Der Unnachgiebige – Nachrufe auf Roland Dressel

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Roland Dressel beim Dreh von „Wengler & Söhne – Eine Legende“. | Foto © Defa-Stiftung/Wolfgang Ebert

Roland Dressel war einer der bedeutendsten Filmkameramänner der Defa. Rund 30 Filme hatte er bis zum Ende der DDR gedreht, im wiedervereinigten Land gewann er den „Deutschen Filmpreis“. Am 5. Dezember ist er mit 90 Jahren gestorben.

Geduldig, engagiert und leise – so würdigt der Berufsverband Kinematografie (BVK) „einen der bedeutendsten Filmkameramänner der Defa“: Am 5. Dezember ist Roland Dressel mit 90 Jahren gestorben. „Ein hellwacher Beobachter seiner Umgebung und ein künstlerisch Wagemutiger, der nach der ,Wende‘ – wie so viele Filmschaffende aus der Defa – im westdeutsch geprägten Medienbetrieb des neu-vereinten Landes völlig zu Unrecht keine angemessene öffentliche Wahrnehmung mehr erfuhr. Wir alle müssen uns zurechnen lassen, daß ein bedeutender Teil des deutschen Filmschaffens weitgehend vergessen ist.“ Filmgeschichte machte er trotzdem. Und so ganz kam auch das vereinte Deutschland nicht an Dressel vorbei. Für „Abschied von Agnes“ (Regie: Michael Gwisdek) erhielt er 1994 den „Deutschen Filmpreis“.

Dressel begann nach einer Fotografenausbildung als Standfotograf und Kameraassistent im Defa-Studio für Spielfilme. Es folgte ein Fernstudium an der Deutschen Hochschule für Filmkunst, der Betriebsakademie der Defa. „Zum Filmemachen gehören Unnachgiebigkeit und der Wille zum Besonderen“, soll Roland Dressel einmal gesagt haben. „Und bei jeder Arbeit steht am Anfang die entscheidende Frage: Wie machen wir einen Film, der unverwechselbar ist?“ Das schaffte der Kameramann schon früh mit „Das zweite Leben des Friedrich Wilhelm Georg Platow“ von 1973, weiß die Defa-Stiftung zu erzählen, die Dressel 2017 für sein Lebenswerk ausgezeichnet hatte: „Zusammen mit dem Regisseur Siegfried Kühn gestaltet er eine komplexe Kontrastdramaturgie zwischen Schwarzweiß und Farbe, die zwar nicht zum Stein des Anstoßes zum Fast-Verbot des Films wird, aber die Verleihsperre für das Ausland und den eingeschränkten Verleih in der DDR rechtfertigen soll. Offiziell wird dem Kameramann vorgeworfen, Material zu liefern, das nicht duplizierbar sei, sodass der Film nur in ein paar Kinos starten könne. Dressel ist ,Sündenbock’ für den äußerst zurückhaltenden Einsatz dieser DDR-Gegenwartssatire, der freilich filmpolitisch motiviert ist. Dressel wird von der Kinoproduktion abgezogen und dem Fernsehen der DDR zugeteilt, wo sich Manfred Wekwerth für ihn stark macht und ihn für seine künstlerisch engagierten TV-Produktionen verpflichtet.“

Die Verbannung währte nicht ewig. Sechs Jahre später drehte Dressel wieder für die Defa, rund 30 Filme bis zum Ende der DDR, sieben davon mit dem Regisseur Rainer Simon. Der entdeckte „den perfekten Kameramann für seine Vorstellungen vom Film auf zwei Ebenen, vom visuellen Abgrenzen zweier Schichten durch Farbe und Licht. Die beiden Filmemacher machen den visuellen Doppelcharakter von Wirklichkeit und Imagination in ,Das Luftschiff ‚(1982) oder von Gegenwart und Vergangenheit in ,Jadup und Boel‘ (1980/81) transparent.“ 

Für letzteren gab’s denn auch gleich wieder Ärger: die Adaption eines Romans war der letzte Film, der in der DDR verboten wurde. Dem Kameramann schadete das diesmal nicht: „Die 1980er wurden Dressels große Zeit“, schreibt Lena Schneider in den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“. „Die begann mit Evelyn Schmidts ,Das Fahrrad‘ (1981), ging weiter mit Ulrich Weiß’ ,Olle Henry‘ (1983), mit Michael Gwisdek in der Hauptrolle, und kulminierte in dem einzigen ,Goldenen Bären’ für die Defa auf der Berlinale 1985 für ,Die Frau und der Fremde‘. Der Film von Rainer Simon ist eine stilistisch eindrückliche Mischung aus Kammerspiel und wilder, karger Landschaft – Ort der Kriegsgefangenschaft zweier Soldaten während es Ersten Weltkriegs. Radikal und schonungslos sind die ausgemergelten Körper der Hauptdarsteller abgefilmt, mal in Farbe, mal in Sepia, ausgezehrt von Hunger und von Sehnsucht. Radikal und schonungslos war auch Dressels letzter Defa-Film, gedreht kurz vor der Wende mit Rainer Simon an Originalschauplätzen in Ecuador: ,Die Besteigung des Chimborazo‘ (1988). Jan Josef Liefers spielte hier Alexander von Humboldt. Die brutalen Naturgewalten, die atemberaubend weite Landschaft, das Mitwirken indigener Menschen: All das sah nicht nach DDR aus, sondern wies weit über sie hinaus.“

„Die Regisseure, mit denen er solche Filme drehte, waren nur wenig jünger als er, Vorkriegs- und Kriegskinder auch sie, und gemeinsam brachten sie einen latent pazifistischen Geist in den Defa-Film ein“, schreibt Ralf Schenk in seinem Nachruf im „Filmdienst“. „Gelegentlich hat Roland Dressel über sein künstlerisches Credo gesprochen: ,Der Mensch muss dem Menschen mit Würde und Anstand begegnen.‘ Und: ,Stil haben heißt für mich dienen können, nämlich der Geschichte. Es kommt darauf an, eine gemeinsame Lesart zu finden mit der Regie und dem Szenenbild und für die Besetzung. Das lässt die Bildvorstellungen entstehen. Reibung und Dialog unterstützen die Suche nach nicht austauschbaren optischen Lösungen. Stil im Sinne von ,sofort wiedererkennbar‘ scheint mir eine Fessel zu sein.‘“

Der BVK hatte Dressel schon 2003 mit der Ehrenmitgliedschaft gewürdigt: „In seiner persönlichen Bescheidenheit und mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn und unbestechlicher Persönlichkeit war Roland Dressel ein Vorbild an Integrität. Als Bildgestalter und Chefkameramann schuf er nicht nur eindrucksvolle visuelle Lösungen und bleibende Bilder, sondern verstand es, seine Mitarbeiter zu motivieren und künstlerische Freiräume zu weiten und zu nutzen. Professionalität und große menschliche Solidarität prägten den beruflichen Lebensweg von Roland Dressel. […] Der Berufsverband verdankt es Roland Dressel in besonderem Maße, daß es gelang, einige wenige Kollegen aus der Defa nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten für eine Mitgliedschaft im seinerzeit leider noch sehr ,westlich orientierten‘ BVK zu gewinnen. Roland und einige Andere, die sich zum Beitritt in den BVK entschlossen, brachten gute Sensibilität auch für Themen ein, die den BVK bis dahin weniger bewegt hatten. Die Aspekte des sozialen Zusammenlebens, die berufliche Solidarität und die ökonomischen Probleme wurden im Berufsverband erster genommen und sind seither in den Kern unserer verbandlichen Arbeit gerückt.“

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