Quote erfüllt

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Gendergerechtigkeit ist schon seit 25 Jahren im Filmförderungsgesetz festgeschrieben. Erst jetzt wurde sie umgesetzt. Es brauchte wohl eine unmissverständliche Gebrauchsanleitung, wie sie erst der neue Gesetzestext liefert. | Grafik © cinearte

Gendergerechtigkeit ist schon seit 25 Jahren im Filmförderungsgesetz festgeschrieben. Erst jetzt wurde sie umgesetzt. Es brauchte wohl eine unmissverständliche Gebrauchsanleitung, wie sie erst der neue Gesetzestext liefert. | Grafik © cinearte

Deutschland hat ein neues Filmförderungsgesetz, und vielleicht wird jetzt vieles anders. Weniger in den grundlegenden Fragen, über Vieles wird weiter gestritten. Die Verbände und Institutionen, die im Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt das Gesetz in die Praxis umzusetzen, sind nun mal eine sehr bunt gemischte Truppe, die sich weiterhin um Sperrfristen, Beteiligungen und vielerlei mehr uneins ist.

Doch es geht nicht nur ums Geld: Erstmals werden im neuen FFG die Beschäftigungsbedingungen in der Branche erwähnt, und die Gleichberechtigung bei  der Besetzung der Gremien und Kommissionen ist endlich eindeutiger formuliert: Ab sofort sollen mindestens 30 Prozent der Mitglieder in den Verwaltungsgremien Frauen sein, ab dem kommenden Jahr sogar die Hälfte. Damit bezieht sich das FFG auf das Bundesgremienbesetzungsgesetz und geht sogar darüber hinaus. Denn eigentlich gilt das „Gesetz über die Mitwirkung des Bundes an der Besetzung von Gremien“ nur für Mitglieder, die der Bund bestimmen kann, erklärt ein Sprecher des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Auf die Besetzung der Förderkommissionen sei es darum gar nicht anwendbar, weil der Bund hierfür keine Mitglieder bestimmt.

Im neuen FFG, das seit Jahresbeginn in Kraft tritt, ist das Gremienbesetzungsgesetz aber für Verwaltungsrat, Vorstand und Präsidium  als Maßstab festgeschrieben worden. Für die Unterkommissionen, welche die Fördermittel in ihren jeweiligen Bereichen verteilen, gelten unterschiedliche Regelungen, doch auch hier weht der gleiche Geist durch den Text.  Den Praxistest gab’s gleich im Januar. Da wurde der Verwaltungsrat neu zusammengesetzt, und tatsächlich sind 13 der 36 Mitglieder Frauen – eine von dreien. Davor waren es 4 von 32 – eine von acht. Bei den Stellvertretern kommen die Frauen zwar nur auf 11 von 36, insgesamt wird die Vorgabe aber erreicht.

Ganz einfach war es anscheinend nicht: Ende März war ein Sitz des Bundesverbands Audiovisuelle Medien noch nicht namentlich besetzt, der Verband wollte sich auf Nachfrage nicht dazu äußern. Der Platz mußte aber, um dem Gesetz zu folgen, mit einer Frau besetzt werden, wie das auch inzwischen geschehen ist: Neben dem Geschäftsführenden Vorstand Joachim A. Birr vertritt nun Dorothee Bär die Interessen der deutschen Video-Programmanbieter in der FFA. Nicht ungewöhnlich, dennoch erwähnenswert: Bär ist außerdem Bundestagsabgeordnete der CSU und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur.

Abgesehen von diesem möglichen Interessenskonflikt scheint somit damit alles im grünen Bereich, man darf die FFA loben. Man darf sie freilich auch fragen: Warum nicht gleich so?

Als 1992 nämlich erstmals die Geschlechtergleichheit ins Filmförderungsgesetz hineinergänzt wurde, war das schon recht deutlich: „Frauen sind bei der Wahl, Benennung und Berufung von Mitgliedern des Verwaltungsrates angemessen zu berücksichtigen.“

Zwölf Jahre später wurde zwar die Sprache im Gesetzestext neutralisiert (aus dem „Vorsitzenden“ der „Vorsitz“, aus dem „Stellvertreter“ die „Stellvertretung“) und auch für die Kommissionen ein Frauenanteil vorgeschrieben, der alte Befehl aber war zum Wunsch relativiert worden: „Frauen sollen bei der Wahl und Benennung von Mitgliedern des Verwaltungsrates angemessen berücksichtigt werden.“ Dennoch: Ziel und Absicht waren nicht misszuverstehen. Ab 2009 wurde auch das Bundesgremienbesetzungsgesetz als Richtlinie angeführt.

Warum der Frauenanteil im Verwaltungsrat nun plötzlich von einem Achtel auf ein Drittel hochschnellt, ist erfreulich, aber ein Rätsel. Zugegeben: die neue Formulierung ist eindeutiger. Für 25 der 36 Positionen im Verwaltungsrat (und gleich viele Stellvertretungen) müssen „mindestens eine Frau und jeweils mindestens ein Mann benannt werden“, und für deren Besetzung gelte das Bundesgremienbesetzungsgesetz, wo es nicht ohnehin schon „unmittelbar anzuwenden ist“. Aber es ist schwer vorstellbar, dass eine Institution und ihre Mitglieder, die alljährlich über Geldbeträge in zweistelliger Millionenhöhe entscheiden, erst eine solche Erklärung brauchen, um zu verstehen, was mit „angemessen beteiligen“ gemeint ist.

Zumal das Gremienbesetzungsgesetz immer noch keine direkten Auswirkungen hat: Die Quote im Gesetz sei „eine Zielbestimmung und keine Festlegung eines Mindestanteils von Frauen und Männern“, erklärt der Sprecher des Familienministeriums. Wer das nicht einhält, muss das dem Ministerium begründen, muss aber keine Konsequenzen fürchten. Und „die Beschlüsse und Entscheidungen solcher Gremien bleiben aus Gründen der Rechtssicherheit wirksam.“

Einzig schlüssige Erklärung für den plötzlichen Sinneswandel unter den Institutionen in der FFA: Die Quote wird beachtet, weil das Thema in der öffentlichen Diskussion ist. Eine Lehre, die sich auch auf andere Bereiche anwenden lässt.

Die FFA hat nämlich ab diesem Jahr eine weitere Pflicht auferlegt bekommen und nun „darauf hinzuwirken, daß in der Filmwirtschaft eingesetztes Personal zu sozialverträglichen Bedingungen beschäftigt wird.“ Die FFA hat das auch in ein Merkblatt zu den wesent­lichen Änderungen im neuen Filmförderungsgesetz [PDF] aufgenommen. Produktionen müssen nun die FFA über die Beschäftigungsbedingungen ­informieren.

Laut FFG werden diese Informationen im jährlichen Förderbericht veröffentlicht. Auswirkungen auf Förderzusagen hat dies allerdings nicht, erklärte FFA-Pressesprecher Thomas Schulz auf Nachfrage. „Im FFG 2017 sind keine Konsequenzen/Folgen vorgesehen, die an die zu machenden konkreten Angaben anknüpfen.“

 

 

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