„Fair Film Award Fiction 2021“: Eine Frage der Einstellung

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Der „Fair Film Award Fiction“ wurde dieses Jahr online vergeben. Lisa Jopt vom Ensemble-Netzwerk moderierte die Preisverleihung und die anschließende Diskussion um faire Produktionsbedingungen. | Screenshot

Die fairsten Fiction-Produktionen des vergangenen Jahres wurden heute ausgezeichnet. Spätestens die anschließende Diskussion zum „Fair Film Award“ machte klar: Es ist eine Frage der Einstellung, nicht des Budgets.

Mehr als 1.400 Filmschaffende haben wieder ihre Stimmen zum „Fair Film Award Fiction“ abgegeben und die Produktionsbedingungen bei den Spielfilm- und Serienprojekten bewertet, an denen sie übers Jahr mitgewirkt hatten. Die Deutsche Akademie für Fernsehen (DAfF) übertrug die heutige Preisverleihung und die anschließende Diskussionsrunde live, die Aufzeichnung ist auf dem Youtube-Kanal der DAfF zu sehen.  

Die jeweiligen drei Klassenbesten waren in den beiden Kategorien nominiert: Beim „Spielfilm“ Amusement Park mit „Nebenan“, Bantry Bay mit „Meine Mutter ist verknallt“ und Seven Dogs mit „Frühling – Mit Regenschirmen fliegen“. Bei den Serien auf der Liste: Claussen+Putz mit der 2. Staffel von „Biohackers“, X Filme Creative Pool mit der Miniserie „Tina mobil“ und Bantry Bay mit „Tonis Welt“. Beurteilt wurden Kriterien wie Gagen und Arbeitszeiten, Chancengerechtigkeit und Arbeitsschutz, Professionalität und Arbeitsklima, Umweltverhalten, Umgang mit Drehorten und Motivgebern. In diesem Jahr stand aber auch das Verhalten in der Corona-Krise auf dem Fragebogen (die detaillierten Bewertungen finden Sie auf „Out-takes“). Claussen+Putz und Bantry Bay waren schon mehrmals nominiert worden, vor zwei Jahren hatten beide den „Fair Film Award Fiction“ gewonnen. In diesem Jahr war Bantry Bay sogar in beiden Kategorien nominiert, und Claussen+Putz konnte sich über eine erneute Auszeichnung freuen.

Moderiert wurde die virtuelle Veranstaltung von Lisa Jopt. Sie kommt von nebenan, vom Theater, und ist Mitgründern und Vorsitzende des „Ensemble Netzwerks“. Wie sich die Theaterschauspieler*innen organisiert haben, hatte sie vor drei Jahren beim „Fair Film Award“ erzählt. Vom gerade ausgezeichneten Produzenten Jakob Claussen wollte sie natürlich wissen, woher die guten Noten kommen. Der versuchte es sich vielleicht auch selbst zu erklären: Weil es uns seit 25 Jahren gibt … weil unser Kernteam („wir sind 14 Leute“) sich gut kennt … weil wir wissen, dass wir kostbare Lebenszeit zusammen verbringen. Ganz abgesehen vom Spaß an der Arbeit. „Das ist uns geschenkt worden, und das pflegen wir.“ Ist Fairness also vielleicht eine Frage der Einstellung, die gar nicht so viel mit dem Budget zu tun hat? fragte Jopt. Ja, sagte Claussen, „das hätte ich schöner nicht sagen können.“

Nach den Erfahrungen im Corona-Jahr wirken beide Produzenten zuversichtlich: Der erste Lockdown war natürlich überraschend, doch vergleicht er Jahresanfang und -ende, ist Claussen schon stolz, „was wir alles gelernt haben.“ Gelernt habe er vor allem erstmal Kurzarbeitergeld, meint Malte Grunert von Amusement Park, der Daniel Brühls Regiedebüt und Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Nebenan“ produziert hat. Aber auch: Die Pandemie ist, nüchtern betrachtet, erstmal eine zusätzliche Komplikation. „Und mit sowas umzugehen, ist ja auch unser Geschäft.“ Da sollte doch auch ein Hygienekonzept zu schaffen sein – obwohl der Drehalltag dem ja völlig entgegensteht.

Dass die Sache mit der Fairness nicht bei den Produzent*innen aufhört, machte Claussen klar: „Ich fände es fair, wenn Auftraggeber und Auftragnehmer sich gemeinsam das Risiko teilen würden.“ Das sei bei Netflix der Fall gewesen, „bei anderen nicht.“ Zudem unterstütze der Streamingdienst die Produktionsfirmen mit Webinaren und Betreuung – gerade zu den Fragen, die beim „Fair Film Award“ gestellt werden, und habe dafür die Ansprechpartner*innen. Die Ansprechpartner*innen allerdings „haben wir inzwischen bei den Öffentlich-Rechtlichen, mit denen wir arbeiten, genauso.“

Erfolgsrezept? „Nichts ergibt sich von selbst, nichts ist selbstverständlich“, erklärt Sebastian Neitsch den Spagat der Produktionsleitung, die er bei „Biohackers“ hatte. Und egal, wie lange man schon im Beruf stehe – „es gibt immer Situationen, wo man erstmal selber eine Antwort finden muss.“ Als bestes Beispiel (auch für den Weg, die Antworten zu finden) sieht er in der Initiative Wirsind1team, in der „alle Gewerke gemeinsam“ ein Konzept für sichere Corona-Drehs erarbeitet haben. Prozesse, die einen langen Atem erfordern. Er wäre ja, was die Fairness angeht, auch gerne Teil der Lösung, sagt Neitsch, aber ganz so einfach einfach sei das wohl nicht – „sonst würde ich den ,Fair Film Award‘ ja jedes Jahr gewinnen.“

Der Preis, den die einstige Bundesvereinigung der Berufsverbände in der Branche in Leben gerufen hat, wurde auch dieses Jahr wieder von Crew United verliehen, die DAfF war als Partner dabei. Von „temporärer Patenschaft“ sprach die Moderatorin, und auch das Führungs-Duo von Crew-United meinte, diesen Preis zu verleihen, sei „nicht unsere Rolle und auch nicht unsere Aufgabe.“ Man arbeite daran, das an Verbände zurückzugeben. Das sei aber „gar nicht so einfach.“ Aber zu wichtig sei der „Fair Film Award“ eben doch, auch wenn manche manches anders sehen: Es spreche für sich, wenn Produktionen überwiegend gute oder auch schlechte Beratungen erhalten. Und das noch vieles im Argen liegt, zeigte zuletzt wieder die Studie „Vielfalt im Film“, auf die auch Jopt hinwies. 

 

 

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