Corona: Brancheninfo 100

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Mollig haut Chilly Gonzales in die Tasten: Weihnachtslieder sollen ja die eigene Stimmung wiedergeben, findet der Pianist. | Screenshot

Unser Nachrichtenüberblick zum Wochenende.

Weihnachten wird dieses Jahr irgendwie nicht dasselbe sein. Findet auch Chilly Gonzales: „Wenn du traurig bist, suchst du auch ein bisschen Mitleid. Du willst spüren, dass du nicht allein bist in deiner Traurigkeit,“ erklärt der Pianist und zeigt, wie einfach die passende Stimmung zu haben ist: Zum Beispiel „Jingle Bells“ in Moll statt Dur. Was er außerdem mit Weihnachtshits von Wham, Mariah Carey and Black Sabbath anstellen kann, zeigt er in kleinen Videos.

 

Schleswig-Holstein unterstützt seine Kinos kurzfristig mit insgesamt bis zu zwei Millionen Euro, um Liquiditätsengpässe abzumildern, meldet „Blickpunkt Film“. Die Maßnahme stehe allen Kinos unabhängig von Lage oder Größe offen. Die Hilfe hatte das Land bereits Ende September angekündigt, ursprünglich sie als Beitrag zum sogenannten „Zukunftsprogramm III“ gedacht. Weil daran aber immer noch gearbeitet werde,  stellt Schleswig-Holstein seine Unterstützung nun nun als separate Maßnahme zur Verfügung.

Kaum eine andere Branche hat die Corona-Pandemie so getroffen wie die Veranstaltungswirtschaft. „In der Politik ist die Wahrnehmung unserer Branche […] erst nach und nach angekommen“, sagt Tom Koperek, Mit-Initiator der Initiative #AlarmstufeRot. Das will auf die Nöte der Eventbranche aufmerksam, Hilfe einfordern und mit Spenden selber helfen. Im Interview mit „Event Partner“ erklärt Koperek, was bereits erreicht wurde und noch getan werden sollte.

Amazon unterstützt die deutsche Unterhaltungsbranche, meldet „Blickpunkt Film“: Die Kampagne „Backstage-Helden“ sammelt mit prominenter Unterstützung Spenden für von Corona betroffene Kulturschaffende, die hinter den Kulissen arbeiten. Der Streaming-Riese beteiligt sich mit 500.000 Euro. Zur Ergänzung: Im zweiten Quartal 2020 hatte Amazon für seinen Streamingdienst  Amazon Prime ein Umsatzplus von 29 Prozent gemeldet – rund 1,4 Milliarden US-Dollar.

 

Der Vielfalt vor der Kamera widmete sich am Mittwoch das NDR-Magazin „Zapp“: Minderheiten würden in deutschen Fernsehserien und -filmen insgesamt nicht realistisch dargestellt – egal ob Homosexuelle, Menschen mit Migrationshintergrund oder Beeinträchtigungen. Auch die Streaming-Formate seien nicht so divers besetzt, wie gemeinhin angenommen wird, schließt der Beitrag aus einer aktuellen Studie der Universität Rostock. Dennoch: Aus der Kritik erwüchsen zurzeit neue Initiativen, etwa die Selbstverpflichtung der Ufa. Was „Zapp“ für einen gewagten Titel genügt: „Deutsche TV-Serien werden diverser.“
Was dabei übersehen wird: Die Studie (die vom ZDF mitfinanziert wurde), untersuchte nur die „Geschlechterdarstellungen und Diversität in Streaming- und SVOD-Angeboten“. Vergleichende Zahlen aus dem traditionellen deutschen Fernsehen (etwa dem ZDF) bringt sie nicht. Und auch in der eingegrenzten Darstellung offenbaren sich die Unterschiede an ganz anderer Stelle: Der Anteil von Protagonist*innen und Hauptfiguren in nordamerikanischen Streamingserien liegt bei 52,7 Prozent – die deutschen Produktionen kommen gerade mal auf 7,2 Prozent. 

