziale Nachhaltigkeit scheinen weder Gesetzgeber*innen noch Filmförderungsanstalt richtig ernst zu nehmen. Sie ist kein Vergabekriterium wie bei einigen Länderförderungen – vorgeschrieben ist im Gesetz lediglich eine statistische Auswertung der geförderten Projekte unter diesem Aspekt in den jährlichen Geschäftsberichten. Doch nicht einmal die wurde bisher vorgelegt – dies sei erst nach Abrechnung der Produktionen möglich, hieß es in den ersten beiden Jahren. Erst im vorigen Sommer nannte die FFA im Geschäftsbericht für 2019 erstmals eigene Zahlen: 124 Produktionen haben zwischen 2017 und 2019 Projektfilmförderung erhalten, 31 davon seien abschließend geprüft worden: „Dies ist für valide Aussagen noch keine relevante Datenbasis.“ 

Die Neuformulierung der Aufgabe weckt keine allzu großen Hoffnungen. Nun soll die Filmförderungsanstalt auch darauf hinwirken, dass in der Filmwirtschaft eingesetztes Personal über die sozialverträglichen Bedingungen hinaus auch zu fairen Bedingungen beschäftigt wird. Und soll „mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln Maßnahmen wie zum Beispiel Selbstverpflichtungen der Filmwirtschaft anstoßen und mitentwickeln, die neben den gesetzlich vorgegebenen sozialen Mindeststandards (zum Beispiel Mindestlohn, Arbeitszeitgesetz) gerechtere Arbeitsvoraussetzungen sicherstellen können (zum Beispiel Kinderbetreuung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder auch arbeitnehmerfreundlichere Beschäftigungsmodelle unter besonderer Berücksichtigung der oftmals nur kurzfristigen Beschäftigung). Die Ergebnisse dieses Dialogs sollen Eingang in die Förderpraxis der Filmförderungsanstalt erhalten.“ Zugegeben, der letzte Satz lässt hoffen, dass außer vagen Selbstverpflichtungen eines Tages vielleicht doch noch klare Ansagen folgen könnten. 

 

Deutlicher ist in diesem Punkt Die Linke: Filmprojekte, die von der FFA gefördert werden, sollen „auf geltende Tariflöhne und soziale beziehungsweise sozialversicherungsrechtliche Standards verpflichtet werden“. Für eine geschlechtergerechte Filmförderung fordert die Fraktion Quoten für „Projekte, die in den Gewerken Drehbuch, Produktion und Regie Frauen besetzen“, Gender Budgeting und Diversity-Checklisten, wie sie die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein eingeführt hat. Dazu „verstärkte Angebote von Change-Seminaren für Mitarbeiter*innen der Filmfördereinrichtungen, um stereotype Rollenbilder – auch über Geschlechtsspezifika hinaus – zu hinterfragen.“

Und um „die pandemiebedingten ökonomischen Lasten solidarisch steuern“, soll eine einmalige Solidaritätsabgabe für Streamingdienste eingeführt wird, ”die in der Krise von Kinoschließungen profitierten.“

 

Die AfD tut sich mit dem Gendern schwer. Generell, wie sich neulich wieder bei den Landtagswahlen zeigte. 6 Prozent der AfD-Kandidat*innen in Baden-Württemberg waren Frauen. Bei den Grünen waren 46, die FDP kommt mit dem zweitschwächsten Ergebnis immerhin noch auf 21 Prozent. In Rheinland-Pfalz stellte die AfD sogar 12 Prozent Frauen auf, doch das ist nur halb so gut wie CDU und FDP. Linke und Grüne schafften sogar den Gleichstand der Geschlechter.    

Da setzt man leicht andere Prioritäten im Antrag: Die „Herstellung von ,Geschlechtergerechtigkeit‘“ in Verwaltungsrat und Präsidium der FFA setze „potenziell diskriminierende ,Akzente‘“ und habe auch nichts mit Kunst zu tun. Darum sei davon abzusehen und entsprechende  Passagen im FFG zu streichen. Und die Erweiterung des Aufgabenbereichs der FFA auf die Berücksichtigung von „Diversität“ sei „als ebenso kunstfremd und propagandistisch abzuweisen“.

