Schnitt-Preis Dokumentarfilm: Yana Höhnerbach

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Wie erzählt man eine Geschichte, wenn man eben keine Geschichte erzählen will? Die Frage stand für Yana Höhnerbach ganz am Anfang der Arbeit an „Searching Eva“. | Foto © Edimotion, MXKaphy

Filmplus heißt jetzt Edimotion – ansonsten bleibt alles wie vertraut: Beim 20. Festival für Filmschnitt und Montagekunst wurden am letzten Oktoberwochenende in Köln die besten Arbeiten des Jahres in drei Kategorien ausgezeichnet. Wir sprachen mit den Preisträger*innen und beginnen die Interview-Reihe mit dem Dokumentarfilm: Die Editorin Yana Höhnerbach montierte „Searching Eva“.

Yana Höhnerbach, Teil der Schnitt-Arbeit im Dokumentarfilm ist üblicherweise auch, Identität zu konstruieren, zu montieren. Bei „Searching Eva“ ist genau das nicht der Fall, oder?

Dadurch, dass wir uns viel darauf konzentriert haben, Identität zu dekonstruieren, hat sich das gedreht. Da es uns viel um Projektion geht und Identität auch viel durch Projektion gebildet wird, haben wir überlegt, welche Formen von Identitätsrollen sprechen wir Eva denn zu? Und haben versucht, die dann in der Montage in Kreisen zu bauen und sie dann auch wieder loslassen zu können. Ich möchte in diesem Zusammenhang kurz erwähnen: „Eva“ ist mittlerweile „Adam“ – hat aber gesagt, wenn es um den Film geht, ist es weiter okay, von Eva zu sprechen. 

Ihr macht sehr klar, dass es keine geschlossene Arbeit ist, dass nicht die Chronologie einer Lebensgeschichte erzählt wird. Dennoch gibt es narrative Einheiten, erzählerische Elemente, die sich aufeinander beziehen, in Interaktion treten. Wie hast Du Deine Narration aus den Variationen destilliert?

Am Anfang lag tatsächlich die Herausforderung genau darin: Wie erzählt man eine Geschichte, wenn man eben keine Geschichte erzählen will? Wir wollten ja nicht Eva als Porträt folgen. Dann sind wir hingegangen und haben Circle gebaut – „Die Arbeit“ oder „Das Kind“ oder „Die Mutter“. Der erste Circle, der entstanden ist, war der rund um die Sexarbeit – der ist auch fast genauso noch im Film. Die erste Aufgabe war zu verstehen, welche Layer es geben soll, die Blogeinträge, die Follower, die Tableauxbilder, das szenische, beobachtende Material. Befreiend war zu erkennen, dass wir gar nicht diese klassische „A-nach-Z“-Geschichte erzählen müssen und so sind dann diese Kreise und die zusätzlichen Stilmittel als Verbindungen entstanden.

Es geht viel um Rollen, eine bewusste Vielstimmigkeit. Die entsprechende Autorenhaltung zeigt sich an verschiedenen ganz konkreten Montagedetails. Starten wir bei den Stimmen im Raum, die auf Eva zukommen, den Followern. Sind die in ihrer Funktion antagonistisch gemeint?

Die Follower waren uns immer sehr wichtig zu erzählen. Denn sie machen genau das, sie versuchen, die Person Eva einzuordnen, werden – genau wie das Publikum – nervös, wenn das nicht gelingt. Ich habe anfangs schwarze Felder gelassen, die wir dann mit entsprechenden Zitaten aus dem Blog, von den Followern, füllen konnten. Pia [Hellenthal, die Regisseurin] konnte den Blog fast auswendig. Wir haben dann immer gemeinsam überprüft, was entweder den Moment weitertreibt oder wodurch sich der Zuschauer z.B. ertappt fühlt. Ein Beispiel ist das „More selfies please“ nachdem sie sich zum ersten Mal nackt gezeigt hat.

Die Nacktheit ist ein wichtiger Aspekt des Films, wie hat das die Montagearbeit geprägt?

Ich fand das sehr befreiend, dass Eva immer nackt rumläuft, es geht ja auch um den Abbau von Scham, die von außen kommt. Aber uns war wichtig, das mit „frischem Blick“ zu sehen, mit Menschen zu sprechen, die nicht an dem Punkt sind wie wir, die Eva im Material ständig nackt rumspringen gesehen haben. Das jetzt letzte Bild des Films hatten wir zum Beispiel ursprünglich schon in Minute 20 verwendet, haben aber dann durch den Blick anderer gemerkt, dass wir sie dadurch ausstellen und haben das dann wieder verändert. Die Dramaturgie war also, sie zunächst hinter dem Duschvorhang zu zeigen, dann den Moment zu setzen, wo sie sich selbst nackt ins Bild hebt, auf den Klositz steigt. Da hatten wir das Gefühl, ab diesem Moment, in dem wir sie sich selbst in den Fokus haben stellen lassen, können wir dann in der Beziehung zum nackten Körper alles frei verwenden.