Mehr Barrierefreiheit in Medien soll ein neues Angebot Menschen mit Behinderung ermöglichen. Das laufe bislang gar nicht mal so schlecht, berichtet der Deutschlandfunk, habe aber noch gehöriges Potenzial: „Den Verantwortlichen ist aber auch bewusst, dass die Entwicklung vor allem außerhalb der Untertitel weitergehen muss. Das Erste strahlt gut die Hälfte des Hauptabendprogramms mit Audiodeskription aus. Deutlich weniger Sendungen haben Gebärdensprache, leichte Sprache kommt im linearen Fernsehen generell nicht vor.“  Zudem definiere die UN-Behindertenrechtskonvention Barrierefreiheit anders: „Ein Medium muss ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sein. Deshalb müssten auch noch Gebärdensprache und leichte Sprache stark ausgebaut werden. Da aber zum Beispiel der NDR in den nächsten Jahren 300 Millionen einsparen muss, soll das Angebot lediglich auf dem momentanen Niveau bleiben. Aktuell ist übrigens bei keinem Sender öffentlich bekannt, was für Barrierefreiheit tatsächlich ausgegeben wird.“

 

Eine gemeinsame digitale Kulturplattform hatten die öffentlich-rechtlichen Sender im Mai angekündigt. Auch die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Partei Die Linke nahesteht, machte sich ihre Gedanken zum „Kreativen Neustart im öffentlichen Rundfunk“ und den Anforderungen aus ihrer Sicht: „Über Jahre hinweg haben ARD und ZDF den Umfang und die Vielfalt ihres kulturellen Angebots reduziert. Gerade im Fernsehbereich haben kulturelle Sendungen im Konkurrenzkampf um Primetime-Sendeplätze verloren oder wurden gleich in die Spartenprogramme abgeschoben. Im März 2020 zeichnete sich dann, in Reaktion auf die Corona-Pandemie, eine kulturpolitische Kehrtwende bei den Sendern ab: Kulturangebote wurden, vor allem online, erheblich ausgebaut. Die Sender wollten damit den Künstler*innen und Kulturschaffenden eine Alternative für den Wegfall von Veranstaltungen, Aufführungen und auch Arbeitsmöglichkeiten bieten und der Kultur in Zeiten geschlossener Einrichtungen Publikum und Reichweite organisieren.“ Die Planungen reichen deutlich weiter zurück als die Pandemie, merken die Autor*innen (Imke Elliesen-Kliefoth, Kulturreferentin der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, und Heiko Hilker, Mitglied des MDR-Rundfunkrats) an. „Aber gerade die letzten Monate haben gezeigt, welche Anforderungen eine öffentlich-rechtliche Kulturplattform erfüllen muss und was wir auf ihr finden wollen. […] Die Auswahl dieser neuen, zeitlich begrenzten Angebote der Sender zeigt, was in den Sendeanstalten grundsätzlich alles möglich wäre. Deutlich wird aber auch, dass die meisten der ,neuen’ Kulturangebote auf die traditionelle Kultur beschränkt bleiben, überwiegend institutionell geförderte Kulturveranstaltungen zeigen und mit dieser Auswahl ein begrenztes Publikum ansprechen.“

Auch Italiens Kulturminister Dario Franceschini plant eine Online-Plattform, die schon in wenigen Wochen starten soll. Arbeitstitel: „Netflix der Kultur“. Die Pläne würden von vielen belächelt, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und hält dagegen: „Aber wie viele Initiativen aus Europa für  für Anspruchsvolles im Internet gibt es denn schon?“ Der europäische Kultursender mit dem italienischen Namen kommt der Zeitung da nicht in den Sinn, wenn sie das Konzept erklärt: „Ähnlich wie beim Ideengeber Netflix, wo man als Nutzer zwischen verschiedenen Filmgenres wählen kann, müsse eine solche Kultur-Plattform über verschiedene ,Kanäle’ verfügen, die jeweils einzelnen Genres wie Oper, Tanz, Theater, Pop oder den wichtigsten Museen im Land gewidmet seien.  […] Sollte das Projekt erfolgreich sein, so Franceschinis ehrgeiziger Plan, seien digitale Kooperationen auf europäischer Ebene anzustreben, um eine kulturelle Allianz der Alten Welt zu bilden, die den Netzriesen des Silicon Valley die Stirn bieten kann.“
Auch an diesem doch sehr traditionellen Kulturbegriff stört sich die Zeitung nicht. Im Gegenteil: „Ein ,Netflix der Kultur’ könnte der Beginn einer kleinen Kulturrevolution sein. […] Es wäre eine Demokratisierung von Kultur, wenn man etwa eine Premiere in der Scala dauerhaft von zu Hause aus und Tausende Kilometer von Mailand entfernt genießen könnte.“

 

Für den Produzenten Ralf Kukula ist es sein persönlichster Film, berichtet „Tag 24“. „Fritzi – Eine Wendewundergeschichte“ erzählt von der friedlichen Revolution 1989 aus Kindersicht, wurde mit zahlreichen Preisen belohnt und brachte die Sparte Animationsfilm auch Erwachsenen wieder näher. Dennoch Kukulas Bilanz gemischt aus: „Es hätte schöner sein können, die Ernte von zehn Jahren Arbeit einzufahren!“ Corona habe den Film viel zu früh aus den Kinos gefegt, jetzt bleibe nur ein digitales Weiterleben; die Festivaleinladungen rund um den Globus mussten für den Dresdner ebenfalls meist ausfallen.