Der AfD geht’s nämlich ums Eigentliche: Den Deutschen Film fit zu machen, und die Förderung auf dieses Ziel auszurichten. Zu viele Filme würden gefördert und dadurch unterfinanziert. Die Förderung müsse sich auf weniger und erfolgversprechende Filme konzentrieren und diese finanziell besser ausstatten.

Das klingt verführerisch und gar nicht so fern von dem, was die FDP beantragt oder was die FFA selbst vor vier Jahren mit ihren neuen Leitlinien anstrebte. Doch wir erinnern uns: Zwei Jahre später hatte die Kulturstaatsministerin höchstselbst der Branche die Leviten gelesen, wo denn die tollen Filme blieben, für die sie soviel Geld ausgegeben hat. Ganz so einfach scheint das doch nicht zu sein mit der Spitzenförderung und dem Publikumserfolg. Der soll übrigens, liest man immer wieder von Filmproduzent*innen, gar nicht mal so leicht einzuschätzen sein. Außer an der Bauhaus-Universität in Weimar, wie „Der Tagesspiegel“ mal herausgefunden hat.  

So ganz auf dem Stand der Diskussion ums gegenwärtige Fördersystem scheint die AfD nicht zu sein, auch wenn sie in ihrem Antrag ausgiebig daraus zitiert. Die Förderpraxis habe „ein fragwürdiges Format hervorgebracht“, nämlich den „Gremienfilm“. Der sei nicht mehr publikums- und marktorientiert ausgerichtet, sondern versuche, den Erwartungen der Fördergremien zu entsprechen. Dem stehe „keine wirkliche Ergebnis- und Erfolgskontrolle gegenüber“. Es werde einfach der nächste Förderantrag gestellt …

Der Begriff stammt bereits aus den 70ern des vorigen Jahrhunderts, verrät das „Lexikon der Filmbegriffe“: „In der darauf folgenden Debatte, in der die Bezeichnung ,Gremienfilm‘ auch in der Filmkritik und im Feuilleton zum Schimpfwort wurde, war allerdings auch immer klar, dass auch Filme wie die von Rohmer, Kaurismäki oder Greenaway auf Subventionierung angewiesen seien. Die Kritik an der Förderpraxis richtete sich darum vor allem gegen die entscheidungsbefugten Gremien, in denen – ähnlich den Rundfunkräten – Vertreter der gesellschaftlich relevanten Gruppen sowie Vertreter der Filmwirtschaft und des Fernsehens saßen.“

Was der AfD als „Gremienfilm“ offenbar vorschwebt (wir sagen’s mal vereinfacht und verwenden die Kampfbegriffe neutral), ist das Arthouse – gegenüber dem Mainstream. Das kann man so sehen, schaut aber an der Wirklichkeit vorbei. Die größten Förderbrocken gehen ja eh schon regelmäßig an die Produktionen, die Publikum versprechen. Halt irgendwas mit Elyas M’Barek, was für Kinder, mit Ausstattung und Effekten, ein Bestseller oder wenigstens was zum Lachen. 

Ein Vorschlag im Antrag wäre allerdings eine Diskussion wert: Drehbücher sollten „anonymisiert und durch ausgewählte Lektoren beurteilt werden; deren Expertise ist in den Jurysitzungen zum Gegen- stand der Beratungen zu machen.“ 

 

Nochmal zurück zum Leistungsprinzip. Das will auch die FDP und definiert Leistung mit Blick auf den Markt (in diesem Sinne drängt sie in ihrem zweiten Antrag auch auf eine möglichst schnelle Öffnung für die Kinos in Deutschland – ohne Masken-Pflicht oder Verzehrverbot und die Öffnung des Zukunftsprogramms Kino III für mittelständische und größere Betriebe – das Geld dafür soll selbstverständlich aus dem Neustartpaket kommen, das für die Kultur gedacht ist). Das Filmförderungsgesetz sei unter anderem derart anzupassen, dass „wirtschaftlich erfolgreiche Inhalte – insbesondere Blockbuster und kreative Leuchttürme – stärker gefördert werden“, heißt es in dem Antrag. Dies sei ein Weg, auf dem sich die deutsche Filmwirtschaft im europäischen und internationalen Vergleich behaupten könne, so die Begründung. Zugleich gelte es, die Drehbuchförderung mit einem stärkeren Bewusstsein für die „künstlerische Freiheit“ des Autors zu reformieren.

