Gedanken in der Pandemie 70: Virus, wo ist dein Stachel!

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Die Frage beschäftigt nicht nur College-Klamotten: Gibt es ein Recht auf Party? Klar gibt’s das. Aber wann darf es eingeschränkt werden? | Foto © Universal

Partys, Konsens, und böse Menschen: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 70.

„Die Gedanken sind frei,/ wer kann sie erraten,
sie fliehen vorbei,/ wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,/ kein Jäger erschießen.
Es bleibet dabei: / Die Gedanken sind frei.“
Volkslied

„Ich spreche aus der Sicht desjenigen, der Stadt und Land liebt, aber nicht die Vorstädte. Denn sie führen zum Verlust von Vielfalt, Komplexität – Lebensqualität. Also wird dieser Vortrag geprägt von Werten, weniger von Fakten. Doch ich beziehe mich auf Fakten, wo ich kann, und urteile, wo ich es für nötig halte.“
David Riesman, US-Soziologe

„Ich plädiere dafür, den Kampf gegen die Leichtgläubigkeit wieder aufzunehmen und an die Freiheit und Würde der menschlichen Erfahrung zu glauben, nämlich daran, dass der Mensch fähig ist, von sich selbst zu lernen.“
Marina Garces, Philosophin, in: „Neue radikale Aufklärung“

 

„Gibt es ein Recht auf Party?“ Falsche Frage, liebe „Süddeutsche Zeitung“ – setzen, Sechs in Bürgerrechte! Die richtige Frage lautet: Wann darf man das Recht auf Party einschränken? 

Der Münchner Gärtnerplatz ist nur ein Beispiel, ich könnte ebenso den Weinbergspark in Berlin-Mitte oder die Hamburger Schanze nennen – weil diverse Party-Locations geschlossen sind, weil Lokale viel früher als bisher dicht machen, weil Wirte und Gäste von den Behörden schikaniert werden, bildet sich im Corona-Sommer eine ganz neue illegale und halblegale Kultur der Spontan-Partys und des unorganisierten Nachtlebens aus. Vor allem aber nicht nur bei Jugendlichen 

Diese Plätze sind nach 23 Uhr unglaublich voll und laut, denn irgendwohin muss man ja die jungen Leute ja hin kriegen. Irgendwo muss der Druck aus dem Kessel. Die Gesellschaft ist der Kessel, in dem Druck ist. 

Jetzt sehen wir plötzlich, wozu Partys, Clubs, Bars und Lokale überhaupt da sind. Um den Menschen, die zu Hause nicht sein wollen, ein Ort zu geben. 

Manche Medien aber sympathisieren unverhohlen mit den Anwohnern, die sich beschweren. Aber warum eigentlich? So wie es das Recht auf Nachtruhe gibt, gibt es das Recht auf Party. Hier prallen zwei Bürgerrechte aufeinander und die Polizei muss, genau wie die Gerichte vermitteln, sie muss nicht das eine gegen das andere durchsetzen. Der Gärtnerplatz ist dafür ein ganz gutes Beispiel: Woher nehmen eigentlich Menschen den Glauben, dass sie ein Recht auf Nachtruhe ab 22 Uhr hätten – wenn sie mitten in einen der seit Jahrzehnten belebtesten Orte Münchens ziehen? Wieso haben ihre Kinder das Recht, am offenen Fenster zum Platz hin zu schlummern, deren ältere Geschwister oder Cousins und Cousinen aber nicht das Recht, ihre legitimen Feier, Knutsch und Saufbedürfnisse auszuleben? 

Es ist schon die Rede von einer „Generation Corona“. Das sind die Jugendlichen und Kinder, die Schlüsselmomente ihres Erwachsenwerdens unter Pandemie-Bedingungen erleben und erleben werden. 

Wir alle haben ein Interesse daran, dass sie keine ängstliche Generation werden.

