Was ist Kunst wert? Sven Regener und das Urheberrecht

„Kopieren ist nicht stehlen“ lautet die bunte und fröhliche Hymne der freien Kultur im Netz. Und weil wir das ernst nehmen, gibt’s auch keinen Copyright-Hinweis zum Standbild, das wir mal eben kopiert haben.

Das passiert ja auch nicht oft, daß ein Radiomoderator sprachlos ist. Auf Bayern 2 wollte Erich Renz eigentlich nur ein knackiges Statement zum Urheberreicht einholen. Da war er bei Sven Regener aber an den Falschen geraten. Oder hatte einfach nur den falschen Moment erwischt. Oder besser den richtigen: Der Sänger der Band Element of Crime (und Autor der verfilmten Bücher „Herr Lehmann“ und „Neue Vahr Süd“) hob stattdessen zu einer mehr als fünf Minuten langen Philippika an, der man ruhig mal zuhören sollte.

Ich fand’s jedenfalls klasse. Nicht nur wegen der Ansichten, die Regner als einer äußert, dessen Existenz letztlich davon abhängt, daß seine Leistungen und Rechte als Urheber respektiert werden. Sondern weil er es wunderbar auf den Punkt bringt: „Eine Gesellschaft, die so mit ihren Künstlern umgeht, ist nichts wert.“

Über Respekt habe ich neulich geschrieben. Und dass er fehlt, zeigt sich eben nicht nur da, wo böse Produzenten ihre Belegschaft ausbeuten, sondern auch am anderen Ende der Verwertungskette, wo Leute meinen, das Netz sei ein Selbstbedienungsladen ohne Kasse. Auf dem Thema möchte ich eigentlich gar nicht weiter herumreiten. Erstens habe ich das hier ja schon einige Male versucht, zweitens wirkt man ja, wie auch Regener anmerkt, leicht uncool, wenn man aufs Urheberrecht pocht. Und drittens sind Wiederholungen langweilig. Also schaut das Video an, genießt es oder regt euch auf. Punkt.

Wer sich freilich noch ein bißchen mit mir gemeinsam aufregen möchte, kann ja hier weiterlesen:

Denn andererseits kann man von dem Thema wohl nie genug bekommen, wie die Reaktionen auf den Radiobeitrag zeigen. Und dass man damit sogar prima bei Wahlen punkten kann, wenn man das Urheberrecht cool angeht, hatte im vorigen September die Piraten-Partei gezeigt, als sie das Berliner Abgeordnetenhaus enterte – mit wenig mehr, als das Thema „Internet“ hergibt, das allerdings kräftig aufgeblasen um Datenschutz, Bürgerrechte, Mitmachdemokratie und freien Zugang zu Kultur und Wissen. Wobei man sich letzteres so vorstellt, dass das Urheberrecht sich mal locker machen soll, weil es sowas wie geistiges Eigentum eh nicht gebe und das alles nur ein Trick der Verwertungsindustrie sei.

Na sowas! Datenschutz, Bürgerrechte und Mitmachdemokratie waren doch bislang Sache einer anderen Partei? Da durfte man sich bei den Grünen schon mal Sorgen machen, dass man vielleicht einen Anschluss verpasst: Weil sich hier offensichtlich eine politische Marktlücke auftut, voller Wähler, die sich für die klassischen grünen Themen begeistern. Also kam es, dass ein Teil der Grünen, beeindruckt vom Erfolg der neuen Protestpartei, die besseren Piraten sein wollten und zur 33. Ordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen ein „Netzpolitischer Leitantrag“ vorlag, der schon vorher für begründete Aufregung sorgte.

Der Versuch ging dann doch ein bisschen anders aus, weil bei den Grünen auch Leute sitzen, die ein bisschen andere Ansichten zum Urheberrecht haben. Und was dann vorläufig beschlossen wurde, war 16 Seiten lang und größtenteils gar nicht so schlecht. Was aber nur ich meine und viele andere nicht. Und dann wurde es mir langsam zu blöd: Weil offenbar sich niemand mit dem Thema der grenzenlosen Möglichkeiten alles und überall zu kopieren wirklich auseinandersetzen will, sondern nur das schön redet, was man tut: „Wir wollen aber nun mal kopieren, also darf das nicht schlecht sein.“ Also sagt man, die Industrie sei schuld oder die Zeiten seien halt so, und wer das nicht begreift, habe einfach keine Ahnung. Darüber kann man schlecht diskutieren. Also habe ich den Blogbeitrag, den ich damals dazu geschrieben hatte, nicht veröffentlicht.

