Corona: Brancheninfo 58

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Auch das deutsche Fernsehen hat noch einiges aufzuarbeiten. Zum Brüllen, was „TV Total“ so an Scherzen zu gleichgeschlechtlichen Fußballmannschaften einfiel. | Screenshot

Vor zwei Wochen war es angekündigt, das Wumms-Paket für die Kultur. Eine Milliarde Euro soll der „Neustart Kultur“ kosten, alle haben zugestimmt, heute hat die Regierung bschlossen: Es kann losgehen! So etwa in zwei Wochen, wenn Bundestag und Bundesrat auch den Haushaltsnachtrag verabschiedet haben, mit dem das finanziert werden soll.

Wir danken Ihnen für Ihre Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare, auch wenn wir leider nicht alle persönlich beantworten können. 

 

Bevor wir anfangen, erstmal etwas völlig Anderes: Neuseelands Regierung sorgt sich um die Sicherheit junger Menschen im Internet. Ein außergewöhnlicher TV-Clip ist Teil einer Kampagne, damit Eltern mit ihren Kindern über heikle Themen im digitalen Zeitalter sprechen: Zwei unbekleidete „Pornostars“ erscheinen an der Haustür einer Mutter und erzählen dieser, dass ihr Sohn sich das Paar gerade online anschaue [auf Englisch]. 

 

Eine Milliarde Euro sollen den „Neustart Kultur“ anschieben. Das Paket und die ersten Reaktionen hatten wir vor zwei Wochen vorgestellt. Heute wurden „Eckpunkte für ein Programm zur Milderung der Auswirkungen der Corona-Pandemie im Kulturbereich“ vom Bundeskabinett beschlossen. Das Programm von Kulturstaatsministerin (BKM) Monika Grütters bestehe „im Wesentlichen aus fünf Teilen“, so die Mitteilung ihres Ministeriums:

  1. Mit einem Investitionsbaustein sollen privat finanzierte Kultureinrichtungen für die Wiedereröffnung fit gemacht werden. Sie alle müssen Hygienekonzepte und Abstandsregeln umsetzen. Hierfür sind bis zu 250 Millionen Euro vorgesehen.
  2. Mit bis zu 480 Millionen Euro sollen die zahlreichen kleineren und mittleren Kulturstätten und -projekte unterstützt werden, die vor allem privatwirtschaftlich finanziert sind und oft vollständige Einnahmeausfälle hinnehmen mussten. So sollen sie auch wieder Arbeitsmöglichkeiten bieten und neue Aufträge an freiberuflich Tätige und Soloselbständige vergeben können.
  3. Nicht wenige Einrichtungen und Künstler haben in der Krise erfolgreich neue Wege zu ihrem Publikum gefunden. Um diesen Schub für innovative Wege der Vermittlung, Vernetzung und Verständigung im Kulturbereich zu nutzen und zu verstärken, sollen alternative, auch digitale, Angebote mit bis zu 150 Millionen Euro gefördert werden.
  4. Regelmäßig durch den Bund geförderte Kultureinrichtungen und -projekte haben erhebliche Einnahmeausfälle und Mehrausgaben zu verzeichnen. Für deren Ausgleich sollen bis zu 100 Millionen Euro bereitgestellt werden.
  5. Hilfen in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro sind für private Hörfunkveranstalter vorgesehen, die durch den Einbruch von Werbeeinnahmen schwer getroffen sind.

Das Bundeskabinett hat zugleich den Regierungsentwurf eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushalt 2020 beschlossen, in dem die Mittel für „Neustart Kultur“ enthalten sind. Die Verabschiedung des Nachtrags durch Bundestag und Bundesrat ist für Anfang Juli vorgesehen, der Start der Programme soll unmittelbar darauf erfolgen.

Der Bundesrat hatte die Hilfen für die Kulturschaffenden für nicht ausreichend gehalten und für einen pauschalen monatlichen Zuschuss plädiert. Dieser Vorschlag findet sich im heutigen „Neustart“ nicht wieder. Stattdessen weist die Pressemitteilung der BKM auf „weitere Maßnahmen“ der vergangenen Woche hin, „die auch der Kultur und Kreativwirtschaft zugutekommen. Der vereinfachte Zugang zur Grundsicherung soll bis 30. September verlängert, und die Umsatzsteuersätze sollen für sechs Monate reduziert werden. Außerdem wurde die Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer verschoben und die Verrechnungsmöglichkeit von Verlusten mit Gewinnen des Vorjahres erleichtert.“

Die Zahlung von Soforthilfen auch zur Deckung der Lebenshaltungskosten fordern der Bundesverband der Freien Berufe (BFB) und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Laut einer gemeinsamen Umfrage sehen sich rund 60 Prozent aller Selbstständigen im kommenden halben Jahr in ihrer Existenz bedroht.  Die Corona-Krise sei vor allem eine Krise der Selbstständigen, schreibt dazu die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, die das Gleiche fordert. 