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Der US-Soziologe David Riesman beschrieb in seinem Hauptwerk „Die einsame Masse“ („The Lonely Crowd“), wie sich die menschlichen Gesellschaften von einer, die durch das Gefühl der Ehre bestimmt wird, in eine Gesellschaft wandelt, die durch Scham bestimmt wird. Diese Scham-Gesellschaft (der frühen Moderne) wiederum werde im 20.Jahrhundert zunehmend durch eine Angstgesellschaft abgelöst. 

Könnte es sein, dass genau dies das Stadium ist, in dem wir uns gerade befinden?

Man kann dafür jedenfalls viele Beispiele nennen: Unseren Umgang mit Corona natürlich, und der mit dem Tod überhaupt. Aber auch unsere Debatten über Meinungsfreiheit, über das, „was man noch sagen darf“, wie man es sagen darf, welche Worte man wählen muss, um nicht anzuecken. Es muss dafür gar nicht zutreffen, dass es tatsächlich irgendwelche gesellschaftlichen und sozialen Denkverbote und zunehmend verengte Meinungskorridore gibt, wie einige gerne behaupten. Es genügt, wenn genug Menschen diesen Eindruck haben oder bekommen, damit die Diagnose zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird. 

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Darum muss es unser Interesse sein, einer Sprach-, Denk- und Meinungspolizei, wo immer sie auftaucht, und auch nur ihrem Eindruck entgegenzutreten, und den Bereich des „Sagbaren“ also gesellschaftlich Zulässigen, möglichst breit zu halten. Es gibt Tabus und soll sie geben. Es gibt auch berechtigte gesellschaftlich vermittelte Schuldgefühle. Aber wir sollten uns nicht von Tabus umzingeln und einmauern lassen. 

Solche Einsichten sind nur da interessant, wo sie zu unangenehmen Konsequenzen führen, wo man also die eigenen Überzeugungen infragestellen muss und in der eigenen Filterblase aneckt. 

Gerade in den Diskussionen der letzten Wochen, in denen im Zuge des Todes von Georges Floyd auch hierzulande über Rassismus diskutiert wurde, hat man oft „das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.“ 

Ein Beispiel: Es gibt Rassismus in Deutschland, und es gibt erschreckende Taten. Aber ist dieser deutsche Rassismus mit dem in den USA gleichzusetzen? Ich glaube, ganz und gar nicht. Glücklicherweise. 

Es gab deutschen Kolonialismus. Aber er ist mit dem Kolonialismus manch anderer Mächte in keiner Weise vergleichbar. 

Der beliebte Begriff des „strukturellen Rassismus“, den auch ich erst im letzten Blog verwendet habe, meint etwas Präzises. Im öffentlichen Sprachgebrauch läuft er aber zuletzt leicht in Gefahr, schwammig und inflationär angewandt zu werden und einen anderen Sinn zu bekommen: Wo konkreter Rassismus nicht nachweisbar ist, sprechen manche dann gern schnell vom „strukturellen Rassismus“ – und die Tatsache, dass er nicht erkennbar ist, beweist ihn gerade: „Ja, der ist eben strukturell.“ 

Auch ist „racial profiling“ mehr Indiz, als das eigentliche Problem, zu dem es in manchen Debatten stilisiert wird. Dieses Problem ist die prekäre Lage vieler Menschen, Deutscher wie Nicht-Deutscher „mit Migrationshintergrund“ und nicht-weißer Hautfarbe. Diese zwingt sie in überdurchschnittlichem Maß in kriminelle Halbwelten, und dies wiederum motiviert „racial profiling“ das bei einer entsprechend vorgeprägten Polizei mit gewohnter deutschen Gründlichkeit praktiziert wird.

Dies nur als schnell hingeschriebene Hinweise darauf, dass das wichtige Anliegen, eine Gesellschaft ohne Rassismus zu haben, nicht nur durch Rassisten beschädigt wird, sondern auch durch eine bestimmte Form des Anti-Rassismus. 

