Gedanken in der Pandemie 90: Die wenig grüne Seite der grünen Zukunft

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Wenigstens Weihnachten scheint gerettet. Zwischen den Jahren soll es eine kurze Lockerung im Lockdown geben. | Screenshot

Künstliche Dreckseen, Schwermetalle, Legionen Krebskranker: Auch jenseits Corona ist die Welt nicht in Ordnung: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 90.

„People like to say, ’What do you mean exactly?’ I would answer, ’I mean, but not exactly.’“
Jean-Luc Godard, 1996

„Um etwas Sauberes herzustellen, muss man immer irgendetwas verschmutzen.“
Pierre Bihouix, Institut Momentum

 

Skepsis und kritische Prüfung sind wichtige Elemente von Machtkontrolle. Seit den 50er Jahren sind deutsche Bürger dazu erzogen worden; bereits in Schule. Und man darf hoffen, dass sich dies in der Corona-Krise nicht dadurch ändert, das auch diese Mittel – wie alle anderen – von Vollidioten missbraucht werden.

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Der fehlende Weitblick klingt natürlich gleich besser, wenn man ihn als „Fahren auf Sicht“ bezeichnet. 

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Wow! Ein neuer Super-Spreader-Hotspot wurde entdeckt. Es handelt sich offenbar um überhaupt einen der größten Pandemie-Treiber der letzten sechs Monate, so prominent ist sein Platz im neuen, wortgewaltigen, aber inhaltlich ratlosen Lockdown-Papier der deutschen Ministerpräsidenten: Der Weg vom Parkplatz zum Supermarkt!!! In Zukunft wird man auch auf dem Parkplatz eine Maske tragen müssen. Das wird die Pandemie jetzt endlich bestimmt eindämmen. 

Über solche Maßnahmen würde man ja normalen Umständen sagen: Das stärkt die Politikverdrossenheit. Jetzt sagt man: Das stärkt die Querdenker. Wie überhaupt das ganze Verhalten der Regierenden im Zusammenhang mit dem Dezember-Lockdown. 

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„Wir brauchen dringend eine Hotspot-Strategie“ sagt Markus Söder. Klingt super. Wann fängt er denn damit an? Schließlich ist Bayern unter den Bundesländern der Hotspot Nummer 1. 

Offenkundig bringt er Lockdown als solcher erstmal kaum etwas. Die Ansteckungsquellen sind woanders. Im Interview mit Marietta Slomka, die ihn genau das fragt, hat Söder auch keine Erklärung für die schlechten Zahlen in Bayern. Er mogelt sich raus. Und sie lässt ihn gehen.

Gerade hat ein neuer Begriff Konjunktur. Das schöne Wort „nachschärfen“. Man müsse den November-Lockdown „nachschärfen“ hört und liest man.

Markus Söder und Winfried Kretschmann sind die Nachscharfmacher unter den Politikern, um sie mal so zu nennen. Das ist verständlich, denn in ihren Bundesländern läuft es schlecht. Aber warum muss die ganze Republik, selbst ländliche Gebiete in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, jetzt für die Fehler der Bayern und der Baden-Württemberger bezahlen?

Bemüht wird in diesem Corona-Jahr gern der Gedanke der Solidarität. Aber für Söder oder Kretschmann ist Solidarität immer nur eine Einbahnstraße. Das heißt: Sie fordern von den anderen Solidarität, sind aber dann die ersten, die dem Heute Journal oder in den Tagesthemen ein Interview geben, wo sie sinngemäß sagen, das ist ihnen noch nicht genug, das reicht noch nicht. Diese unsolidarische Strategie ist nicht nur sehr leicht durchschaubar, sie tarnt sich noch nicht mal. Gern würde man mal hören, was die lieben Ministerpräsidentinnen-Kolleginnen den beiden Alpha-Männern aus dem Süden im stillen Kämmerlein zu sagen.

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Es ist ein Desaster. Aber nein, bitte weiter lesen – ich meine natürlich nicht die Pandemie-Eindämmungs-Maßnahmen, die sind doch super, oder? Sondern den Zustand unserer Umwelt.

