Gedanken in der Pandemie 12: Bang Boom Bang

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Und was kommt dann? Im „After Corona Club“ des NDR debattieren Fachleute aus Psychologie und Wirtschaft, Soziologie und Politik, Wissenschaft und Medizin über unsere Zukunft. | Screenshot

Zuballern im tollen Netz: Bazooka halt. Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 12.

„Ich kann und will mein Gewissen nicht nach der diesjährigen Mode maßschneidern.“
Lillian Hellman

 

Was sich gerade ereignet, ist der Wunschtraum eines jeden Verschwörungstheoretikers: Voll-Überwachung, Ausgangsverbote, Bargeld gilt als schmutzig und könnte da kontaminiert auch bald verboten werden … 

Das Bemerkenswerte aber: Dies alles hat mit Verschwörung und Paranoia überhaupt nichts zu tun, denn die Lieblingsfrage des Verschwörungstheoretiker lautet: Cui Bono? Wem nützt es?

Aber auch wenn sich auf diese Frage keine Antworten ergeben, muss man auf der anderen Seite konstatieren, dass viele, die jetzt mit großem Vergnügen dem zustimmen, was die Wissenschaftler sagen und die Regierungen tun, doch ein bisschen in diesem Vergnügen zumindest an altkluge Kinder erinnern, an Heranwachsende, die stolz darauf sind, dass sie alles 150prozentig erfüllen, was die Erwachsenen ihnen vorgeben. Der Stolz, endlich dazu zu gehören, endlich erwachsen zu sein – den kann man in diesem Verhalten auch erkennen. 

Und wer widerspricht, der ist natürlich „kindisch“. 

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Der NDR macht gerade irgendetwas richtig. Dabei sind die Norddeutschen auch unter den anderen ARD-Anstalten eigentlich keineswegs ein besonders origineller Sender.

Aber schon zu Beginn unserer Corona-Ferien kamen sie auf den hervorragenden Gedanken, mit dem Virologen Christian Drosten einen regelmäßigen Podcast zu machen. Wie wir wissen ist dies eines der erfolgreichsten Formate während des Ausnahmezustands. Und etwas Neues unter den ganzen Talkshows und gar nicht mehr besonderen Sondersendungen. 

Nun haben sie sich in Hamburg etwas Neues einfallen lassen. Das ganze heißt „After Corona Club“ und scheint ein regelmäßiges neues Talk-Format werden zu sollen, ein Format, bei dem man mehr über die kulturellen und sozialen Folgen und den Zustand des Pandemischen spricht, als über Fragen der Virologie. 

Erster Gast der ersten Sendung war Harald Welzer und das war weißgott keine schlechte Wahl. Denn Welzer ist einerseits Historiker und historisch gebildet, also gut für die etwas weiter ausholenden Vergleiche: andererseits ist er Sozialpsychologe, kann also hier schon mal ein bisschen tiefer in die Kollektive Psyche der Deutschen eindringen. Und er nennt sich oder wird beim NDR so genannt auch noch „Zukunftsforscher“. Denn tatsächlich ist er Mitbegründer und Direktor der gemeinnützigen Stiftung https://futurzwei.org/, zugleich hat Welzer in Flensburg einen Lehrstuhl für „Transformationsdesign“ – das ist zwar ein merkwürdiger Begriff, hat aber inhaltlich im Grunde sehr konkret damit zu tun, wie sich Gesellschaften wandeln wie man die Gesellschaft fit für die Zukunft macht. Diese Forschungsfelder und ihre Benennungen machen klar, dass es schon um die Zukunft geht, aber eben um eine andere Zukunft. Um eine Zukunft, die die Gesellschaft der Gegenwart nicht einfach in die Zukunft fortschreiben will. 

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Und hier nun wird klar, was an Welzer in diesem Corona-Tagen grundsätzlich interessant ist: Denn eine der Kernfragen, die wir alle uns stellen müssen, ist ja die, ob wir eigentlich die Zeit nach Corona als eine Fortsetzung der Zeit von vor Corona möchten? Also: Wollen wir das? Unabhängig von der Frage, ob es dann so sein wird, ob das überhaupt möglich ist. und was dafür und dagegen spricht. Aber wollen wir das?

Und angenommen, wir wollen das nicht – was wollen wir dann?