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Auch in der Europäischen Union mobilisiert Corona nur das Schlimmste, Unsympathischste. Und auch die EU könnte, wie so vieles, an Corona zerbrechen. Ausgerechnet die Niederlande, einer der Gründungsstaaten der EU, wird in diesen Tagen zu ihrem Totengräber. Der EU-Sondergipfels in Brüssel leitete katastrophale Tage für Europa ein, für Idee und Realität des vereinten Europa. Er brachte einen bedeutenden Sieg der nationalen Egoismen über die Gemeinsamkeiten, und war, so scheint mir, der Beginn des letzten Kapitels der Europäischen Union in ihrer jetzigen Form. 

Denn diese EU ist nicht zu retten. Die EU-Erweiterung, wir wissen es alle, doch kaum ein Politiker und politischer Kommentator, traut es sich das so zu sagen, war ein Kardinalfehler, der Anfang von jenem Ende, das wir jetzt erleben. 

Dieses Europa ist nicht reformierbar. Wir brauchen ein neues. Die einzige Chance für die Idee des vereinten Europa, kann nur ein politischer Verbund sein, ein „Kerneuropa“, wie es die CDU-Politiker Wolfgang Schäuble und Karl Lamers bereits 1994 in einer berühmt gewordenen Denkschrift charakterisieren. Der europäische Einigungsprozess sei „an einem kritischen Punkt angelangt“ hieß es schon damals, es gelte nun, dass ein Kern Europas voranschreitet, und man nicht jedem Mitgliedsland der EU gleichzeitig alle Integrationsschritte aufzwingen müsse. Stattdessen solle man ein Europa der mehreren Geschwindigkeiten anbieten. Schäuble und Lamers, zwei klassisch bundesrepublikanische, von der Adenauer-Union geprägte Politiker, dachten damals sogar an die Idee einer „deutsch-französischen Union“. Wenn ein starker Kern entstehe, dann werde das auch die Attraktivität für andere Staaten steigern. 

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Was wir hingegen heute erleben, ist der Rückfall Europas in eine klassische Entente-Struktur, wie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Mittelgroße Mächte gruppierten sich mit kleinen zum Dreibund, Viererbund, Fünferbund. Die Chauvinisten am rechten Rand, die nur Geld nehmen, aber Europa nichts geben wollen, und wie früher auf dem Wiener Balkanmarkt an den Gesetzen vorbei ihre Geschäfte miteinander machen, formieren sich zur mafiosen Visegrad-Gruppe, Österreich und die Niederlande, zwei frustrierte ehemalige europäische Großmächte, haben die Chuzpe, sich selbst zu „sparsamen Staaten“ zu ernennen, was leider unwidersprochen bleibt. 

Die „SZ“ kommentiert das heute so: „Die EU war schon immer eine schwer zu steuernde Ansammlung nationaler Interessensverwalter. Nun aber haben sich zwei Blöcke verfestigt, die mit Prinzipien der Union offen erpresserisch umgehen: die Gruppe der Rechtsstaatsignoranten und die Gruppe der national-populistischen Erziehungsbeauftragten. In Kombination haben diese Staaten der Union in den vergangenen Tagen schweren Schaden zugefügt.“

An den Rändern der Gesellschaften heulen die Wölfe des Nationalismus; in ihren Zentren herrschen die Beschwichtiger, getrieben von den zukünftigen Kollaborateuren im Hintergrund, und erklären wider besseres Wissen, wie 1938 in München, es sei es alles gar nicht so schlimm, das Vereinte Europa sei so wichtig, „peace for our time“. 

Diese Zeit läuft ab. 

In diesen Stunden dringen die türkische Marine in griechische Gewässer ein. Keine Zeitung berichtet davon – bis übermorgen sind die Narzissten des embeddeten Hauptstadtjournalismus zu beschäftigt mit ihrer Nabelschau. Ist aber so. Die Türken haben ihre Kriegs- und Forschungs-Schiffe in das Gebiet südlich von Kreta geschickt, um dort Probebohrungen nach Erdgas durchzuführen. Die Gewässer werden von Griechenland wie der Türkei beansprucht – eine Eskalation zwischen den beiden NATO-“Partnern“ ist wahrscheinlich. In dem Konflikt geht es aber auch um die Waffenlieferungen nach Libyen. 