Das klingt nach einem großen Gedankensprung, spiegelt aber den Geist der Partei wider, die ja nicht nur in Wirtschaftsfragen liberal denkt. Und deswegen müssten „Faktoren wie Nachhaltigkeit, Gendergerechtigkeit, Diversität in Gremienbesetzung und -entscheidungen, Abgabeverpflichtungen sowie Abgabelasten als auch Verwertungsketten mit exklusiven Auswertungsfenstern in der Ausgestaltung des künftigen FFG Berücksichtigung finden.“ Ob mit „Nachhaltigkeit“ auch die soziale Komponente gemeint ist, erschließt sich aus dem Antrag nicht. 

Aber die FDP denkt an die Filmschaffenden in der Krise: Für die vielen Solo-Selbständige und Freien in der Branche wird ein Unternehmerlohn vorgesehen, der auch die Lebenshaltungskosten abdeckt, deutlich über der Neustarthilfe liegt, keinen Einschränkungen bei seiner Verwendung unterliegt, und für eine angemessene Absicherung jenseits des Arbeitslosengelds II sorgt. Gleichzeitig sei zu klären, ob und wie bei kurz befristet Beschäftigten im Bereich der darstellenden Künste der Bezug von Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld im Januar 2021 nicht zu einem vollständigen Ausschluss von der Neustarthilfe führen muss.

Die Statistik zeige, so der FDP-Antrag, „dass das FFG weitestgehend ineffektiv ist, wenn es um die Stärkung des Kinos und der Filmbranche in Deutschland geht. […] Das FFG fördert Masse statt Klasse – Kinos werden mit massenhaft beliebig austauschbaren und wenig prägenden Inhalte geflutet, deren cineastische Qualität sich nicht zuletzt in geringen Zuschauerzahlen und fehlenden Branchenauszeichnungen bemessen lässt. Viele Filme können aufgrund dessen nur noch in kurzen Zeitfenstern im Kino laufen, weil das aktuelle System von einer Welle von Inhalten geprägt ist. Durch die Fokussierung auf Kinofilme werden zunehmend Inhalte für das Kino realisiert, die sich eigentlich kaum in diesem starren Format verfilmen lassen. Darüber hinaus stellt die Gremienentscheidung in ihrer aktuellen Form eine subjektive Vorauswahl dar, die ambitionierte Ideen und Werke vorab von einer  Förderung ausschließt.“

Auch diese Kritikpunkte sind bekannt. Die Liberalen fordern eine „große Reform der Filmförderung in Deutschland“. Der Aufstieg der Streaming-Anbieter mache einen Paradigmenwechsel bei der Produktion und Verwertung neuer Filme notwendig. Das FFG müsse sich bei der Referenzfilmförderung so „fokussieren, dass wirtschaftlich erfolgreiche Inhalte – insbesondere ,Blockbuster‘ und kreative Leuchttürme – stärker gefördert werden.“ Und es sei das FFG „kohärent und komplementär zur Förderung auf Länder- und Bundesebene aufzustellen.“ Was ein interessanter Gedanke ist, aber auch die Frage aufwirft, ob Filmförderung nicht doch auch etwas mit Kultur zu tun hat – also Ländersache ist. 

Die Drehbuchentwicklung übrigens sei zu stärken, indem Autor*innen Coaching und Consulting angeboten werde. Sind also die Autor*innen schuld am Elend des Deutschen Films? Die erzählen da etwas anderes. Aber die FDP hat auch da eine Idee: Zugleich sei die Drehbuchförderung auf eine „Incentive-Förderung“ umzustellen, „die nicht am Werk, sondern am Autor anknüpft, um Abschreckung zu vermeiden und größtmögliche künstlerische Freiheit bei der Drehbucherstellung zu gewährleisten.“ Auch das klingt verführerisch. Bloß: wie frei schreibt ein Autor, wenn es dabei auch an den eigenen Markenwert für die „Incentive-Förderung“ denken muss?

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

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