Jetzt schreibe ich doch noch mal darüber, weil die Reaktion auf Regeners zornige Rede prompt kam und auf die übliche Weise und mit den immergleichen Argumenten, die nicht wirklich welche sind. Als da wären:

 

Die Welt hat sich geändert und ist heute digital, nicht mehr analog. Wer den Unterschied nicht begriffen hat, ist ein Dinosaurier. Das ist ein tolles Totschlagargument, da braucht man auch gar nicht mehr auf das einzugehen, was so ein Dinosaurier zu sagen hat, sondern schwurbelt einfach daher, was die eigenen Anhänger so freut, wie das der Sprecher der Piraten tut, der an der gleichen Stelle wie Regener auf der Website zu Wort kommt.

Vermutlich bin ich auch ein Dinosaurier, weil ich nur wenig jünger bin als der Sänger. Andererseits habe ich den Unterschied zwischen digital und analog ziemlich gut begriffen, und kann Piraten, Bloggern und anderen Revolutionären mit höherem Coolness-Faktor versichern: Die Welt ist nicht digital, sondern analog. Das merkt man, wenn man mal für ein paar Stunden den Laptop zuklappt, das iPhone abschaltet und aus der Tür geht. Trinkt ein Bier oder einen einen Latte Macchiato mit viel Haselnusssirup, spaziert durch den Park, geht ins Kino, schaut euch einen Sonnenaufgang an oder habt meinetwegen Sex. Das Meiste geht auch digital, ist aber irgendwie nicht das selbe. Und für beide Welten gelten die gleichen Regeln: Seid nett zueinander und lasst die Finger von Sachen, die euch nicht gehören.

Auf so putzige Gedanken kann man vielleicht nur kommen, wenn man ein Dinosaurier ist. Wenn das Alter aber ein Argument sein soll, will ich wenigstens darauf hinweisen, dass wir Dinosaurier schon mit knarzenden Modems durchs frühe Internet gerumpelt sind, als die coolen Piraten von heute noch analoge Panini-Bildchen getauscht haben.

 

Durch die Digitalisierung haben sich die Produktionsmittel und Vertriebswege demokratisiert. Das finde ich auch prima. Aber glaubt doch nicht, daß früher alles schlechter war. Es gab schon ein Leben vor dem Internet, und das war auch schon ziemlich demokratisch, nur halt analog. Musiktausch und Bootlegs gab’s auch damals, es gab Indie-Labels und Plattenläden samt Leuten darin, die Ahnung hatten. Die Rock Family Trees zum Beispiel gab es schon vor 30 Jahren, und die sind ziemlich cool. Heute gibt es sie auch im Internet als eine Art elektronische Faksimile der alten Drucke. Sinnigerweise hat die Netzkultur bis heute keine eigene Variante davon entwickelt, die die neuen technischen Möglichkeiten nutzt.

Bloß, auch wenn es toll klingt, mit Demokratie hat all das weniger zu tun, sondern mit Technik. Was sich verändert hat, ist die Möglichkeit, jederzeit und ohne Aufwand größtmögliche Mengen an Musik und Filmen zu kopieren. Die Kopiererei war auch früher nicht schön, hielt sich aber in Grenzen, die die analoge Realität zog: Erstens mußte man jemanden finden, bei dem man kopieren konnte, zweitens kosteten Musikcassetten Geld, drittens mußte man fürs Kopien einen leichten Qualitätsverlust in Kauf nehmen. Wenigstens konnte man, wenn man einen Gedanken daran verschwendete, sein Gewissen etwas damit beruhigen, dass ja für jede Leerkassette eine Art symbolischer Entschädigung an die Verwertungsgesellschaften und die Künstler gezahlt wurde.

„Genau!“ rufen da die Kopierer von heute, das tun wir ja auch. Genau, bloß passt auf eine Festplatte von heute wesentlich mehr als auf eine Kassette von damals, und wenn man danach die Abgabe berechnen würde, gäbe es ein ziemliches Geschrei.