Tatsächlich sind wir alle alltagspragmatisch zwischen zwei Antworten auf diese Frage zerrissen. Auf der einen Seite möchten wir natürlich gerne, sobald wenn wir aus dem Hausarrest irgendwann wieder rausgelassen werden, auch wieder in unser Lieblingskino gehen können und in unsere Lieblingsrestaurants. Wenn wir jetzt schon darüber nachdenken, wie schön das sein wird, dann ist klar, dass wir uns das Nachher nur als eine Fortsetzung des Vorher vorstellen können. Auf der anderen Seite machen wir zurzeit gerade ganz viele Erfahrungen, die wir vielleicht auch positiv finden, oder zumindest interessant. Wir machen Erfahrungen eines anderen Lebens, eines anderen Zustands. Dieses „Es geht auch anders“ kann eine gute Erfahrung sein, weil es uns Alternativen zum normalen Jetzt zeigt, und weil wir dann überhaupt die Chance haben, zu wählen. Wir können ja sagen, dass wir diese Alternativen nicht wollen, dass wir zurück zum Alten wollen. Wir können aber auch sagen, dass das Neue eigentlich viel besser ist. So oder so ist es aber, wenn wir auf diese Weise denken so, dass wir uns das neue Zukünftige anders vorstellen, als das Vergangene. 

Nun wäre es in einer perfekten Welt wahrscheinlich so, dass auf der einen Seite unser Lieblingsrestaurant und unser Lieblingskino noch stehen und nicht bankrott sind und genau so weitermachen, wie bisher, und dass wir auf der anderen Seite ein paar Dinge ganz anders machen können, als bisher. Und in der ganz richtig perfekten Welt gibt es dazu noch das bedingungslose Grundeinkommen, das jetzt alle fordern, und niemand von uns muss sich darüber Gedanken machen, wer dies in einem Staat der dann um ein Vielfaches höher verschuldet sein wird als er das vorher war wohl finanziert. Eigentlich fanden wir immer schon, dass die schwarze Null doof und Olaf Scholz an Betonkopf ist, selbst als Sozialdemokraten. Oder?

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Und jetzt auf einmal – auch das gehört zur Widersprüchlichkeit, die wir gerade erfahren, finden wir, auch wenn wir keine Sozialdemokraten sind, Olaf Scholz irgendwie cool. Wie er von der Bazooka redet und ihm das Ganze offensichtlich auch ein bisschen Spaß macht. Denn immer wieder in Talkshows, selbst in so unangenehmen wie der von Anne Will am letzten Sonntag, geht ab und zu ein ganz leichtes Lächeln über sein Gesicht. Man spürt das, man merkt, dass Scholz gerade in seinem Element ist: Kein bisschen Theoretiker, sondern durch und durch Praktiker. Er freut sich, dass er machen darf, er will machen und er genießt es, machen zu können und zwar so richtig groß machen. 

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Ein bisschen, das muss ich zugeben, kommt mir, während ich dies schreibe und das Wort „machen“ gerade gebrauche, auch wieder das in den Sinn, was das Wort auch noch bedeutet, und was ich neulich auf eher gesittete Weise mit der Analfixiertheit der Deutschen umschrieben habe. Ein bisschen guckt Scholz dann nämlich auch so stolz wie ein kleiner Junge, der zum ersten Mal einen richtig großen Haufen ins Töpfchen gemacht hat, und jetzt von seinen Eltern, also von uns, den Bürgern dafür gelobt werden möchte. Die Bazooka halt.

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Gut, zurück zum „After Corona Club“. Auch bei diesem Wort denken wir sofort an verschiedene andere Dinge und nicht alles davon ist „Club Mediterranée“ – dieser „After Corona Club“ ist jedenfalls das nächste große Ding am Medien Himmel oder zumindest am Himmel des NDR.

Ob er so groß wird wie der Drosten-Podcast, das warten wir mal ab. Muss ja auch nicht. 

Es soll darum gehen: Was macht diese Krise mit unserer Gesellschaft? Gedanken kluger Menschen jenseits der Schar der Virologen, werden hier präsentiert, im Gespräch in der neuen Corona-Ästhetik bewegungseingeschränkter Zoom-Talks. 

Welzer und Anne Reschke sprachen über die Versuche, die Krise beherrschbar zu machen. Welzer ist schon deshalb ein angenehmer Typ, weil er Worte wie „auf den Senkel gehen“, „Schrott“, „zuballern“ auch im Fernsehen benutzt. 

