Intendantenwechsel bei Filmplus

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Die neue alte Leitung bei Filmplus: Kyra Scheurer (von links)?ist fast von Anfang an dabei, Jenny Krüger (rechts) verantwortet schon seit drei Jahrne die Organisation. Auch Dietmar Kraus (Mitte) ist kein wirklicher Neuling; der Editor war lange begeisterter Besucher und ist im Vorstand seines Berufsverbands.

Die neue alte Leitung bei Filmplus: Kyra Scheurer (von links)?ist fast von Anfang an dabei, Jenny Krüger (rechts) verantwortet schon seit drei Jahrne die Organisation. Auch Dietmar Kraus (Mitte) ist kein wirklicher Neuling; der Editor war lange begeisterter Besucher und ist im Vorstand seines Berufsverbands. | Foto © Filmplus

Das Konzept ist einzigartig: Bei Filmplus stehen drei Tage lang die Editoren im Mittelpunkt. Seit diesem Jahr steht das Festival für Filmschnitt und Montagekunst unter neuer Leitung.

Frau Scheurer, Herr Kraus, dieses Jahr tritt Filmplus mit einem neuen Team an. Wird nun alles anders beim Festival für die Kunst der Filmmontage?

Kyra Scheurer: Ganz so dramatisch ist der Wechsel nicht. Nikolaj Nikitin und Oliver Baumgarten hatten Filmplus 2001 gegründet. Sie haben sich Ende 2016 zurückgezogen, um sich anderen Projekten zu widmen. Somit gibt es ein neues Gesellschafter-Trio, doch Jenny Krüger ist bereits seit drei Jahren für die Organisation verantwortlich; ich selbst bin seit 2003 bei Filmplus dabei, seit 2009 als künstlerische Leiterin. Ganz neu ist lediglich Dietmar Kraus als dritter Gesellschafter und Nachfolger von Oliver Baumgarten als künstlerischer Leiter des Spielfilmwettbewerbs. Als Filmeditor kennt er sich bestens mit den Themen des Berufsstandes aus. Auch unsere weiteren Mitarbeiter Werner Busch und Pascal Maslon sind schon seit einigen Jahren dabei. Und schließlich haben wir ja seit den frühen Stunden von Filmplus vier Partner, die uns nicht nur als Preisstifter weiterhin unterstützen: die Film- und Medienstiftung NRW, das Kulturwerk der VG Bild Kunst, das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Köln. Man kann hier also ruhig von Kontinuität sprechen.

Dietmar Kraus: Ich habe Filmplus seit 2007 als begeisterter Besucher miterlebt. Es war für mich immer so eine kostbare Insel in Köln, wo dreieinhalb Tage lang wir Editoren im Mittelpunkt stehen. Europaweit ist es die einzige Veranstaltung, die sich so intensiv der Filmmontage widmet und zudem hochkarätige Preise für den Schnitt verleiht.

Sie haben Anfang des Jahres eine Umfrage gestartet, was gut ist an Filmplus und was besser werden könnte. Was kam dabei herausgekommen?

Dietmar Kraus: Die Zufriedenheit ist groß. Wir hatten für eine Veranstaltung unserer Größe und Spezialisierung viele Antworten erhalten, und die vielen positiven Reaktionen haben uns darin bestätigt, dass wir keine radikale Neuausrichtung des Festivals anstreben. Wir wollen uns mit jedem Jahr weiterentwickeln, aber Filmplus wird in seiner Grundkonzeption kein anderes Festival werden. Es geht uns darum, auf den bereits bestehenden Stärken aufzubauen.

Kyra Scheurer: Dieses Jahr wird meine 15. Veranstaltung; seit Jahren präge ich das Programm maßgeblich mit. Ich freue mich, gemeinsam neue Impulse zu geben. Es hätte uns aber schlicht überfordert, alle neuen Ideen gleich im ersten Jahr umsetzen zu wollen. Erst mal war es wichtig, die gute Vertrauensebene zu unseren Partnern und Sponsoren zu erhalten und ihnen zu zeigen, dass alles verlässlich weiterläuft.

Es gibt also keine dramatischen Änderungen?

Kyra Scheurer: Es wird sicherlich kleine Änderungen geben, aber das ist eher wie im Theater bei einem Indendantenwechsel: Die eigentlichen Veränderungen werden erst gut ein Jahr nach Bekanntgabe eines Führungswechsels sichtbar, man braucht einfach Vorbereitungszeit für die eigenen Akzente – und in den Ideen, die wir drei haben, hat uns schöner Weise auch indirekt die Evaluation bestätigt.

