Kooperativen für die Filmproduktion

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Ja, warum eigentlich? Vor dem Symposium hatten sich die Filmschaffenden ausführlich Gedanken gemacht, was sie sich vom Genossenschaftsmodell versprechen: Stichpunkte und Einstimmung für die Veranstaltung. | Foto © Christian Dosch.

Geht es um die Zukunft des Deutschen Kinos, ist bald nur noch von einem die Rede: Geld! Berufsverbände klagen über schlechte Bezahlung, Filmemacher suchen nach Investoren, Produzenten über zu knappe Budgets, Sender über den Rotstift der Politik, die Filmförderungsanstalt bangt um ihre Finanzierung. Immer mehr Filme wollen ins Kino (153 meldet die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) für 2018). Die wenigsten erreichen sechsstellige Zuschauerzahlen (45 meldet die Filmförderungsanstalt (FFA) für 2018).

Die meisten ringen um Fördertöpfe und Senderbeteiligung. Doch da setzt man erstmal auf Sicherheit. Das Fernsehen produziert Krimiserien nach Großstädten und Reisezielen. Die FFA will lieber einen höher budgetierten „Spitzenfilm“ fördern, der „die Erwartungen des Publikums erfüllt und wirtschaftlich erfolgreich sein kann.“ Wie soll da noch Wildes, Neues, Anderes entstehen? Das die Erwartungen des Publikums überrascht, andere Perspektiven eröffnet und das Kino weiterbringt. Und vielleicht trotzdem auch wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Oder wenigstens finanziert wird.

Filmemacher*innen proben schon längst eigene Möglichkeiten, um ihre Vorstellungen vors Publikum zu bringen, jenseits von Sendern und Förderern. No oder Low Budget, Crowd Funding, die Hilfe von Freunden und Kollegen machen es möglich. In Nordrhein-Westfalen gibt’s dann wiederum sogar ein Förderprogramm für solche Low-Budget-Filme … das ist sicherlich gut gemeint, sollte aber zu denken geben. Und bei aller Leidenschaft für die Sache: Wie lange lässt sich so arbeiten, wenn auch noch die Miete gezahlt werden soll?

Die Suche nach neuen Wegen war Thema beim Symposium „Film/Coop 2019“ Ende November in Halle. Und das stellte gleich im Titel eine vermeintliche Lösung zur Diskussion: „Genossenschaftsmodelle für die Filmbranche“. Die gibt es tatsächlich nicht. Wozu auch? Genossenschaften – das sind doch die putzigen Raiffeisen-Banken auf dem Land aus dem vorletzten Jahrhundert …

Tatsächlich ist die behäbige Unternehmensform zur Zeit der letzte Schrei. Für Solarparks, Dorfläden und Wohnungsbau, Handwerker oder Ärzte kombinieren ihre Dienstleistungen, soziale und kulturelle Einrichtungen werden so betrieben, sogar ein Programmkino. Selbst die Tageszeitung, kurz Taz, ist eine Genossenschaft. Nur der Filmbranche ist das Konzept fremd. Lediglich der Verleih Drop-out Cinema arbeitet in dieser Unternehmensform. Und die heißt kurz: Alle Genoss*innen sind Eigentümer*innen, jede*r hat eine Stimme, alle sind am Gewinn beteiligt.

Das sollte den Filmemachern doch gefallen. Nicht nur, weil Film Teamarbeit ist und über Sozialverträglichkeit diskutiert wird, sondern weil die Situation der Filmschaffenden nicht so viel anders ist als die der Bauern und Handwerker, die sich während der Industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhuderts in Genossenschaften vereinigten. Sie hatten die Kenntnisse, aber kaum Geld. Gemeinsam hatten sie mehr. Der vorsozialistische Traum mag dem traditionellen Unternehmergeist suspekt erscheinen. Doch Genossenschaften sind kein Ponyhof. Auch sie müssen wirtschaften – doch dabei geht es um das gemeinsame Unternehmen, nicht um schnellen Gewinn.

Was übrigens in der Finanzkrise nach 2008 offensichtlich wurde: Während Großbanken und Landesbanken umstürzten, kamen die Genossenschaftsinstitute mit ein paar Schrammen davon. Denn Genossenschaften haben strenge Regeln, und die überwacht auch noch ein Prüfungsverband. Ihr Zweck sei darauf gerichtet, „den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern“, beschreibt Paragraf 1 des Genossenschaftsgesetzes das „Wesen der Genossenschaft“.

Und damit läuft es gar nicht schlecht für die rund 7.500 Genossenschaften in Deutschland. Sie sind so gut wie nie von Insolvenzen betroffen, zeigte zuletzt 2015 die Wirtschaftsauskunftei Creditreform: 0 Prozent im ersten Halbjahr.