Welzer forderte eine Bilanzierung: Was sollten wir behalten, was müssen wir verändern? So folgert er zum Beispiel: „Man wird feststellen, dass von zehn Meetings neun überflüssig sind. Dass vieles an Geschäftsreisen redundant ist.“

Das hat er recht. Eine andere Frage ist die, ob wir denn immer effizient sein wollen? Ob dieser fortwährende Zwang zur Effizienzsteigerung und Optimierung nicht genau auch nur ein Stück des absurden Stresses einer neoliberalen, hyperkapitalistischen Gesellschaft sind, die wir Post-Corona vielleicht verlassen wollen? 

Und zweitens ist noch die Frage, ob der Zweck von Meetings und Geschäftsreisen tatsächlich im Meeting und der Reise liegt – vielleicht geht es ja um Bedeutungssimulation? Um Tätigkeitssuggestion? Oder darum einfach mal vom doofen Schreibtisch im Büro wegzukommen, darum einen Vorwand zu haben, um durch die Straßen zu schlendern, die Tageszeitung zu lesen, oder darum um um 10 Uhr morgens dösen zu dürfen – im Flieger oder im ICE darf man das nämlich, und da erwischt einen auch keiner. Oder man will einfach mal ein paar Tage von Zuhause weg? Fremdgehen oder sich betrinken. Oder einfach doof herumsitzen, ohne dass einen jemand fragt wie bei Loriot: Was machst Du? Warum sitzt Du? Willst Du nicht was tun?

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Welzer wies auf ein paar Denkfehler hin: Die „wohlfeile Euphorie“ über das Zuhause-sein, der Selbstbetrug unseres Corona-Daseins: „Alle streamen jetzt wie die Irrsinnigen. Alle müssen ständig miteinander kommunizieren. Was mir übrigens total auf den Senkel geht, dass jetzt dauernd irgendwelche tollen Sachen produziert werden müssen, und man muss musizieren, produzieren und singen und Briefe schreiben. Wer will denn das ansehen? Also diese Phase der Pause, die ich ja für produktiv halte, die will ja noch gar nicht richtig einsetzen. Denn wir haben ja dieses tolle Netz wo man sich die ganze Zeit zuballern kann.“

Der Normalbetrieb bedeute, das die Leute keine Zeit haben „weil ja jede Sekunde ihrer Existenz mit irgendetwas belegt ist und seit es Smartphones und soziale Netzwerke gibt, umso mehr. Niemand ist ja mehr gewohnt leere Zeit zu haben. Also sich zu langweilen, aus dem Fenster zu gucken, eine Phase auszuhalten, wo nichts passiert – das können die Leute nicht.“ 

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Ich habe mich allerdings gefragt, ob es eine Illusion ist, dass man ohne Stress auf bessere Gedanken kommt? Und wenn Welzer unterstellt, dass Untätigkeit produktiver sei, als „wenn ich Designed Thinking mache und mir die ganze Zeit unfassbar kreativ irgendwas aus der Birne quetsche“, dann hängt zumindest ja diese Formulierung komplett am Produtivitätsideal der klassischen Industrie. 

Und noch ein anderer Punkt. Welzer bemerkt, es sei historisch „total neu“, dass man „zugunsten von Minderheiten große Einschränkungen von Mehrheiten“ in Kauf nimmt – „ich finde es erstmal toll, dass es so ist. Vor 50 Jahren hätte man so nicht entschieden.“

Die Frage ist, ob es hier wirklich um Minderheitenschutz geht – zumal in den Gesellschaften des Westens ein Drittel der Bevölkerung über 60 Jahre alt sind. Und in Korea entschied man anders. 

Mir scheint, hier wird auch etwas kalkuliert von konservativen Regierungen zugunsten ihrer Wähler entschieden. Nicht nur, aber auch. 

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Zur endgültigen Bewertung des „After Corona Clubs“ müssen wir noch ein paar Folgen angucken (und die sind dann ja auch nicht alle mit Harald Welzer), um zu schauen, ob die anderen Folgen und Teilnehmer das Niveau halten können. Der erste war jedenfalls schon mal ziemlich gut, und auf alle Fälle anregend. Und was kann man heute mehr verlangen?

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And now to something completely different. Es gab einmal eine Zeit, da fanden alle Dissidenten ganz toll. Es war die Zeit des Kalten Kriegs, die sowieso im Rückblick in mancher Hinsicht idyllischer und allemal gar nicht so schlimm war, wie es manchmal beschrieben wird. Das wissen alle, die das noch erlebt haben. 

