Gedanken in der Pandemie 10: Wir lachen gern, wenn’s passt

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„Ich bin dafür. Muss aber nicht“, sagte ausgerechnet Loriot über den Humor. Sein rotes Sofa steht jetzt als Dauerleihgabe im Haus der Geschichte in Stuttgart. | Foto © SWR, Hugo Jehle

Wo bleiben die Corona-Witze? Die Humorbeilage zum Wochenende: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 10. 

„Warum sehen Aspirintabletten anders aus als Leguane? Weil sonst, stellt euch bloß mal vor, was dann passieren würde.“
Umberto Eco, „Nullnummer“

„Only connect.“
E. M. Forster

 

Die Sache mit dem Klopapier. Es leicht, darüber Witze zu machen, aber langsam stinkt sie doch ein bisschen – wobei „stinkt“ hier vielleicht nicht der ideale Ausdruck ist … Jedenfalls: Auch drei Wochen nach Beginn des Ausnahmezustand fehlt in den Supermärkten und Drogeriemärkten zumindest in Berlin-Mitte immer noch Klopapier. Wahrscheinlich gibt es am Morgen mal in paar Rollen, aber die sind dann 20 Minuten später abverkauft. Was soll man nun damit machen? Zwar werden Politiker, Funktionäre und Dienstleister auf allen Ebenen nicht müde zu betonen: Es gibt keine Engpässe. Die Versorgung ist gesichert. Aber der Blick ins Supermarktregal spricht das Gegenteil. 

Woran liegt das? Analfixierung der Deutschen, sagen die Psychologen, und verweisen darauf, dass in Frankreich genug da ist, während dort angeblich immer Rotwein und Kondome ausverkauft sind. Was die Frage aufwirft, wann der Rotwein getrunken wird, vorher oder nachher?

Sachlicher veranlagte Versorger sagen, das Altpapier fürs Recycling sei knapp. Was vermutlich daran liegt, dass die Menschen ihre alten Zeitungen aufheben, für den Fall, dass das Klopapier ausgeht. Gerd Scobel auf 3sat spricht in solchen Fällen dann von „Komplexität“. Aber es ist eigentlich nicht zum Lachen. Spätestens wenn man erstmal vor der Wahl steht, auf die linke Hand zurückzugreifen, oder doch die sorgsam gehorteten FAZ-Literaturbeilagen der letzten zehn Jahre zu opfern, weiß man, wovon ich rede. 

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Oder geht alles für den Verpackungsmehrbedarf der bösen Online-Versandhäuser drauf? Aber das nur am Rande. 

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Das Horten scheint allgemein gerade wieder in Mode zu kommen. Von Klopapier und Dosenravioli war schon die Rede, aber auch beim Biomarkt um die Ecke blaffte mich neulich ein Schild an, wo im strengen Nanny-Ton, in dem in Biomärkte sowieso mit den Kunden kommuniziert wird, geschrieben stand: „Recycling ist ein Kreislauf“ – „Ach was?“ möchte man da antworten, „endlich mal was Neues.“ 

Aber offenbar bringen auch die guten Menschen, die per Biomarkteinkauf die Welt verbessern oder ihr Gewissen, gerade nicht genug Joghurtgläser und Milchflaschen zurück. 

So wird alles Mögliche knapp. 

Was in Deutschland freilich schon immer knapp war, und in Corona-Zeiten geradezu zum Luxusgut wird, ist der Humor. 

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Neulich hat mir meine inzwischen 82-jährige Mutter am Telefon einen Witz erzählt. Nun kennen Sie, liebe Leser*innen, zwar meine Mutter nicht. Aber glauben Sie mir: Auch wenn sie viel lacht, und mit der Generation Loriot sozialisiert wurde, ist es wahrscheinlich etwa zehn Jahre her, vielleicht sogar fünfzehn, dass sie mir zum letzten mal einen richtigen Witz erzählt hat. So wahnsinnig gut war dieser Witz dann auch gar nicht, um ehrlich zu sein, aber darum geht es nicht. Wie in anderen Fällen auch, zählt hier der gute Wille mehr als die Tat. 

