Chronistin der Gefühle

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Seit 1970 war Tamara Trampe Dramaturgin bei der Defa. Nach der Wiedervereinigung drehte sie ihre eigenen Filme. | Foto © privat

Über ein halbes Jahrhundert gehörte Tamara Trampe zu den einflussreichsten Filmemacherinnen Deutschlands. Bei rund 90 Projekten hatte sie als Dramaturgin gewirkt, ihre Dokumentarfilme wurden ausgezeichnet. Am vorigen Freitag ist sie mit 78 Jahren gestorben.

„Tamara Trampe war eine Erzählerin, die in Geschichten gelebt hat. Sie hat die Menschen zum Reden gebracht, indem sie von sich sprach,“ schreibt Matthias Dell in seinem Nachruf in der „Zeit“. „Wer wissen will, wie man Dokumentarfilme macht, wenn es Zeit ist, aus der Beobachtung herauszutreten, muss sich ,Der schwarze Kasten‘ von Tamara Trampe aus dem Jahr 1992 anschauen. Der Film ist einer der besten unter denen, die über die DDR-Staatssicherheit gedreht worden sind, denn er will etwas herausfinden: Wie der Einzelne seinen Beitrag zum System leistet.“

Geboren wurde sie 1942 im sowjetischen Woronesch. „Die Mutter war eine russische Krankenschwester an der Front, der Vater deutscher Kommunist und Spanienkämpfer. Und dass dieser Krieg in dieser Familie wichtiger war als Wärme und Liebe, damit hat die kleine, zierliche Tamara Trampe später lange ringen müssen.“ Sie war sieben, als die Familie nach Berlin kam, nach dem Studium arbeitete sie ab 1970 als Dramaturgin für die Defa, „was die Frage nach Trampes Werk, das sich auf gut 90 Filme verteilt, so unübersichtlich macht. Und erklärt, wieso eine derart wichtige Figur wie Trampe kaum bekannt ist. In den Arbeitszusammenhängen des Defa-Studios, das in einzelne Gruppen aufgeteilt war, erschien gerade das Herausstreichen von Autorinnenschaft als etwas Nachrangiges.“

Über fünf Jahrzehnte gehörte Trampe zu den einflussreichsten Filmemacherinnen Deutschlands, erinnert „Der Spiegel“. Nach dem Mauerfall hatte sie begonnen, ihre eigenen Filme zu machen – mit ihrem Lebensgefährten, dem Regisseur und Kameramann Johann Feindt. „Meine Mutter, ein Krieg und ich“ war 2014 ihr letzter vollendeter Film. „Darin zeichnet sie ihre persönliche Familiengeschichte nach und griff auch ihre unwahrscheinliche Geburt mitten im Krieg auf einem sowjetischen Schneefeld auf. Für den Film wurde sie mit dem ,Heiner-Carow-Preis‘ geehrt. […] 2018 erhielt sie den Preis der Defa-Stiftung ,für herausragende Leistungen im deutschen Film‘.“ 

Im Februar 2021 wurde Trampe mit dem Ehrenpreis des Verbands der deutschen Filmkritik ausgezeichnet. Mit ihren vier Dokumentarfilmen habe sie „ein Werk geschaffen, das in seiner moralischen Komplexität, seiner Schonungslosigkeit, aber auch Empathie gegenüber seinen Protagonisten einzigartig ist“, hieß es in der Begründung.

Am 5. November ist sie in Berlin gestorben. Sie wurde 78 Jahre alt.

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