In dieser Zeit des Kalten Krieges waren Dissidenten jedenfalls spannend und irgendwie rätselhaft. Sie kamen ziemlich oft aus Osteuropa, hatten linkische Bewegungen, dicke Schnurrbärte und oft etwas zu lange Haare. Einige sahen ein bisschen aus wie Rasputin, andere wie freundliche Großväter. Ganz wenige Dissidenten kamen auch von weiter her, wie aus China. Komischerweise hießen sie aber nie Dissidenten, wenn sie aus dem Nahen Osten kamen oder aus Afrika, und die Chilenen oder die Argentinier und die anderen Lateinamerikaner aus einem Land, in dem gerade irgendwelche faschistischen Militärs eine grauenhafte Diktatur errichtet hatten, das waren halt einfach Chilenen und Argentinier. 

Dissidenten aber umgab schon wegen dieses Namens eine gewisse Aura. Sie waren dagegen, und dass sie dagegen waren, das war gut. Sie hatten Mut, denn das Dagegen-sein kostete sie etwas. Mindestens ihre Heimat und ihre Existenz, manchmal waren sie auch vorher in Haft gewesen oder auf die eine oder andere Art gequält worden. Sie hatten gelitten für ihre Wahrheit, und wir fanden das toll. Wir setzen sie zu uns in die Talkshows und beklatschen sie, wir hörten uns die Konzerte an auf der sie irgendwelche Lieder sangen oder die Vorträge, in denen sie uns erzählt haben, was an einem anderen Land und an der Regierung eines anderen Landes ganz schlimm war. Und wir konnten da sitzen und uns sagen: Mensch uns geht’s ja gut, unsere Regierung ist doch offensichtlich gar nicht so schlecht, wenn dieser nette Dissident gerne hierher kommt und hier frei über die schlimmen Verhältnisse in anderen Ländern reden kann.

Der Haken ist der, das es ziemlich wenig Dissidenten im eigenen Land gab. Entweder waren dass irgendwelche Leute, über die unsere Eltern sagten: Das sind Verrückte und Spinner und „Geh doch nach drüben!“ 

Oder sie waren gar im Untergrund. Mitglieder der „Baader-Meinhof-Bande“, wie es am Anfang hieß – was dann dazu führte, dass wir Kinder, die wir beim Räuber-und-Gendarm-Spiel auch lieber die Räuber waren und abends von unseren Eltern etwas vom Räuber Hotzenplotz vorgelesen bekamen, dann dachten: „Bande, das muss doch gar nicht so schlecht sein, vielleicht irgendetwas wie die Olsen-Bande.“ Irgendwann hießen sie dann nicht mehr so, sondern RAF und das irritierte nur diejenigen, die sie dann immer mit der Royal Air Force verwechselt haben. Naja. Diese RAF oder Baader-Meinhof-Bande waren jedenfalls auch keine Dissidenten, sondern irgend etwas Schlimmeres. 

Heute will keiner ein Dissident sein. Dass der Dissident von dem schönen lateinischen Wort „dissidere“ kommt, ein Wort das „auseinandersetzen“ bedeutet, „nicht übereinstimmen“, „in Widerspruch stehen“, das weiß man kaum. Dissidenten sind unbequeme Andersdenkende, Querdenker, die öffentlich gegen die allgemeine Meinung Position beziehen und das aktiv. Trotzdem ist genau dieses Dissidententum und öffentlich aktiv gegen die allgemeine Meinung oder die Regierungslinie auftreten etwas, das im Augenblick während der Corona Krise gar nicht so gern gemocht wird.

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Der Regisseur Dietrich Brüggemann, ein öffentlich immer wohltuend aktiver, angenehm meinungsfreudiger und unabhängiger Kopf hat einen sehr guten Text über Corona geschrieben, der, wenn man so will, dissident ist. 

Ich könnte jetzt viel zitieren, aber es können ja alle lesen. 