Während des ersten Lockdowns im Frühjahr hatten Kevin und Toby Schmutzler einen Filmgedreht: Ihr „Lockdown Movie“ lief bei den Biberacher Filmfestspielen,  demnächst soll er auch in den USA zu sehen sein, berichtet der „Donaukurier“. 

 

Zum Jahresende zeigt das Dokfest München seine Filme noch einmal in ausgewählten bayerischen Kinos. In normalen Zeiten. In diesem Jahr findet die   „Dok-Tour Bayern“ an den nächsten drei Dezemberwochenenden, wie schon im Frühjahr das Festival selbst, online statt. Heute geht’s los.

Am Dienstag startete das Filmfest Cottbus mit einer digitalen Ausgabe. Bis Silvester ist das Programm online zu sehen. Die „Lausitzer Rundschau“ sieht das als „ein Trostpflaster, das wirklich hilft“: Der Stream könne zwar kein Live-Festival ersetzen, „aber es macht eine Menge Lust auf 2021 und hilft gerade zur Adventszeit ein bisschen über diese bescheidene Zeit.“ Und vielleicht werde es sogar „die neue Messlatte für ähnliche Formate.“ 

 

Helfer der Künstler. Auch „cinearte“ macht zurzeit Pause für diese Brancheninfos. Darum schreibt Christoph Brandl seine Doku-Kolumne „Das wahre Leben“ solange wieder hier:

Bei der täglichen Internet-Recherche, mit dem Ziel, sich zu informieren und weiterzubilden, Neues kennen zu lernen und auszuprobieren, stößt man auf das Vera List Center für Kunst und Politik. Das VLC ist eine gemeinnützige Forschungsorganisation und ein öffentliches Forum für Kunst, Kultur und Politik mit Sitz in New York. Mit öffentlichen Programmen und Kursen, Preisen und Stipendien, Veröffentlichungen und Ausstellungen, die einige der drängenden Themen unserer Zeit untersuchen, setzt sich das Zentrum für die Kunst als Ausdruck politischer Momente ein, aus denen sie hervorgeht, wobei die Schnittstelle zwischen Kunst und Politik der Raum ist, in dem das Center sich befindet. Künstliche Intelligenz, Kraft und Macht von „Bio“ an sich, die Symbolik des IS, der Rassismus und die Lügen der Weißen – es gibt einen Haufen Dinge, die genau in dieser Schnittstelle liegen. Die Forderung das VLC ist dabei so einfach wie deutlich: Es müssen neue Formen des bürgerschaftlichen Engagements entwickelt werden.
Ein geradezu rührendes Projekt, das das VLC mit Beginn von Corona gestartet hat, ist das „Covid-19 Resource Toolkit für Künstler und unsere erweiterten Gemeinschaften“. Es handelt sich dabei um eine Zusammenstellung von Ressourcen, die von virtuellen Programmen und Veranstaltungen bis hin zu Notfallzuschüssen und Finanzmitteln für Bedürftige in dieser Zeit reichen. In einer langen Liste führt das VLC Förderprogramme für Künstler auf, online Tanzveranstaltungen, online Lesungen von Texten, die in dieser Krise weltweit entstanden sind. Und auch ein umfassendes Film- und Videoprogramm findet sich auf der Liste. Unter dem Punkt: „Cabin Fever: Coping with Covid-19 Playlist of Online Experimental Films & Videos“ findet sich am oberen Seitenrand eine Aufzählung von Kategorien, die jeweils eine Stimmung beschreiben, in der sich der Lockdown-Leidende gerade befinden mag: Laugh & smile, Sing & dance, Meditative & calming, Cry, Scream & break stuff, Get outside, Virus movies!! Walking and wandering, Low-Tech and DIY! etc.
Zu diesen und nach vielen weiteren Kategorien findet man teils atemberaubende, teils kommerzielle, teils absurde Videos, die in den letzten 20, 30 Jahren entstanden sind. Und es ist eine unglaublich beruhigende Tätigkeit, sich durch Schnipsel von Bollywood-Filmen zu klicken, historische Arktisreisen zu begleiten oder sich schlicht an der Schönheit exotischer Natur zu erfreuen – bis es eben wieder möglich ist, selbst dorthin zu reisen …

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