Frankreich und Griechenland werden es auf eine militärische Eskalation ankommen lassen, Deutschland wird das wie immer verhindern – keine gute Nachricht, denn so werden wieder einmal wichtige Entscheidungen, die auch zur inneren Stabilisierung der EU beitragen könnten, vertagt.

Stattdessen stößt Ungarn mit seiner Haltung, zwar Geld zu wollen, im Übrigen aber auf europäische Werte komplett zu pfeifen, auf keine Gegenwehr. Stattdessen verweigern die Niederlande und Österreich jede Solidarität, mit Spanien und Italien – ausgerechnet zwei Ländern, mit denen ihre Geschichte besonders eng verbunden ist. Man wünschte diesen beiden Ländern zweite und dritte Wellen, würde es nicht statt der Regierungen, die Demutslektionen verdient haben, die Bevölkerung treffen. 

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Das Corona-Hilfsgeld wird bei den eigentlich zukunftsweisenden Gemeinschaftsaufgaben eingespart: Einschnitte bei Forschung, Wissenschaft, beim Klimaschutz, bei Umweltetats. Die Wiener Zeitung „Die Presse“ kommentiert das präziser, als die allzuregierungsnahen deutschen „Qualitätsmedien“: „Die Verhandlungen haben gezeigt, dass sich die EU nicht mehr als Klub der Gleichgesinnten versteht, sondern zur Stammesgemeinschaft der Schnäppchenjäger degeneriert ist. Der nächtlichen Rabattschlacht sind vor allem jene Zukunftsprojekte zum Opfer gefallen, von denen man in Sonntagsreden besonders viel gehalten hat: der Kampf gegen den Klimawandel und Investitionen in Forschung und Entwicklung.“

Der Kontinent hat seine eigenen Interessen und Prioritäten nicht im Griff. 

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Dann noch obendrauf die Nachricht, dass die Europäische Union für die Handhabung ihrer Flüchtlingspolitik ausgerechnet der Firma McKinsey einen hochdotierten Berater-Vertrag gegeben hat. „Der Spiegel“ zitiert zitiert aus Unterlagen aus dem Jahr 2017. Dort riet McKinsey den Behörden unter anderem dazu, mehr Menschen in Abschiebehaft zu nehmen. Flüchtlinge sollten zudem möglichst davon abgehalten werden, Rechtsmittel einzulegen. Migranten, die sich weigerten, auf das griechische Festland gebracht zu werden, sollten nach den Vorstellungen der Berater sanktioniert werden. 

Es gibt nicht nur „die Guten“ (Markus Söder), es gibt auch die Bösen. 

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Zum Beispiel Karl-Theodor zu Guttenberg. Was der Freiherr zu Guttenberg auch anfasst: Es hat immer mit politischem und moralischem Fehlverhalten und oft genug mit Korruption oder schlimmeren Taten wie Fälschung und Betrug zu tun. Selten hat es einen so offensichtlichen Blender gegeben, selten einen Mann, der seiner Aufgabe moralisch so wenig gewachsen war, wie „KT“. Jetzt also Wirecard. Das Unternehmen Guttenbergs habe mit Wirecard zwischen 2016 und 2020 zusammengearbeitet, berichtete die „Bild“-Zeitung. 

Bei der Kanzlerin hat er sich für das DAX-Betrügerunternehmen eingesetzt. Natürlich hat Guttenberg von nichts gewusst und nichts geahnt und nur in gutem Glauben gehandelt. 

Schon bei der Affäre um Guttenbergs gefälschte Doktorarbeit waren die Beobachter gespalten, ob der Mann nun besonders dumm ist oder besonders schlau. Besonders dreist ist er in jedem Fall.

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Corona wird mit der Zeit auch eine Art Selbsttest. Ich kenne nicht wenige, die sich in diesen Tagen die Frage stellen: Wer und was bin ich eigentlich? 