Dafür muss man nicht daran erinnern, dass letzte Woche von unserer famosen Regierung, die die armen Corona-Geschädigten nicht links liegen lassen will, Kaufprämien sogar für Diesel LKW beschlossen wurden, während die umweltfreundliche Bahn-Lasttransportfirmen 0 Cent bekommen. 

Genauso wichtig sind die Halbwahrheiten, die über Elektroautos verbreitet und mit Kaufprämien auch für diese subventioniert werden. 

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Okay, jetzt fliegen die Chinesen also auch auf den Mond. Mal schauen, was sie zurückbringen, außer Mondgestein fürs Taikonautenmuseum und einem Teflon-Wok. 

Vielleicht in paar Umweltdesaster- Eindämmungs-Maßnahmen? Die wären dringend nötig 

Das belegt so einleuchtend wie differenziert der Arte-Dokumentarfilm „Umweltsünder E-Auto“, der in knapp 90 Minuten den besonders in Deutschland gern gepflegten Mythos vom sauberen, oder wenigstens besseren Elektromobil zerstört. 

In tollen Bildern zeigen die Macher die wenig grüne Seite unserer grünen Zukunft. „Grüne“ Technologien sind nämlich keineswegs umweltfreundlich. Zur Gewinnung braucht man seltene Bodenschätze die werden in den Ländern der Dritten Welt erzeugt. Künstliche Dreckseen, die von Schwermetallen bersten, und Legionen krebskranker Unterschichten sind der Preis für unsere Windräder, unsere Solarzellen und unsere sauberen Autos. Denn, wie ein Forscher in dem Film sagt: „Um etwas Sauberes herzustellen, muss man immer irgendetwas verschmutzen.“ Das sollten sich die Puritaner aller Länder hinter ihre sauberen Ohren schreiben.

Ein einziges Windrad besteht zum Beispiel durchschnittlich aus 20 Tonnen Aluminium und bis zu 500 Tonnen Stahl. Ein Elektroauto kann bis zu 80 Kilo Kupfer enthalten – viermal mehr, als in einem Verbrennungsfahrzeug. 

Mit dem Kupfer ist es so eine Sache. Die Nachfrage ist neuerdings gigantisch. Wir werden in den nächsten 30 Jahren so viel Kupfer produzieren, wie wir seit Anbeginn der Menschheit, also seit dem Kupferzeitalter, als wir gerade die Höhlen verlassen hatten, produziert haben.

Eine wichtige Nebenthese des Films: Weil die Nachfrage nach Kupfer und erst recht nach diversen seltenen Metallen durch die neuen Ökotechniken extrem zunimmt, ist das nächste große Ding der Geopolitik der Rohstoff-Nationalismus.

Klar ist nach diesem Film: Das Elektroauto wird den Planeten nicht retten. Das einzige, was den Planeten in der Hinsicht vielleicht retten wird, das ist der Verzicht aufs Auto. Man tut der Erde nichts Gutes, und der Menschheit sogar etwas Schlechtes, wenn man Elektroautos kauft.

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In der Mediathek liegt noch der letzte „Tatort“ mit Ulrich Tukur als Komissar Murot. Schon zum zweiten Mal hatte Tukur in seinem neuen Fall gleich zwei Rollen. Zum einen die des LKA-Ermittlers, der als Einzelgänger wieder mal bloß seiner Kollegin Magda Wächter vertraut. Zum anderen die eines Gebrauchtwagenhändlers, den er im Urlaub kennenlernt und der ihn zum Verwechseln ähnlich sieht. Der wird eines Morgens in Murots Klamotten tot aufgefunden, ermordet und damit beginnt ein schräger Film. Murot beschließt in die Rolle des Autohändlers zu schlüpfen und undercover zu ermitteln. So taucht er ein in das spießbürgerliche Leben einer Mittelstands-Wohngegend im Vordertaunus, die sehr altbundesrepublikanisch daherkommt, mit Kurhotels, nachbarschaftlichen Grillpartys und Tennis-spielen.