Dass in der Krise nicht alle gleich sind, stellt auch der grüne Bundestagsabgeordnete Chris Kühn fest: „Alle bisherigen sozialen und wirtschaftlichen Maßnahmen haben nicht dazu geführt, dass ein Einkommen für alle gesichert ist, weder in der Krise noch außerhalb“, schreibt er in einer „Entscheidungsträger-Antwort“ auf die Petition „„Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen durch die Coronakrise“. Die Corona-Krise habe der Idee neuen Schwung verliehen, schreibt Kühn: „Ein Grundeinkommen für alle kann unserem Gemeinwesen hier und jetzt helfen.“

 

Die Filmwirtschaft leidet wegen der Corona-Pandemie – und plötzlich schaut jeder nur noch auf sich? Die Produzentin Nicola Graef sieht es so. Die Schauspielerin Susanne Bormann hält dagegen – mit fast schon sozialistischen Forderungen. Wie solidarisch die deutsche Filmindustrie ist oder sein sollte, wurde in der dritten MDR-Kultur-„Zukunftswerkstatt“ diskutiert.

Pro Sieben Sat.1 blickt trotz Corona-Krise zuversichtlich in die Zukunft: Die Programm-Pipeline sei bestens gefüllt, zitiert „Blickpunkt Film“ den Vorstands-Chef Wolfgang Link.
Pro Sieben kündigt mehr Eigenproduktionen an, meldet dazu das Redaktionsnetzwerk Deutschland.
„Wir wollen die Relevanz von Pro Sieben in der Prime Time weiter erhöhen“, sagt Sender-Chef Daniel Rosemann in einer Pressemitteilung.
In der Prime-Time-Relevanz lag Pro Sieben im vorigen Jahr an fünfter Stelle mit 4,7 Prozent Marktanteil. Der Spitzenreiter ARD hatte dreimal so viel.
Die künftigen Inhalte der Sendergruppe fasst „Meedia“ zusammen: „Shows, Promis, Quiz und Sex“.

Streaminganbieter wie Netflix und HBO haben mehrere diskriminierende Serien und Filme aus dem Programm genommen. Aber auch die deutsche TV-Branche hätte einiges aufzuarbeiten. Da wäre nicht zuletzt das Wirken und Schaffen von Stefan Raab, meint das Redaktionsnetzwerk Deutschland. 

 

Das Neue ist der Tod des Bestehenden? Diese Haltung konnte noch nie eine neue Kulturtechnik verhindern, meint Daniel Sponsel auf „critic.de“. Der Leiter des Dokfest München kritisiert eine Art von Cinephilie, die weder dem Spielort Kino noch der Filmkultur helfe.

Noch ein Kinostart wandert in den Stream: Nach „Artemis Fowl“ wird auch Disneys neuer Familienfilm „Der einzig wahre Ivan“ nicht im Kino zu sehen sein.  Die Bestseller-Verfilmung über einen ganz besonderen Gorilla wird im August auf dem eigenen Streamingportal erscheinen, meldet „Blickpunkt Film“. 

„Probleme bei der Rechteklärung“ verhindern laut SWR, dass ein Dokumentarfilm über Corona in Wuhan gezeigt wird. Problematisch war aber vor allem, wie Material einer chinesischen Propagandastelle genutzt wurde: „Der Spiegel“ erklärt, warum die ARD „Wuhan – Chronik eines Ausbruchs“ kurzfristig abgesetzt hat.

Im Oktober ist der „UNESCO-Welttags des Audiovisuellen Erbes“. Zu diesem Anlass öffnen die ARD-Rundfunkanstalten ihre Archive und machen historische TV-Beiträge zeitlich unbegrenzt online zugänglich. Aus rechtlichen Gründen zunächst bis 1966, meldet DWDL.