Wichtig ist mir das Prinzip: „Momentan sehe ich in der Öffentlichkeit eine große, weitgehend unkritische Einigkeit: Mach, was Mutti sagt. Der Diskurs nimmt gelegentlich totalitäre Züge – wer an den derzeitigen Maßnahmen zweifelt und nach anderen Wegen fragt, der hat nicht einfach eine andere Meinung, die es zu diskutieren gilt, sondern dem wird unterstellt, er sei ein vergnügungssüchtiger, herzloser Egoist, ein Soziopath, dem Menschenleben völig egal wären, und derlei mehr. Es erübrigt sich eigentlich, zu dieser Art von Polemik Stellung zu nehmen, dennoch … Offene Debatte ist die zentrale Säule einer Demokratie. In den Wissenschaften, in der Politik, überall muß es möglich sein, andere Meinungen zu vertreten als die derzeit herrschenden. Schon mein ganzes Leben wurde ich zum Selbstdenken angehalten. Wenn das überhaupt irgendwann einen Wert haben soll, dann doch jetzt, in der größten Krise, die wir bisher erlebt haben (und hoffentlich erleben werden).“

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Warum ist man als Dissident augenblicklich auf komplett verlorenem Posten? Es ist doch erstaunlich, dass Schriftsteller und Philosophen und Wissenschaftler und Kulturkritiker, die ansonsten zu allem Möglichen, was in der Welt geschieht, etwas Kritisches zu sagen haben, in diesem Fall überhaupt nichts äußern oder nur dem zustimmen, was die Regierung tut, nur auf das hören, was die Wissenschaft in ihrer Mehrheit verlautbaren lässt, und das auch noch öffentlich abklatschen. Auch Harald Welzer ist gerade wahnsinnig stolz auf die deutschen Bürger und sieht „eine Sternstunde des demokratischen Staates.“

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Das Schräge ist, dass gerade offenbar alle Bescheid wissen – außer mir. Ich weiß tatsächlich nicht Bescheid, aber ich tue auch nicht so. Ich stelle Fragen, und mache auf Gegenargumente aufmerksam, das ist nicht zuletzt der Sinn dieses Blogs.

Aber es ist nicht alles gleich Deep-State und Fake-News-Paranoia, was sich nicht für Konsens interessiert. Da könnten gerade die Angehörigen der Mehrheitsmeinungen, wenn sie sich ihrer Position sicher wären, doch lebenserfahren und reklaxed gelassen bleiben und einfach nur sagen: I am not convinced.

Aber nein: Gerade diese Facebook-Reaktionen, sich in gegenseitiger Selbstbestätigung virtuell abzuklatschen und jeden, der den Konsens stört, „niederzuliken“, machen mich skeptisch.

Ja, die Regierung macht einen guten Job und die Virologen einen noch viel besseren, gerade weil die sich dauernd untereinander streiten und widersprechen und selber korrigieren.

Das tun wir nicht, das sollten wir aber: streiten, widersprechen, selber korrigieren.

Wird der Job von Regierung und Virologen aber besser, wenn wir Voll-Laien jetzt fortwährend applaudieren, und jedem, der den Konsens stört, der nachfragt, ob nicht andere Modelle auch Argumente für sich haben, sofort erklären, warum das Unsinn ist?

Was ist so toll an Konsens?

Nochmal zum Beispiel Schweden: Sind die Schweden echt Zyniker oder einfach dumm? Dabei schwenken die Deutschen längst in manchem auf das schwedische Modell ein, so wie die Schweden umgekehrt manches vom deutschen Modell übernehmen. Und manches was wir vor hier vor zwei Wochen im Blog geschrieben haben, wird jetzt auch von den gelobten Politikern und Virologen gesagt. Da gehts uns wie Kekulé, der auch schon unangenehme Wahrheiten ausgesprochen hat, als alle noch an Drostens Lippen hingen. 

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Unser heutiger Buchtip, der mal nichts mit Corona zu tun hat, ist das Buch „Zeit der Schurken“ von Lillian Hellman. Hoffentlich kennen alle Hellman schon. In diesem autobiografischen Buch erzählt sie von der McCarthy-Ära, der „Hexenjagd“ (Arthur Miller), in der Menschen schon „Schuldig bei Verdacht“ (Alan Dershowitz) gesprochen wurden. 

Diese „Zeit der Schurken“ war eine Periode, in der in der ängstliche oder opportunistische Männer und Frauen reihenweise aus der Rolle fielen, und ihresgleichen öffentlich kritisierten, oft denunzierten. Es war eine Zeit, die Dissidenten nicht wollte und es als persönliche Beleidigung empfand, wenn Menschen öffentlich klarmachten, dass sie anderer Meinung waren. Die Mehrheitsgesellschaft jener Jahre genoss es, sich mit einem risikofreien Standpunkt in der Öffentlichkeit zu zeigen und im Beifall zu sonnen. 

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