Aber wie ist das eigentlich, wenn er so eine Doppelrolle spielt: Bekommt Tukur dann auch doppeltes Honorar? 

Nach dem „Tatort“ hatte ich Anne Will vergeigt. Stattdessen kam ein unterirdischer Degeto-Ramschkrimi aus Neuseeland. in einmaliger Ausfall. Ihren Sendeplatz hat  Anne Will noch nicht verloren. 

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Heute fielen die neuen Beschlüsse zum endlosen Lockdown. Darin im Wortsinn tolle Nachrichten: „Von Weihnachten bis Neujahr“ sollen die Vorschriften gelockert werden. Die eigentliche Nachricht hierbei ist die, dass der Lockdown auch im Januar weitergeht. Aus dem Lockdown 2 wird Lockdown 3. 

„Maximal fünf Personen aus zwei Haushalten“ – das ist so eine typische Bürokratie-Formulierung, die viele Leute nicht verstehen. Sie ist auch bewusst im Unklaren gehalten, denn natürlich kann man jeden Tag vier weitere Menschen aus zwei weiteren Haushalten sehen – also 28 in der Woche, 112 im Monat. 

Nicht nur Weihnachten wird uns vermasselt, man verbietet auch das Feuerwerk verbieten und den Skiurlaub. Begründet wird das mit Fake-News: Man wolle „nicht noch mehr Verletzte in den Krankenhäusern“ argumentiert vor alle die SPD, die auch das Feuerwerks Thema moralisiert. 

Das ist Unsinn: Mediziner erkläre im Dutzend, dass die vielen Patienten in der Sylvesternacht nicht von irgendwelchen abgerissenen Fingern, geschredderten Augen und raketenverursachten Wohnungsbränden kommen, sondern von Alkoholvergiftungen und Schlägereien. 

Außerdem dienen die Feuerwerkskörper zum Vertreiben der bösen Geister. Das würde gerade er SPD gut tun. 

Auch der Zutritt zu Geschäften soll begrenzt werden. Die Gewerkschaft Verdi klagte schon gestern erfolgreich gegen die normalerweise verkaufsoffenen Sonntage in den Weihnachtswochen. Werktagsgedrängel und Schlangen vor Geschäften werden so erst erzeugt. Da stehen dann die Leute und holen sich vielleicht nicht Corona, wenn es gut geht, aber dafür eine Lungenentzündung oder eine Grippe. 

Außerdem wird schon wieder vor Hamsterkäufen gewarnt. Es ist klar, wenn es lange Schlangen gibt vor dem Supermarkt wie zumindest in Berlin, wo es ja noch recht viele Supermärkte gibt. Dann kaufen die Leute viel mehr rein, und dann fehlt wieder das Klopapier oder dass Terpentin zum desinfizieren oder halt die Dosenravioli.

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Bitte um genaue Formulierungen: Das Dienstleistungsgewerbe ist nicht, wie es gern heißt, „von der Pandemie betroffen“. Es ist von den Maßnahmen der Regierung betroffen. Maßnahmen gegen die es sehr viele Argumente gibt, und die keineswegs alternativlos sind.

Es ist wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen: Andere Länder machen es anders. Manche sind strenger manche sind weniger streng. Keiner der möglichen Wege, auch nicht der Deutsche hat sich bisher als eindeutig der beste entpuppt.

Die Politik muss zur Kenntnis nehmen, wie viel Aufwand in den Kulturbereichen betrieben wurde. Aber die Kultur spricht nicht mit einer Stimme, und die Kultur, also wir alle einzelnen Angehörigen der Kulturbereiche kämpfen bisher nicht für uns selber. Bestimmt weil wir uns zu fein dafür sind. Wahrscheinlich auch, weil wir insgeheim uns selber auch nicht ernst nehmen, weil wir insgeheim sowohl der zynischen Aussage zustimmen, Kultur sei nicht systemrelevant, als auch der ganzen Härte und Übertriebenheit der Pandemie- Eingrenzungsmaßnahmen. Diese sind sachlich nicht gerechtfertigt – egal was darüber gesagt wird. Zudem sind sie überaus fragwürdig und schlecht begründet.