Und offenbar hatte auch sie das Bedürfnis, die Stimmung irgendwie aufzulockern.

Es stellt sich also die Frage: Wie steht’s mit dem Humor in Sachen Corona? Kann man über Corona Witze machen? Und über den Ausnahmezustand? Ausgangssperren? Corona-Partys? Home-Office? Anlass gäbe es ja genug. 

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Als ob Jan Böhmermann es auch geahnt hätte. Jedenfalls ist er mit seinem „Neo Magazin Royal“ gerade rechtzeitig aus dem Fernsehen abgetaucht, um sich nicht humorvoll an der derzeitigen Lage abarbeiten zu müssen. 

Die Kollegen. von der „Heute Show“ sind da schlechter dran. Für die ZDF-Satiriker, die sonst die aus meiner Sicht abgründigsten und daher besten Späße im öffentlich-rechtlichen Fernsehen machen, ist es im Augenblick ziemlich schwer. 

Am Ende ist nämlich auch die „Heute Show“ ZDF, das heißt man würde ihnen von Intendanten-Seite einen bestimmten Humor nicht verzeihen, nichts, was als „zynisch“ verstanden werden könnte, und vielleicht finden sie es ja selbst geschmacklos. Obwohl sich da einiges anbieten würde. 

Die inzwischen berühmte Rede von Angela Merkel am 17. März etwa: „Schon jetzt gibt es viele kreative Formen, die dem Virus und seinen sozialen Folgen trotzen. Schon jetzt gibt es Enkel, die ihren Großeltern einen Podcast aufnehmen, damit sie nicht einsam sind.“ Zu normalen Zeiten hätte man etwa diesen Satz mit einer Merkel in den Mund gelegten Fake-Botschaft unterlegt. Oder zu den Sätzen „Wir möchten, gerade in Zeiten der Not, einander nah sein. Wir kennen Zuwendung als körperliche Nähe oder Berührung. Doch im Augenblick ist leider das Gegenteil richtig. Und das müssen wirklich alle begreifen: Im Moment ist nur Abstand Ausdruck von Fürsorge.“ Bilder von Merkels Treffen mit Donald Trump, Friedrich Merz oder Putins Hund eingespielt. 

Aber nichts dergleichen: Am nächsten kam man abgründigem Humor noch in der Szene, in der man eine toughe Business-Frau zeigte, die plötzlich im Homeoffice ihren Kindern ausgesetzt ist, für die sie sich nicht im geringsten interessiert. Das war schon ganz lustig, man kann es in der Mediathek nachholen. 

Humor in Zeiten von Corona fällt also schon jetzt schwer. 

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Dabei kommt die wahre Prüfung erst noch, denn wenn erst mal auch in Deutschland die ersten Leichen in Kühlhäusern lagern, kann man noch nicht mal mehr Witze über volle Kühlschränke im Home Office machen, oder so was ähnliches. 

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Deswegen möchte ich alle Leser hier bitten, mir ihre besten Corona-Witze zuzuschicken oder auch Ausgangssperren-Witze, Home-Office-Witze und so weiter, alles was im weitesten Sinne Corona zusammenhängt. Die werde ich dann in der nächsten Woche mit euch teilen. Bitte an (Aktiviere Javascript, um die Email-Adresse zu sehen).

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„Ich meine, man sollte die günstige Gelegenheit nutzen und einmal die Frage in den Raum stellen: Was ist Humor? Oder besser: In welchem Verhältnis zum Fernsehen hat – oder darf – Humor und Satire, die ja als wichtige Bestandteile in ihrer Aufgabe durch – also im – Fernsehen zu sein sind, zu stehen … haben … zu sein haben?“ 

„Ich meine, da geht schon die Frage am Thema vorbei. Das Problem liegt, und nur das interessiert doch die Zuschauer, in den Begriffen Humor und Satire als geistige Haltung integriert in die Bestandteile ihrer Aufgabe im Rahmen des Fernsehens. Und wenn ich noch einmal auf das Thema Satire zurückkommen darf: Mir scheint, es geht nicht ohne eine Definition des Komischen an sich, ohne diese Einigung über die Auslegung der Grundbegriffe ist weder Humor noch Satire in den Griff zu kriegen. Also: Was ist Komik? Ich vermisse auch eine Klärung des Begriffes Lachen.“ 