Wollen Sie von diesen Zukunftsideen schon etwas verraten?

Kyra Scheurer: Zum einen wollen wir den Bereich Weiterbildung ausbauen. Wir bieten bereits seit drei Jahren mit Doxs! die Schulvorführungen „Schüler auf Montage“ an. Und mit der Internationalen Filmschule Köln (IFS) laden wir quartalsweise zu IFS-Begegnungen mit Editoren ein, die über ihre neuen Arbeiten sprechen. Filmplus selbst würden wir gerne ab 2018 mit Workshops im Umfeld des Festivals ergänzen.

Dietmar Kraus: Zum anderen wollen wir unseren internationalen Programmteil noch ausbauen. Wir haben ja schon seit einiger Zeit jedes Jahr ein Gastland; im vorigen Jahr war das Frankreich. Seit vorigem Jahr gibt es ergänzend dazu auch ein internationales Panel. Wir können uns da für die kommenden Jahre noch mehr vorstellen. Es darf allerdings den Rahmen der bestehenden Filmplus-Strukturen nicht sprengen.

Wird es dazu einen weiteren Preis geben?

Kyra Scheurer: Nein, erst mal ist das nicht geplant. Natürlich träumen wir von einer Veranstaltung über die Grenzen hinweg, gar für ganz Europa. Es gibt bereits jetzt einen internationalen Runden Tisch, mit Delegierten von Verbänden verschiedenster europäischer Länder, die sich jährlich unter unserer Moderation während Filmplus treffen und beraten. Aber für einen europäischen Schnittpreis fehlen noch die personellen und finanziellen Voraussetzungen. Das kann höchstens eine langfristige Perspektive sein.

Wie haben Sie die Arbeit aufgeteilt?

Kyra Scheurer: Jenny verantwortet weiterhin die Organisation, ist unsere Vertreterin in filmpolitischen Kölner Initiativen wie Kino Aktiv oder den Kölner Kinonächten und ist vor allem seit diesem Jahr die neue Geschäftsführerin. Dietmar kuratiert den Spielfilmwettbewerb und das internationale Panel und koordiniert die Zusammenarbeit mit der Berufsvereinigung Filmton, die Filmplus mit einem Panel zur Tongestaltung bereichert. Werner Busch ist Kurator der Hommage-Reihe und betreut den internationalen Gastland-Abend. Ich verantworte den Dokumentar- und den Kurzfilmwettbewerb und kuratiere den jährlichen Themenschwerpunkt. Außerdem koordiniere ich die Zusammenarbeit mit Docx! und das Branchenspeeddating. Gemeinsam übernimmt das Führungsteam aus Dietmar, Jenny und mir noch allgemeine Aufgaben der künstlerischen bzw. organisatorischen Leitung, also die Kontaktpflege zu unseren Partnern und Förderern, die Schnittstellen und Supervision von Aspekten wie Grafik und Pressearbeit, die Akquise möglicher neuer Verbündeter, die Zusammenarbeit mit Filmhochschulen und natürlich die Entwicklung von inhaltlichen Perspektiven und Programmneuerungen.

Wie wählen Sie die Wettbewerbsfilme aus?

Dietmar Kraus: Das Nominierungsverfahren ist dreistufig: Als erstes reichen Editoren, Verleiher, Produzenten oder Regisseure ihre Filme ein. Das waren in diesem Jahr etwa 50 pro Langfilmsektion. Bei den Kurzfilmen hatten wir dieses Jahr etwa 120 gültige Einreichungen. Das sind ähnlich viele auswahlfähige Filme wie in den letzten Jahren; es gab aber deutlich weniger Einreichungen, die nicht unseren Regularien entsprechen. Das haben wir einer kleinen Neuerung zu verdanken: Wir haben eine eher symbolische Anmeldegebühr von acht Euro eingeführt. Offenbar werden nun die Regularien aufmerksamer gelesen!
Die zweite Auswahlstufe erfolgt dann im Filmplus-Leitungsteam, das heißt, wir wählen jeweils 15 Filme pro Sektion für die Vorjury aus. Die besteht aus versierten Kinoeditoren und nominiert für jede Sektion jeweils fünf Filme. Alle werden bei Filmplus gezeigt, einschließlich Filmgespräch mit den Nominierten. Dann entscheidet die gewerkübergreifend zusammengesetzte Hauptjury die Preisträger.