Bin ich doch kein Kulturmensch, sondern klammheimlich ganz glücklich, dass noch die Pandemie zuhause festzwingt, und mir damit den Vorwand gibt, mich einfach zur Couch-Larve zurückzuentwickeln, zum Streaming-Lurch? Bin ich ein Verschwörungstheoretiker, weil mir Corona keine Angst macht, und ich die Maßnahmen der Regierung für übertrieben halte?

Bin ich ein Querulant, weil ich immer das infrage stelle, was „alle“ tun? die regeln? Weil ich gern meckere? Bin ich Anarchist oder Waldgänger, weil ich mich einfach nicht in den öffentlich verkündeten „Allgemeinen Willen“ fügen mag? Oder haben die Virologen nicht am Ende doch recht? Bin ich dann gar ein „Sklave der Schablone“ wie einige Rechtsextremisten die nennen, die noch immer aus ihrer Sicht „Merkel-Gläubige“ sind? 

Bin ich ohne es zu wissen, FDP-Anhänger, weil ich plötzlich genauso rede wie Christian Lindner?

Oder ein Feind der Menschen, weil ich Boris Palmer verteidige?

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Rolf Karpenstein, EU-Jurist, enthüllt im Deutschlandfunk „Pandemie-Skepsis“ und sein „Misstrauen gegen die Coronapolitik“. 

Seit 25 Jahren führt Karpenstein als Rechtsanwalt Prozesse gegen Staat und Behörden, und die ebeb nicht immer nur wohlwollende „öffentliche Hand“. „Immer kämpfe ich gegen Beschränkungen der Freiheitsrechte.“ schreibt er, „Sobald Behörden den Gesundheitsschutz ins Feld führen, reagiere ich empfindlich. Verfolgt die Exekutive wirklich die von ihr genannten Ziele? Meist sind meine Zweifel berechtigt.“

So werde zum Beispiel das Glücksspielmonopol der Bundesländer mit dem Gesundheitsschutz begründet, obwohl das wahre Ziel (gerichtlich bestätigt) vor allem die illegitime Bereicherung der Behörden ist. 

Karpenstein schreibt einiges, das mir neu war: Die Definition, wann eine Pandemie überhaupt vorliegt, ist nämlich 2009 von der WHO erheblich abgeschwächt worden. Warum? Um, so der Jurist, die relativ ungefährliche Schweinegrippe im gleichen Jahr zur Pandemie zu erklären, obwohl die erforderliche ,länderübergreifende Großschadenslage’ nie bestand. Es ging vielmehr um eine Einladung an die Pharmaindustrie, Impfstoffe im großen Stil herzustellen und mit Steuergeld bezahlen zu lassen.

Dann weiter: „Seit der Schweinegrippe spielt die Gefährlichkeit des Erregers kaum mehr eine Rolle. Jede überregionale Grippewelle kann nun zur Pandemie aufgewertet werden. Dabei haben wir mit dem Coronavirus kein Ebola und keine Tollwut – sondern eine vergleichsweise harmlose Pandemie. Studien zeigen, dass etwa 80 Prozent der positiv Getesteten davon nichts spüren. Nach Aussagen der Pathologen des Hamburger Universitätskrankenhauses starb keiner der 200 offiziellen ,Corona-Toten’ in Hamburg an dem Virus, sondern an Vorerkrankungen, also lediglich ,mit’ dem Virus.“

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Deutschland sei bis heute im Ausnahmezustand, gerade auch in punkto Diskussionskultur: Gegenstimmen aus den inneren Reihen der Regierung und namhafter Wissenschaftler werden ignoriert. Vor uns liegt eine Wirtschaftskrise historischen Ausmaßes. Die Rechtfertigung der freiheitsbeschränkenden Maßnahmen wird jeden Tag fraglicher. „Wer die derzeitigen Beschränkungen der Freiheitsrechte gutheißt, muss sich vieles fragen lassen. Warum zum Beispiel wird nicht mit ähnlich drakonischen Maßnahmen auf die 20.000 Menschen reagiert, die jedes Jahr durch Krankenhauskeime sterben, und warum interessiert sich niemand für die rund 500.000 Menschen, die sich jährlich mit Krankenhauskeimen infizieren?“

Die Zahlen sind weit höher als alle Corona-Zahlen.