Der Stand ist zwar von voriger Woche, aber immerhin ein Überblick: Welche Dreharbeiten fürs ZDF wieder oder neu gestartet wurden, zeigt der Sender hier.

 

Corona lässt die „Oscars“ warten, meldet die „Taz“: Die 93. Ausgabe der Filmpreisverleihung soll im April 2021 kommen – zwei Monate später als geplant. Verlängert wurde auch die Frist zum Einreichen von Filmen.

Ein Aufschub kam in der langen Academy-Geschichte bisher erst dreimal vor, weiß die „Berliner Zeitung“. 

Die Filmkunstmesse Leipzig findet statt – wie geplant ab Mitte September und sogar um einen Tag verlängert, teilt die AG Kino-Gilde mit.

 

Wenn Steine beleidigen: Allein die Tatsache, dass Denkmäler ein gestriges Geschichtsbild vermitteln, kann kein Grund für ihre Zerstörung sein. Manchmal ist es aber richtig, kommentiert die „Taz“ – im Rahmen eines demokratischen Verfahrens.

Die Schriftstellerin Jenni Zylka hat „Tim und Struppi“ gelesen und macht sich ebenfalls Gedanken über Bilderstürmerei und Rassismus: Gibt es guten Ikonoklasmus? fragt sie im „Altpapier“ des MDR – und meint: Manches sollte „aber auch stehen bleiben, vom Ehren- zum Mahnmal umfunktioniert und mit erklärenden Schildern neu eingeordnet werden.“

 

Dok Leipzig wird Hybrid. Auch „cinearte“ macht zurzeit Pause für diese Brancheninfos. Darum schreibt Christoph Brandl seine Doku-Kolumne „Das wahre Leben“ solange hier:

Ist es vorausschauender Gehorsam oder eine weise Entscheidung in den ungewissen Zeiten, in denen wir leben? Das Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm, kurz Dok Leipzig hat gestern bekannt gegeben, dass es dieses Jahr eine Hybrid-Ausgabe geben wird. So werden vom 26. Oktober bis 1. November lediglich 120 Filmen präsentiert, die in designierten Leipziger Spielstätten unter Einhaltung der Hygienevorschriften gezeigt werden, ein Großteil davon wird in Deutschland auch online verfügbar sein.
Das Festival wird angesichts der ungewissen Situation in diesem Jahr keine Gäste einladen, das Publikum wird sich an den geplanten Filmgesprächen jedoch online beteiligen können, im Kino wie auch in den eigenen vier Wänden. Eine Vielzahl neuer Online-Formate wird den Austausch zwischen Filmschaffenden und Publikum ermöglichen. Die angekündigten Wettbewerbe des Festivals bleiben bestehen, allein die Einführung eines Wettbewerbs für den langen Animationsfilm wird auf 2021 verschoben. Auch einige Sonderreihen werden 2020 in Leipziger Kinos wie im Netz stattfinden. „Unser Ziel ist, ein künstlerisch vielschichtiges Hybrid-Festival zu präsentieren, das weiterhin von der Beteiligung des Publikums lebt, vom Gedanken der Solidarität getragen ist und den Charakter eines Filmfestivals bewahrt“, sagte der Festivalleiter Christoph Terhechte.
Alle Filme werden zu einer festgelegten Zeit ihre Festivalpremiere feiern und danach für maximal zwei Wochen on demand verfügbar sein. „Wir sehen das Streaming-Angebot als Erweiterung der Kinovorführungen. Wir wollen die Filmschaffenden möglichst effektiv unterstützen und einer anschließenden Verwertung ihrer Filme nicht im Weg stehen“, so der Festivalleiter. „Die Tatsache, dass Filmschaffende ihre Premieren nicht persönlich in Leipzig mit dem Publikum feiern können, schmerzt enorm. Umso mehr wollen wir Filmschaffende, das Publikum und unser Programmteam in einen produktiven Austausch bringen.“
So wird es eine Mischung aus aufgezeichneten und live stattfindenden Filmgesprächen geben. Zudem sind Verschränkungen von Online- und Offline-Angeboten geplant. Einreichungen für die 63. Ausgabe von Dok Leipzig sind noch bis zum 7. Juli möglich. Die Branchenangebote von „Dok Industry 2020“ finden ebenfalls online statt. Dokumentarfilmprojekte können noch bis zum 1. August für den diesjährigen „Dok Co-Pro Market“ eingereicht werden.

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