 

Es ist doch nicht unsere Schuld, wenn die Industrie sich kein vernünftiges Bezahlsystem ausdenkt. Als gäbe es keinen iTunes-Store oder Online-Videotheken. Klar muss da noch vieles anders werden, aber was soll mit dem Argument eigentlich gerechtfertigt werden? Ich komme einfach nicht drauf … Und so lange muss ich einfach akzeptieren, dass die Industrie vielleicht einfach nichts verkaufen möchte, was zwar dumm wäre, aber ihr gutes Recht, nicht aber mein Recht, dieses Recht in die eigenen Hände zu nehmen. Vielleicht habe ich aber nur etwas grundlegend falsch verstanden, weil ich mich geistig in der falschen Welt bewege. Für die digitale Bohème gelten andere Regeln. Nämlich:

 

Kopieren ist kein Diebstahl. Das ist das tollste Argument von allen: Wer klaut, nimmt einem anderen etwas weg, und der steht dann mit leeren Händen da. Der moderne Pirat aber kopiert. Da hat der andere sein Original noch, nur ist es jetzt doppelt da. Wer kopiert, tut also sogar Gutes für die Welt.

Darüber kann man sich freuen, hat den Unterschied zwischen digital und analog aber nicht begriffen – beziehungsweise, dass es keinen Unterschied gibt. Wenn ich mir in der analogen Welt ein Buch kaufe oder eine Schallplatte, bezahle ich nicht für das Trägermaterial. Was will ich auch mit einem Stapel Papier, der noch dazu auf beiden Seiten bedruckt ist? Oder mit einem Klumpen Vinyl, den jemand zu einer Scheibe gepreßt hat? Ich bezahle für eine Geschichte, die ich lese, oder für Lieder, die ich hören will (weshalb auch bei Neuerscheinungen zehn bis zwölf Lieder auf CD mehr kosten als ein Film auf DVD, obwohl die Hülle kleiner ist). In der digitalen Welt entfallen Papier und Plastik, was mich freut, weil ich nun weniger Platz im Regal brauche. Das, wofür ich zahle, bleibt aber dasselbe. Und ich bezahle das, weil ich die Arbeit des Künstlers respektiere und möchte, dass er noch mehr davon produziert, was er aber nur kann, wenn er nicht Pizza ausliefern muss, um seine Miete zu bezahlen, weil seine Werke ja zum Wohl der Welt an ihm vorbei vervielfältigt werden.

Denn wer jetzt richtig aufpasste, hat längst begriffen, dass die Sache mit dem Vervielfältigen das eigentliche Geschäft ist. Der Musiker, der ein Lied komponiert, um es zu verkaufen, verkauft ja gar nicht das Lied, sondern gibt auch nur eine Kopie weiter – ob nun als Schallplattenrille oder als Internetstream. Das Lied hat er ja trotzdem noch. Mit der Kopie verdient er sein Geld. Wenn nun ein Pirat Kopien dieses Lieds weitergibt, behält der Künstler ebenfalls sein Original. Nur kann der Künstler eben an einige Leute keine Kopien mehr verkaufen. Er verdient also weniger Geld. Und das ist es, was der Pirat ihm mit der Kopiererei wegnimmt.

Es ist nicht leicht, das besonders denen zu erklären, die wohl am eifrigsten kopieren. Der Musiker und Schauspieler Jack Black hat’s auf die lockere Art versucht, doch lest mal die Kommentare. Aber selbst wenn einer mal richtig zuhören würde – wie sollen Halbwüchsige die Grundzüge ökonomischer Zwänge verstehen? Wo doch grade mal jeder Dritte selbst sein Geld für den Spaß verdient. Unterkunft und Verpflegung sind noch umsonst, die Wäsche macht Mutti, Vati schafft das Taschengeld heran (jedenfalls im Rollenverständnis der Dinosaurier), und der Strom für den Rechner kommt aus der Steckdose.

Schlimm wird’s aber, wenn auch, wer es besser wissen sollte, nichts davon wissen will. Komischerweise geht diese wohlfeile Mischung aus Exkulpation und Bigotterie meist nur bis zur eigenen Geldbörse. Die selbsternannte „Hymne der freien Kultur“, der tolle Clip über die Segnungen des wilden Kopierens am Anfang dieses Abschnitts, ist ein gemeinsames Werk des Komponisten Nik Phelps und der Animationskünstlerin Nina Paley. Letztere nimmt die Sache wirklich ernst. Ihren eigenen Film „Sita Sings the Blues“ verbreitet sie umsonst im Netz. Ihr Partner aber verdient sich mit seiner Musik vermutlich seinen Lebensunterhalt, jedenfalls verkauft Phelps auf seiner Website seine neue CD. Für 16 Dollar. Wieso eigentlich? Kann man doch kopieren.