Ihr taucht auch im Abspann alle als Rollen auf, baut in der Montage Verweise auf den Prozess des Filmemachens ein. Schon am Anfang heißt es „The film starts now“, in den Credits firmiert ihr alle in Euren beruflichen Rollen, dort steht also zum Beispiel „Yana Höhnerbach as editor“. Das bewusste Spiel mit Projektion, auch der des Filmteams, ist also durchgängig Thema – wie sehr war der Gedanke, die eigene Rolle reflektieren zu müssen, bereits Teil des Konzepts, wie stark ist die Bewusstwerdung während der Montage in Gang gekommen?

Wir haben uns schon im Schnitt immer wieder unglaublich ertappt gefühlt. Ich kannte Pia vor dieser Zusammenarbeit noch nicht, und habe dann die Erfahrung, die sie schon bei der Lektüre des Blogs gemacht hatte – dass sie dadurch auf sich selbst zurückgeworfen wird – anhand der Sichtung des filmischen Materials gemacht. Wir haben extrem viel über diesen Aspekt miteinander geredet, uns selbst beim Beobachten beobachtet. Da kam tatsächlich erst irgendwann der Moment, als uns aufgegangen ist „wir sind ja Frauen“, vielleicht ist auch das ein wichtiger Punkt in diesem Projekt. Wie es funktionieren kann, diesen Effekt der eigenen Wahrnehmungsreflexion dann durch den Film beim Publikum zu erzielen, war lange nicht klar. Jetzt scheint das so einfach, fragt man sich „warum hat das so lange gedauert“ – aber das war wirklich eine enorme Reise.

Ist „Searching Eva“ eine feministische Montagearbeit?

Ja, unbedingt. Auch wenn ich zuerst ganz klar zu Pia gesagt habe „aber ich hab jetzt keine Lust, so einen ‚feministischen Film‘ zu machen“. Ich hatte das Gefühl, dass es da auch schon wieder eine Meinung gibt, wie genau denn nun feministischer Film sein muss. Und wir haben eben versucht, vor allem ehrlich mit uns selbst zu sein, einen eigenen Weg zu finden. Die Schwierigkeit war: Identitätsauflösung ist spannend, wenn ich alles bin, bin ich nichts, bin ich frei, kann keiner mich festhalten. Aber dann gibt es noch die weibliche, die feministische Perspektive. Wie passt das zusammen? Da haben wir viel ausprobiert.

Für welches Zielpublikum habt Ihr diesen Film gemacht, mit Blick auf welche Zuschauer und Zuschauerinnen hast Du montiert? Richtet Ihr Euch an diejenigen, die bereits sehr viel über Genderrollen reflektiert haben, die entsprechenden feministischen Diskurse kennen, oder soll man durch den Film auch neu mit dem Thema in Berührung kommen können, ohne Vorwissen?

Unser Ansatz war ein sehr persönlicher: Dadurch dass wir immer wieder überprüft haben „welche Rollen habe ich“, „welche verdeckten Moralvorstellungen habe ich“, „wo verhalte ich mich wie und aus welchen Gründen“, dadurch ist auch das Publikum mit entsprechenden Fragestellungen konfrontiert.

Wie waren die Umstände des Schnittprozesses, habt Ihr Euch noch Meinungen von außen geholt, wie stark hat die Produktion mitgeredet?

Wir haben ungefähr fünf bis sechs Monate geschnitten und bis zuletzt hat sich unfassbar viel verändert, war fast jedes Bild schon mal an jeder Stelle. Die Herausforderung war auch: Welche Themen verknüpfen wir, was sagt das über unsere Haltung aus? Es war uns zum Beispiel wichtig, während des Erzählens über Arbeit auch Aspekte von Krankheit mit reinzubringen, also Pathologie und Kapitalismus zu verbinden. Wir haben schon oft Kritiken aus Testscreenings berücksichtigt, allerdings nicht unbedingt durch umsetzten der Änderungsvorschläge, sondern durch das Einbauen genau dieser Stimme als „Meinung“ im Film, etwa als Followerfrage. Man muss aber generell sagen, dass wir extrem viele Freiheiten hatten. Alle haben dran geglaubt, aber keiner hat so richtig verstanden, was wir da tun, und alle haben einfach gehofft, dass wir es gut hinkriegen. 

 

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