Schwerer Stand

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Der neue Vorstand für die nächsten drei Jahre (von links): Philipp Geigel, Alexander Palm, Max Zaher, Johannes Kirchlechner (der als ­Präsident bestätigt wurde), Christoph Chassée, Robert Berghoff und Martin Bethge. | Foto © Berufsverband Kinematografie

Der Berufsverband Kinematografie hat einen neuen Vorstand. Die Besetzung spiegelt auch die Realitäten im Arbeitsfeld wider. Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer Dr. Michael Neubauer.

Herzlichen Glückwunsch! Der BVK hat einen neuen Vorstand: sieben Männer, kurz vor 50 und darüber. Ist das ein Signal fürs neue Jahrtausend?
Wichtig ist erstmal, dass ein Verband einen Vorstand hat. Den kann man sich nicht schnitzen – die Mitglieder müssen sich zur Wahl stellen. Und wir sind froh, daß der BVK wieder mehr Kandidaten hatte als Vorstandssitze.

Dennoch wirkt der neue Vorstand etwas anachronistisch – im letzten saß wenigstens eine Frau.
Sogar zwölf Jahre lang. Leider fand sich dieses Mal keine Kandidatin. Und wir haben aktiv gesucht.

Generell scheinen Frauen in der Kamera­abteilung schwerer Fuß zu fassen als in anderen Filmgewerken.
Die Abteilung Kamera war, wegen der Technik und weil das Equipment früher schwer war, traditionell ein Männerberuf. Das ist zwar Denken aus der Steinzeit, die bekanntlich vorbei ist, aber es hängt uns nach: Im Berufsverband Kinematografie gibt es etwa 300 DoP, nur 18 davon sind Frauen. Bei den Assistentinnen ist das Verhältnis schon besser. Wir hoffen natürlich sehr, dass im nächsten Vorstand wieder eine Kollegin mitarbeitet.

Warum ist das so? Bei der Regie wird zur Zeit über eine Quote diskutiert. Bei den Schauspielern wird gefordert, Rollen so zu besetzen, daß sie die tatsächlichen Zahlenverhältnisse der Geschlechter widerspiegeln…
Diskutiert wird immer Vieles. Ist ja auch gut so. Aber es gibt auch die Realität: Frauen haben es in unserem Berufsfeld schwer. Außer bei Regie, Maske, Kostüm und Schnitt sind Frauen schwach vertreten. Schauspieler lasse ich mal außen vor. Filmarbeit hat eine asoziale Komponente: Die Auskopplung aus der sozialen Welt ist immens: In der Drehzeit ist man völlig verschwunden – keine Zeit für Partnerschaft, für Kinder, man ist unterwegs … gerade für Frauen ist dieser Beruf äußerst entscheidungsbedürftig, wo ein Mann sich vielleicht nicht so grundsätzliche Gedanken macht. Das zeigt sich leider auch darin, daß viele Kamera­frauen keine Kinder haben.
Im Fernsehstudio oder der Elektronischen Berichterstattung ist die Situation sicherlich anders: Da gibt es Dienstpläne mit überschaubaren Einsatzzeiten. Aber beim Film haben es Frauen aufgrund des Zeitnotstands in der Produktionsphase besonders schwer, wenn es Kinder oder Sozialbeziehungen gibt. Männer sind da vielleicht etwas rücksichtsloser? Die Trennungsquote im Bereich Film ist absolut abenteuerlich.

Regisseurinnen sind doch genauso lange am Set – oder Editorinnen im Schneideraum …
Im hoffentlichen Normalfall stellt denen ein neues Projekt nicht den gesamten Alltag auf den Kopf. Dann hat die Editorin einigermaßen planbare Arbeitszeiten, und der Schneideraum liegt nicht am anderen Ende der Republik. Regisseurinnen sind während des Drehs natürlich auch weg, was auch nicht einfach ist. Doch ein großer Teil ihrer Arbeit findet eben außerhalb der eigentlichen Drehphase statt.
Dazu kommt noch ein sozialrechtlicher Aspekt: Wir sehen, daß Filmschaffende am Set, sobald sie schwanger sind, regelmäßig durch alle Raster fallen. Häufig wird seitens der Mediziner ein Arbeitsverbot ausgesprochen, weil die Schwangere und ihr Kind vor den überlangen Tagen und den heftigen physischen Anstrengungen geschützt werden sollen. Wenn eine Kameraassistentin ehrlich sagt, wie sie arbeitet, bekommt sie mit Sicherheit ein solches Arbeitsverbot – spätestens nach dem fünften Monat. Das Mutterschaftsgeld wird aber nach den Einkünften des letzen halben Jahres berechnet – in dem dann aber großteils nicht gearbeitet werden durfte.
Anschließend gibt es dann auch kein Arbeitslosengeld, weil auch da die Bemessungsgrund­lage bekanntlich so schon schwer zu erfüllen ist: 360 sozialversicherungspflichtige Tage in zwei Jahren, das schaffen die meisten auch ohne Schwangerschaft kaum. Soviel zur Attraktivität des Kinderkriegens in der deutschen Kinematografie.

Was schlagen Sie vor?
Für einen Beruf, der Frauen so fordert, daß sie ihn schwanger nicht ausüben können, eine Pauschale in sozialversicherungspflichtigen Tagen im Falle der Schwangerschaft. Das würde schon helfen. Darüber hatten wir vor Jahren einen regen Briefwechsel mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter Frau von der Leyen.

Und die Antwort?
Es sei nach dem Sozialgesetzbuch alles bestens geregelt! Mein persönliches Fazit: Man liest Eingaben nicht mit Verstand, und bei der Antwort schaltet man ihn auch nicht ein.

1 Kommentar
  1. Birgit Bebe Dierken sagte:

    Sehr geehrter Herr Hartig,

    der BVK hat sich sehr darum bemüht eine Kamerafrau im Vorstand zu haben.Ich bin diesbezüglich mehrfach angesprochen worden ( und meine Kolleginnen bestimmt auch) Hätte mit meinen kurz vor 50 auch altersmäßig sicherlich gut ins Foto gepasst 🙂 , habe mich aber aus mehreren Gründen gegen eine Aufstellung entschieden.
    Ich persönlich fühle mich vom neuen Vorstand gut vertreten .Die meißten Herren kenne ich seit vielen Jahren und schätze Sie sehr.
    Trotzdem bedanke ich mich dafür das Sie `Uns`nicht vergessen haben , aber in diesem Fall sind wir ausnahmsweise selber dafür verantwortlich !
    Mit freundlichen Grüßen
    Birgit Dierken

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