Der Traum von der Kooperative ist in Ansätzen ist auch in der Filmwelt zu erkennen, wenn sich Filmemacher für die Kunst zusammenschließen. Die Coop 99 in Österreich oder X-Filme in Deutschland sind berühmte Beispiele, die ein berühmteres Vorbild hatten: United Artists. Doch beide sind keine Genossenschaften, sondern GmbH. Und Gesellschafter sind auch ausschließlich Urheber und Heads of Departement, und damit so nah an einer wirklichen Kooperative wie die römische Adelsrepublik unserer Demokratie.

Fürs No Budget lohnt sich das Gedankenspiel: Wenn ich ohne Kohle einen Film drehen will, und eh alle für lau mitmachen müssen – warum machen wir’s dann nicht gleich zusammen? Das Urheberrecht ist darauf nicht vorbereitet, aber die Motivation wäre enorm.

Die Motivation war groß beim Symposium. Dass mit dem Thema ein Nerv getroffen wurde, zeigt sich schon auf den ersten Blick in Zahlen: Rund 30 Teilnehmer waren bis aus Berlin und München nach Halle gekommen – auf eigene Kosten plus Teilnahmegebühr und Unterkunft. Einsteiger und noch viel mehr erfahrene Filmschaffende aus unterschiedlichsten Gewerken, die sich Gedanken machen.

Die Moderatorin und Medienwissenschaftlerin Lisa Basten hatte die Teilnehmer vorab um ihre Vorstellungen, Fragen und Erwartungen gebeten. Die Antworten, eine sogar fünf Seiten lang, hingen in Stichworten an der Wand. Im Detail seien sie nicht verraten, denn es hängt womöglich die eine oder andere Geschäftsidee daran, und die Überlegungen gehen in die verschiedensten Richtungen: Verschiedene Gewerke innerhalb einer Abteilung, die ihre Leistungen quasi als fertiges Team gemeinsam anbieten. Ein Modell für Koproduktionen – womöglich auch mit Dienstleistern oder gar branchenfremden Firmen und Institutionen. Allen gemeinsam: die Suche nach neuen Wegen jenseits der klassischen Abhängigkeiten und Hierarchien, das Ideal einer fairen und sinnvollen Zusammenarbeit. Und ob Genossenschaften dafür geeignet sind.

Das war auch in der Ankündigung zum Symposium gefragt worden, das selbst eine längere Vorgeschichte hat. Im vorigen Jahr hatte Crew United die Verleihung der „Fair Film Awards“ während der Berlinale mit einer Podiumsdiskussion begleitet. Doch nicht um die Schwierigkeiten, mit denen die Branche tagtäglich zu kämpfen hat und selber kennt, sollten diskutiert werden, sondern Impulse und Lösungen aus anderen Ländern und Branchen – und ob die sich auch auf die Filmbranche übertragen lassen.

Auf dem Podium saß auch Alexander Thies als Vorstandsvorsitzender der Produzentenallianz. Veranstaltung und Thema begeisterten den Produzenten, der außerdem Vorstandsvorsitzender der International Academy of Media and Arts in Halle ist. „Sonst reden wir immer wieder über Tarif­fragen. Hier hieß es: Lass uns mal reden, wie wir Filme machen. Und wie das gehen soll.“ Gemeinsam entwickelte man die Gedanken weiter zum „Auftaktsymposium“ – genauer formuliert, ein „Pilot-Projekt“, denn so weit hatte noch niemand gefragt.

Die ungewöhnliche Verbindung ist auch Thies bewußt. Meist bewegen sich Produzenten und Filmschaffende in verschiedenen Veranstaltungs- und Themenwelten und begegnen sich allenfalls zum Schlagabtausch bei Podiumsdiskussionen. Dabei sitzen doch alle im selben Boot. Aus Produzentensicht ist das Szenario: die Zahl der mittelständischen Unternehmen nimmt ab, der Markt konzentriert sich. Dazu kommt Netflix und übernimmt die Rolle, die vorher die Fernsehsender hatten … „Man kommt vom Regen in die Traufe.“ Auch für die freien Produktionsfirmen kann es so wie bisher nicht weitergehen.

Das sehen wohl alle so: Vom „gemeinsam neue Wege suchen“ sprach Oliver Zenglein vom Mitveranstalter Crew United in seiner Begrüßung, vom „neue Wege finden“ Claas Danielsen, Geschäftsführer der Mitteldeutschen Medienförderung, die das Sympsium unterstützte.