25 Kommentare
  1. http://kelbpercobooks.us sagte:

    I love your blog.. very nice colors & theme. Did you design this
    website yourself or did you hire someone to do it for you?

    Plz respond as I’m looking to construct my own blog
    and would like to know where u got this from. kudos

  2. evarella sagte:

    guter artikel im standard

    http://derstandard.at/1336697200071/Studie-BitTorrent-Downloads-erhoehen-Verkaufszahlen-von-Musikalben

    BitTorrent Downloads erhöhen Verkaufszahlen von Musikalben
    18. Mai 2012, 11:04

    „Neue Uni-Studie beweist positive Auswirkung von Piraterie
    Ein neues Paper der North Carolina State University hat den Zusammenhang zwischen BitTorrent Downloads und dem Verkauf von Musikalben untersucht. Gegensätzlich zu dem, was immer wieder von Plattenfirmen behauptet wird, konnte kein Beweis erbracht werden, dass illegale Downloads sich negativ auf die Verkaufszahlen auswirken. Stattdessen zeigt die Studie, dass mehr illegale Downloads zu mehr verkauften Alben führen.

    Zu kleine Samples bei bisherigen Studien

    Bisherige Studien haben immer wieder unterschiedliche Ergebnisse gebracht. Ein Grund dafür war das kleine Sample an Download-Statistiken von BitTorrent Seiten. Wirtschaftswissenschaftler Robert Hammond von der NSCU beschäftigte sich daher eingehend mit dem Thema und veröffentlichte nun seine Ergebnisse in einem Paper namens „Profit Leak? Pre-Release File Sharing and the Music Industry“ Die Daten wurden zwischen Mai 2010 und Jänner 2011 gesammelt und umfassten Neuerscheinungen von Musikalben.

    BitTorrent-Plattformen als Marketingkanäle

    Das Ergebnis war, dass Hammond keinerlei negative Auswirkungen der illegalen Downloads finden konnte. Die Verkäufe von neu erschienenen Alben wurden sogar durch durch die BitTorrent-Plattformen leicht angetrieben. 1095 Alben von 1075 Interpreten wurden untersucht, hauptsächlich jene, die bereits vor dem offiziellen Verkaufsstart geleakt wurden. Laut Hammond funktionieren diese Plattformen als eine Art Marketingkanäle, die wie das Abspielen im Radio oder andere Medienkampagnen funktionieren. Ein moderater Anstieg der Verkaufszahl konnte dadurch verzeichnet werden. In Zahlen konnte Hammond immerhin durchschnittlich 59.6 zusätzlich verkaufte Alben festmachen.

    Auswirkungen auf bekannte Interpreten größer

    Wenn man vorherige Studien betrachtet, bei denen eine negative Korrelation festgestellt werden konnte, diese sich jedoch fast immer auf Single-Verkäufe bezogen haben, ist diese Studie ein bisschen überraschend. Hammond betont, dass er sehr präzise Downloadstatistiken verwendet hat, die es ihm ermöglicht haben eine genauere Korrelation festzustellen. Die Antwort also, ob ein Pre-Release in einem Filesharing-Netzwerk für einen Interpreten schädlich ist, kann laut Hammond mit Nein beantwortet werden. Dem Paper zufolge profitieren von Piraterie allerdings bekannte Künstler mehr als unbekannte Künstler, für die der Effekt kaum spürbar ist. (iw, derStandard.at, 18.5.2012)“

  3. evarella sagte:

    es gibt parallel eine diskussion um die autoren rechte, sowohl bei verlagen als auch ein statement der 51 tatort-autoren, das haut ungefähr in die selbe kerbe.

    am interessantesten finde ich die antwort des chaos computer club und auch am richtigsten:

    ich zitiere die hier mal ganz frei und verweise natürlich auf die Seite :

    „Antwort auf den offenen Brief der Tatort-Drehbuchschreiber

    2012-03-29 17:30:00, zas
    Im Rahmen der Debatte zu einem moderneren Verwertungsrecht haben sich 51 Drehbuchautoren, die regelmäßig für den Tatort schreiben, zu Wort gemeldet. Zu diesem Brief möchten 51 Hacker des Chaos Computer Clubs (CCC) hier ein paar Anmerkungen loswerden.