Aber wenn einem das alles so stört, dann muss man eben auch etwas tun, dann muss man sich um Alternativen bemühen. Dann muss man eine Gewerkschaft gründen. Dann sollte man vor allem die Parteien nicht wählen, die diese Politik machen. Und von wegen Alternative: Es gibt viele Alternativen zur AfD – als Plädoyer für diese sogenannte Alternative, sollte man diese Anmerkungen also keineswegs verstehen. Dies nur für alle, die missverstehen wollen. 

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Keine dieser ganzen neuen Regelungen nutzt irgendetwas in der Sache, wenn die Leute sich nicht dran halten. Oder wenn sie sich nicht dran halten können.

Marietta Slomka behauptet „alle bis auf ganz wenige“ seien einverstanden mit den Corona Maßnahmen. So einfach ist es nicht. Es ist keine kleine Minderheit, die anderer Meinung ist. Sondern ein diverses Bild von Meinungen, die oft bereits im eigenen Kopf widerstreiten. Schon klar, dass man es gern eindeutig hätte. 

Dazu kommt, dass es sich nach Umfragen bei den Maßnahmen-Gegnern um 15 bis 20 Prozent handelt. Das wäre immerhin ein Sechstel oder ein Fünftel, also keine kleine Minderheit. 

Und Menschen sind sehr verschiedener Ansicht. In dem Sinn, dass einige gerne die Maßnahmen verschärfen würden, andere sind zwar für Anti-Corona Maßnahmen, aber für ganz  andere. Wieder andere Leute sind zwar grundsätzlich dafür, lehnen aber bestimmte Maßnahmen ab, oder sie streiten sich über einzelne Themen wie etwa das Schulthema.

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Warum muss ich mir den Provokationsfilm von dieser schlecht gekleideten Rechtsradikalen Rebecca Sommer, auf denen sie am 18.11. Politiker im Bundestag anpöbelt, immer wieder im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen ansehen? Warum wird diese die schlechte AfD-Inszenierung von unseren Medien verdoppelt, verdreifacht, verzehnfacht und immer wieder wiederholt zuletzt am Dienstag-Abend bei „Markus Lanz“? Wie kann man so dumm sein, und diesen Verächtern unserer Gesellschaft noch ein Forum geben?

Wenn Islamisten Menschen umbringen, zeigt man die Bilder der Taten nicht. Ich glaube, dass derartige Rechtsextremismus-Clips unser Leben mehr vergiften, als Bilder von realen Mordtaten. 

Sommer und Konsorten seien „eine Bedrohung für den allgemeinen Diskurs“ behauptet der zur Zeit auf „Querdenker“ spezialisierte Journalist Olaf Sundermeyer dazu bei Lanz, „das Klima wird vergiftet  […] sie erreichen eine größere Reichweite als Nachrichtensendungen“ – mag alles sein, aber das tun sie doch nur, weil es zehnmal im ZDF wiederholt wird, und weil auch noch Sundermeyer ein Geschäftsmodell daraus macht. 

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Nächste Woche, am 3 Dezember wird Jean-Luc Godard 90 Jahre alt. Der Lockdown ist eine ganz gute Gelegenheit, sich Filme von ihm (wieder?) anzusehen, oder ein paar seiner unverwechselbaren Interviews nachzulesen. 

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Meine Liste des Tages: Wovor wir Deutschen uns gerade fürchten“: Die Impfung kommt nicht. Die Impfung kommt. Advent ohne Punsch. Nikolaus ohne Kinder. Christkind mit Maske. Merkel-Reden. Spahn-Pressekonferenzen. Lauterbach-Interviews. Triage an der Klopapierausgabe. Querdenker. Geradeaus Denker. 

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Kleiner Musiktipp zum Abschluss: Miss Allie, eine deutsche Sängerin, die man scheint mir kennen sollte für ihre Stimme wie für ihren Humor, singt „Halleluja“ von Leonard Cohen. Das Original ist natürlich trotzdem immer noch besser. 

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