„Ich lache gern mal, wenn’s grade paßt. Aber das nur am Rande.“

„Wie würden Sie die Begriffe Humor und Komik definieren?“ 

„Ich bin dafür. Muss aber nicht.“

Loriot 

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Es gibt auch Leute, die müssen keine Kurzarbeit beantragen oder Existenzüberlebenshilfen. sondern im Gegenteil stellen sie Leute ein. Und weil ich in den letzten Tagen mehrfach vor allem von den miesen Profiteuren der Krise (Amazon!! Und andere Online-Dienste!) berichtet habe, hier mal was Positives: Die Pandemie führt nämlich auch zum Boom für Lieferanten von Abokisten für Gemüse und Obst. Vor allem Bio-Waren erleben seit dem Beginn der Ausgangssperren einen Boom. Von 20 bis 30 Prozent mehr Kunden und 60 Prozent Umsatz-Plus spricht ein norddeutscher Bio-Lieferant im Deutschlandfunk. Er hat Erfahrung seit den 80er Jahren. Der erste große Umsatzzuwachs sei 1986 mit Tschernobyl gekommen, und seitdem hangele er sich „von Krise zu Krise“.

Nur Klopapier liefert er nicht mehr aus. „Weil das zu viel Platz im Lieferwagen wegnimmt.“ 

Mancher Klient habe am Telefon geweint, erzählt er, was sonst nur passiere, wenn gerade die richtige Sorte Olivenöl fehle. 

Wer Abo-Kisten mit Obst und Gemüse kauft, unterstützt übrigens auch die regionale Landwirtschaft. Klarerweise kann auch jeder, der sich berufen fühlt, sich beim Bauern seines Vertrauens melden und Spargelstechen, Erdbeerpflücken und ähnliche Tätigkeiten anbieten. 

Auch manche Restaurants blühen jetzt richtig auf. Sie müssen keine Kellner mehr bezahlen und sagen „Wir machen nur noch Außer-Haus-Verkauf.“ 

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Kaufen sollte man morgen die Samstagsausgabe der „Süddeutschen Zeitung“, obwohl die gerade immer dünner wird, der Preis aber nicht. Aber morgen ist Dr. Josef Schnelle, der nicht nur ein Freund von mir ist, sondern auch ein großer Autor, „Dem Geheimnis auf der Spur“, und schreibt über etwas sehr Aktuelles: Die Justinianische Pest im Jahr 541 n. Chr. Die Reihe „Dem Geheimnis auf der Spur“ ist eine der schönsten dieser Zeitung – klassisches Zeitungsfeuilleton und deswegen im Wochentakt bedroht von allen Controllern. Wer weiß, wie lange es sie noch gibt? 

Andererseits: Wenn solche Rubriken im Sparzwang gekillt werden sollten, kauft bald überhaupt niemand mehr eine Tageszeitung. Dann kann sich die „Süddeutsche“ ganz auf Verkäufe von Kreuzfahrten konzentrieren, und aus Lesern werden dann Kreuzfahrer – falls es sowas nach Corona noch gibt. 

Auch Witzischkeit hat ihre Grenzen.

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Wer ihn noch nicht gelesen hat, dem kann ich fürs Wochenende auch den letzten Roman von Umberto Eco empfehlen. Er heißt „Nullnummer“, ist bei Hanser beziehungsweise DTV erschienen, angenehm dünn, und spielt in unserer Gegenwart; zumindest falls man das Jahr 1992 noch der Gegenwart zurechnet. 

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„Genug jetzt!“ rief Simei, „Sie vergessen, dass unsere Leser keine Intellektuellen sind, die die Surrealisten gelesen haben, in deren Milieu man sich mit sowas amüsierte. Sie würden das alles ernst nehmen und uns für völlig verrückt halten. Zurück an die Arbeit. Wir haben uns genug amüsiert. Was für Vorschläge gibt es noch?“

Umberto Eco, „Nullnummer“

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