    Liebe Tatort-Drehbuchschreiber,

    mit Freude nehmen wir – ganz kess als Vertreter der von Euch angeprangerten „Netzgemeinde“ – Euer Interesse [1] an unseren Gedanken zu einer Versachlichung der Diskussion über Urheber- und Urheberverwertungsrechte im digitalen Zeitalter wahr. Bevor wir aber unnötig gleich zu Beginn Schubladen öffnen: Auch wir sind Urheber, sogar Berufsurheber, um genau zu sein. Wir sind Programmierer, Hacker, Gestalter, Musiker, Autoren von Büchern und Artikeln, bringen gar eigene Zeitungen, Blogs und Podcasts heraus. Wir sprechen also nicht nur mit Urhebern, wir sind selber welche.

    Es wird daher keinen „historischen Kompromiß“ geben, denn es stehen sich nicht zwei Seiten gegenüber, jedenfalls nicht Urheber und Rezipienten, sondern allenfalls prädigitale Ignoranten mit Rechteverwertungsfetisch auf der einen Seite und Ihr und wir auf der anderen, die wir deren Verträge aufgezwungen bekommen.

    Das Tragische (im griechischen Sinne) ist doch, daß wir beide Opfer des Verwertungssystems sind. Ihr schuftet Euch seit Jahren für die Verwertungsindustrie ab und habt so viele Eurer Rechte weggegeben, daß weder Ihr noch Eure Nachfahren von der verlängerten Urheberrechtsschutzfrist etwas haben. Das ist bloß ein Verhandlungsmittel, mit dem Ihr zu reduzieren hofft, wie doll Euch die Verwertungsindustrie abzockt. Wir kämpfen eigentlich auf derselben Seite, aber Ihr merkt es nicht einmal.

    Bei uns ist das ganz ähnlich. Viel Software wird inzwischen gar nicht mehr für Profit geschrieben, sondern frei ins Netz gestellt oder als Selbstvermarkter-Shareware, weil den Autoren klar ist, daß sie nie einen müden Cent sehen werden für ihr Werk. Für Software gibt es keine Verwertungsgesellschaften, mangels historischen Präzedenzfalls. Wenn Ihr Euch mal umschaut, werdet Ihr sehen, daß auch kein einziger von uns Software-Autoren eine GEMA für Software fordert. Wir nehmen Euch nichts weg, das wir für uns fordern. Wir haben uns nur von der Idee verabschiedet, daß dieses Modell in zehn Jahren noch existieren wird.

    Software im kommerziellen Bereich entsteht im Allgemeinen als Werkvertrag oder unter Anstellung, und sämtliche Verwertungsrechte gehen an die Auftraggeber. Kommt Euch das bekannt vor? Nur daß bei uns niemand unsere Rechte zu vertreten versucht. Und wißt Ihr, welcher kreative Bereich stärker wächst und mehr Umsatz macht, Eurer oder unserer? Überraschung: Es stellt sich heraus, daß man auch ohne Verwertungsindustrie überleben kann. Anstatt Euch an den Konsumenten gütlich zu tun, solltet Ihr Eure Anstrengungen darauf konzentrieren, für Eure Werke direkt vom Auftraggeber ordentlich entlohnt zu werden. Was Ihr braucht ist eine den Namen verdienende, starke Gewerkschaft, kein Monster aus Verwertungsgesellschaften, die dann Youtube langjährig verklagen, weil sie kostenlos Werbung für Euch machen und Euch damit zukünftige Aufträge verschaffen. [2]

    Um die Anwürfe in Eurem offenen Brief zu sortieren:

    „wir“ würden eine apokalyptische Zeit der Kulturlosigkeit a la „Demolition Man“ heraufbeschwören, um allen kostenlos Zugang zu aller Kultur zu verschaffen,
    der Feind seien grundsätzlich alle nur an Geld und nicht an der Kultur interessierte Verwerter,
    „wir“ würden nicht anerkennen, daß sich Kulturdienstleister durch das Schaffen von Werken Eigentum akkumulieren dürften.
    Die Pauschalkritik an Verwertern, die uns nun mit so bunt zusammengeklaubten Kommentaren von so unterschiedlichen Quellen wie drei Parteien und einer von Euch offensichtlich nicht ganz verstandenen „Netzgemeinde“ um die Ohren gehauen wird, ist so nie geäußert worden. Dieser plumpe Diskussionsstil ist uns zuletzt bei den eben alle Verwerter in einen Topf werfenden Zwölfjährigen begegnet, die gegen Staat, GEMA und zu wenig Taschengeld rebellierend ihre Lieblingsmusik für lau aus dem Netz ziehen und denen dafür jede Rechtfertigung recht ist. Daß hier noch kein Equilibrium im Spannungsfeld zwischen neuen Technologien und Werkschaffungen im Vor-Netz-Zeitalter erreicht ist, ist offensichtlich. Dies ist jedoch kein Grund, uns als Netizens mit in denselben Topf zu werfen.