Was alles möglich wäre und anderswo schon geht, schilderten vier Referenten in kompakten Vorträgen. Uwe Tier, Abteilungsleiter beim Genossenschaftsverband in Leipzig, erklärte das Prinzip (Selbsthilfe, Selbstverwaltung, Selbstverantwortung) und die Grundzüge der Genossenschaft. Und die ist nach seiner Darstellung die ideale Rechtsform: flexibel gestaltbar und einfach zu handhaben, haftungsbeschränkt, demokratisch, stabil und auch steuerlich von Vorteil.

Nachteile: Die Zulassung ist teurer als andere Betriebsformen, dazu kann die nötige Gründungsprüfung dauern, warnte Clemens Pompeÿ, der nächste Referent – das könne sogar ein Jahr dauern. „Mal schnell eine Genossenschaft gründen, das geht nicht.“ Es brauche „extrem“ viel Vorplanung.

Pompeÿ ist Genosse von The Impact Farm, ein „Data driven Company Builder“ – es geht um die Umsetzung von datengetriebenen Geschäftsmodellen. Und falls das immer noch unklar ist: hochkomplexes Programmierzeug, für das teure Spezialist*innen projektweise ihre Kräfte bündeln. Auch das geht als Genossenschaft.
Das Gegenteil hatte Pompeÿ im Silicon Valley kennengelernt. „Ich bin als Neoliberalist in die USA gekommen und bin als Sozialist zurückgekommen“, flachste er. „Die Mitarbeiter sind es, die die Leistung bringen“, warum nicht in einer Genossenschaft? Die Gesellschaftsform sei gut für Freelancer und ideal für Gründer, weil fair. Und nebenbei: Ausgerechnet das Kapitalparadies Lichtenstein habe für Neugründungen die Genossenschaft vorgeschrieben.

Aber in Deutschland sei sie viel teurer als andere Formen. Darum hat der Unternehmer noch ein weiteres Ziel: Die Gründung einer Genossenschaft darf nicht mehr kosten als andere Unternehmensformen – dafür wirbt er hier. Einen weiteren Vorteil habe die Unternehmensform für Gründer außerdem: Wenn ein Start-up auf den Mittelstand trifft, prallen zwei Welten prallen aufeinander. Aber: „Der Mittelstand kennt Genossenschaften. Das schafft Berechenbarkeit und Vertrauen.“

Eine andere Form der Kooperative stellte Magdalena Ziomek vor: SmartDE, eine Genossenschaft der Selbständigen, die von Verwaltung bis Absicherung zu Diensten ist (mehr dazu hier).

Ein Zukunftmodell ist die Genossenschaft für die vierte Referentin: Ela Kagel vom Supermarkt Berlin, ein „Hub“ für kooperative Wirtschaft, wo die Zukunft der Arbeit diskutiert wird. Das geht bis ins Grundsätzliche: Wie wollen wir zusammen leben?

Griffig stellt Kagel zwei Modelle gegeneinander: Egosystem vs. Ecosystem. Das erste ist das bestehende: zentralisiert, hierarchisch, an Zeitplänen orientiert, Innovationen passieren in der Innovationsabteilung, klassische Eigentümerstruktur, Hyper-Wettbewerb, ausgeben und wegwerfen … Das zweite malt ein idyllisches Bild. Von verteilter Arbeit, Orientierung im Hier und Jetzt, wo Innovationen überall passieren, vom gemeinsamen Eigentum und Hyper-Zusammenarbeit.

Das Egosystem gleicht einer Pyramide, das Ecosystem einem Knoten. In welchem finden sich Kulturunternehmen wohl eher wieder? „Es geht nicht nur um die Produkte, sondern auch um die Art der Unternehmensführung“, meint Kagel. Beispiele hat sie zuhauf. Junge Firmen und Alternativen zu Internetriesen, denen es um Fairness und Nachhaltigkeit geht. Für FairBnB etwa arbeiten lokale Verwaltung und Vermieter zusammen.

Das neue Wissen galt es am nächsten Tag selbst umzusetzen. Die Überlegung, die ihnen am wichtigsten ist, sollten die Teilnehmer*innen zusammenfassen. Nach drei Themenkomplexen sortiert, wurden sie in Gruppen zu ersten Entwürfen ausgearbeitet. Filmerkollektive, Filmhäuser, Kooperationen in der Region … all das könnte gehen in der Genossenschaft.

Inhaltlich war der Pilot ein Erfolg, und offenbar ist die erste Folge schon bestellt. Thies jedenfalls will mit der Academy das Thema weiterverfolgen. Im nächsten Jahr werde es wieder ein Symposium geben. „Mindestens!“

 

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