Wie ist die Sichtung, wenn man selbst das Metier betreibt?

Dietmar Kraus: Das war tatsächlich für mich eine brenzlige neue Erfahrung, denn ich musste bei der Vorauswahl ja ein Urteil fällen über Filme von teils sehr renommierten Kollegen, die ich seit langem schätze. Und dazu gab es dann gerade in diesem Jahr auch viele tolle Arbeiten von jüngeren Editoren zu entdecken.

Kyra Scheurer: Die Sichtungen sind natürlich auch anstrengend, und es ist oft schwierig, aus der Fülle der eingereichten Langfilme wirklich nur 15 auszuwählen. Dafür ist in diesem Jahr eine wunderbare Bandbreite verschiedenster Filme, aber auch Montagestile in unseren Wettbewerben zu finden.

Dietmar Kraus: Wir haben unter den Nominierungen tolle Filme von Frauen …

Das ist bei der Filmmontage aber keine große Überraschung.

Dietmar Kraus: Bei der Montage vielleicht, aber ich meinte die Regie, und da ist es leider immer noch ungewöhnlich. Das war kein Auswahlkriterium, wir haben das erst nach dem Nominierungsprozess festgestellt: Es gibt unter den Wettbewerbsfilmen in diesem Jahr viele Beiträge, wo nicht nur die Montage, sondern auch die Regie weiblich besetzt ist – bei jeweils drei der fünf Dokumentar- und Spielfilme … Dass dieses ein besonders starker Jahrgang für Regisseurinnen ist, hat ja schon der „Deutsche Filmpreis“ gezeigt. Da freut sich die Initiative Pro Quote Regie. Mal sehen, ob das wirklich eine Trendwende ist oder ein Ausnahmejahr bleibt.

Filmplus vergibt auch Ehrenpreis fürs Lebenswerk; da könnte man auch über die Quote diskutieren: Unter den bisherigen 15 Preisträgern sind nur drei Männer.

Dietmar Kraus: Der Filmschnitt war in Deutschland tatsächlich lange Zeit ein „Frauenberuf“. Erst die Digitalisierung hat das verändert: Inzwischen ist das Verhältnis der Mitglieder im Bundesverband Filmschnitt etwa 45 Prozent Männer und 55 Prozent Frauen. In den USA gab es schon viel früher ein anderes Geschlechterverhältnis, vielleicht auch, weil der Beruf dort ein höheres Ansehen genießt. Der „Oscar“ für den besten Schnitt ging seit seinem Bestehen vornehmlich an Männer …

… 97 Männer wurden in der Kategorie bislang ausgezeichnet, nur 13 „Oscars“ gingen an Frauen, drei davon allein an Thelma Schoonmaker, die Stammeditorin von Martin Scorsese.

Dietmar Kraus: Das ist ziemlich bedrückend. Beim „Deutschen Filmpreis“ für den besten Schnitt sieht es besser aus; da ist das Verhältnis etwa 50:50. Was aber auch nicht das historische Ungleichgewicht in Deutschland widerspiegelt: Wer hat hierzulande den Filmschnitt geprägt? Das waren nun mal vor allem Frauen. Über die Jahre wird sich aber das Verhältnis unserer Ehrenpreisträger ganz von selbst ändern.

Wird’s in diesem Jahr demnach wieder eine Frau?

Kyra Scheurer: Ja, Inge Schneider, eine für den deutschen Kinodokumentarfilm ganz prägende, besonders in der Montage von Charakterporträts sehr sensible Editorin. Sie ist in der DDR aufgewachsen und hat in Babelsberg Filmschnitt studiert, arbeitete dann seit Anfang der 1980er-Jahre als Editorin an der DFFB in Westberlin, kennt also beide Systeme und deren Montageausbildungen. 2004 hat sie für Die Spielwütigen unseren ersten Schnitt-Preis Dokumentarfilm gewonnen und verkörpert ideal, worum es uns mit unserer Hommage geht: den Kontakt zwischen den Generationen. Filmplus läuft vom 13. bis 16. Oktober in Köln.

1 Kommentar
  1. Laura sagte:

    Danke für dieses stets interessante Blog! Da mich das Thema Filmproduktion sehr interessiert und ich selbst beruflich auch einmal in diese Richtung gehen möchte, lese ich es immer sehr gerne 🙂

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