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Ein überaus bemerkenswertes Interview, das mich als Historiker nicht kalt lassen kann, hat die FAZ veröffentlicht. Unter dem treffenden Titel „Geschichte ist immer schmutzig“ haben Andreas Kilb und Patrick Bahners mit dem Historiker Wolfgang Reinhard über Kolonialismus, Sklavenhandel, den Rassebegriff und die deutsche Kultur des Erinnerns gesprochen. Reinhard ist einer der wichtigsten deutschen Historiker zum Thema Kolonialismus. Sein Buch „Die Unterwerfung der Welt“ ist ein Standardwerk.

Ich finde es um so überraschender, wie wenig Reaktionen und auch Widerspruch die Veröffentlichung provoziert hat. Immerhin lesen wir dort eine Provokation unseres bundesdeutschen Konsenses nach der anderen, Sätze wie „Ich würde die deutsche Erinnerungskultur als Erinnerungszwang definieren. Der Zwang zu erinnern und das Verbot zu vergessen sind in Deutschland rechtlich festgeschrieben. Ich persönlich würde sagen, auch das Verbot der Holocaust-Leugnung ist unangebracht. Wenn jemand das leugnen will, muss man sich mit ihm auseinandersetzen, aber nicht mit Hilfe des Kadis eine bestimmte Auffassung von Erinnerungskultur erzwingen.“ 

Im weiteren Verlauf des Interviews wendet sich Reinhard gegen heute verbreitete Vorstellungen von Kolonialismus und Rassismus: „Als Wissenschaftler hat man eine gewisse Dekonstruktionspflicht. […] Der [deutsche] Kolonialismus wird so eine Art Popanz. Und das war er nicht. Er war eine relativ klägliche Angelegenheit. Und seine Verbrechen hängen mit seiner Schwäche zusammen. Kolonien wurden erstens in der Regel nicht von Staaten gegründet und geschaffen, sondern von Privatleuten. Zweitens funktioniert er nur, wenn die jeweilige koloniale Autorität mit den Einheimischen kollaboriert. Der Kolonialismus beruht auf einem Bündnis der europäischen und der einheimischen Eliten auf Kosten der einheimischen Unterschichten. […] Die Afrikaner haben selbst Sklaven gefangen und verkauft. Kaum ein Europäer außer ein paar Portugiesen ist je auf Sklavenfang gegangen. […] im neunzehnten Jahrhundert fangen die Afrikaner an, ihrerseits auf amerikanische Weise Sklaven zu halten, auf Plantagen. […] Damit ist der Rassismusbegriff ad absurdum geführt. […] Jeder hält seine eigene Gruppe für besser als die der anderen. Das muss sogar so sein, sonst könnten wir gar nicht leben. Das Problem ist, dass man daraus keine Ideologie macht und trotzdem menschlich miteinander umgeht. So etwas wird mit dem Rassismus-Begriff totgeschlagen.“ 

Und später: „Ich habe etwas gegen Sprachreinigung. Wir haben uns eingebildet, wenn wir das Wort ,Rasse’ abschaffen, dann gibt es auch die Sache nicht mehr. Das ist eine Überschätzung der Sprache. Man kann die Dinge nicht abschaffen, bloß weil man sie begrifflich entsorgt. Ich würde schon sagen, dass es so etwas wie ,Rasse’ gibt. Natürlich nicht in dem primitiven Sinne der Nazis. Es gibt Populationen, die bestimmte Eigenschaften haben. Eine ganz banale ist, dass sie dunkelhäutig sind. Aber das heißt natürlich nicht, dass damit irgendwelche moralischen oder intellektuellen Qualitäten verbunden sind. […]“ 

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