    Natürlich wird niemand behaupten, in den Filesharingdiensten würde überwiegend Schostakowitsch getauscht. Dies ist keine Lebenslüge, auch wenn es schade ist. Daß unerwünschtes Vervielfältigen von digitalen Erzeugnissen nun zum gesamtgesellschaftlichen Problem wird, hat weniger mit dem ebenfalls reformbedürftigen Verwertungsrecht zu tun, als mit dem Abmahn-Unwesen, das zur Zeit viele gerade jüngere, nicht adäquat versorgte potentielle Konsumenten eiskalt erwischt.

    Die Verkürzung eines Schutzrechts ist dabei auch nur eins der Werkzeuge, um gerade Euch (oder besser gesagt Euch und uns) Fallstricke beim Ausüben unserer Berufe auszuräumen. Gerade Ihr solltet doch – bei der recht dünnen Menge potentieller Krimiplots [3]– verstehen, daß Plagiatsanwürfe beim Verwenden von Versatzstücken zu einem horrenden Minenfeld werden. Wir (jetzt in einer Rolle) als Softwareurheber bewegen uns seit zu langer Zeit schon in genau jenem Software-Trivialpatente-Minenfeld, wir verstehen ganz gut, wohin der Zug geht.
    Wir sollen also die Finger von den Schutzfristen lassen. Oh bitte, es bluten einem die Ohren bei diesem ewiggestrigen Singsang, den wir uns seit Jahren anhören müssen, während alle paar Jahre die Fristen verlängert werden. Wir sind jetzt bald bei einer Länge von einem Jahrhundert angekommen, und da bringt Ihr echt das Argument, man dürfe die Schutzfristen nicht anrühren? Wir glauben, es hackt. Das ist das Digitalzeitalter, Freunde, wir wissen nicht mal, wie wir digitale Daten ein ganzes Jahrhundert lang bewahren sollen. Die Archive und Bibliotheken haben noch nicht mal annähernd ein Konzept dafür. Und diese DRM-Grütze und der Mangel an offenen Formaten, das sind die Probleme, und beides hat einen Zusammenhang zu Schutzfristen. Nicht nur deswegen müssen sie radikal verkürzt werden, sondern auch, weil selbst Ihr auf den Schultern von Riesen steht, denen Ihr gefälligst Tribut zu zahlen habt.

    Sir Arthur Conan Doyle schrieb dazu: »Wenn jeder Autor, der ein Honorar für eine Geschichte erhält, die ihre Entstehung Poe verdankt, den Zehnten für ein Monument des Meisters abgeben müßte, dann ergäbe das eine Pyramide so hoch wie die von Cheops.«

    Das von Euch als gottgegeben hingestellte sogenannte „geistige Eigentum“ ist bei näherem Hinsehen eine Chimäre jüngeren Datums, gerne als unsachlicher Kampfbegriff angeführt, um gewisse grundsätzliche Diskussionen zu vermeiden. In den letzten Jahren sind dazu viele – auch sehr ausgewogene – Kommentare verfaßt worden. [4]

    Daß einige Verwertungsgesellschaften mit dem simplen Fakt überfordert sind, das Kopieren von Werken nicht verhindern zu können, ändert nichts an der Tatsache, daß früher wie jetzt eine grundsätzliche Bereitschaft besteht, Kulturdienstleister angemessen zu entlohnen. Wo es Wege gibt, streßfrei und ohne Gängelungen Werke zu fairen Konditionen zu beziehen, werden diese ausgiebig genutzt, seien es App-Stores für Mobiltelefone oder „Music Stores“ mit einfachen Bezahlmodellen. E-Book-Geschäfte sind ebenso gerade im Kommen, hakeln allerdings wegen der unausgereiften DRM-Technologie ein wenig. In der Netzgemeinde werden über moderne Konzepte wie „Flattr“ sogar einzelne Wortbeiträge in Blogs oder für Podcasts entlohnt. (Beispiel: [5])

    Daß diese Transition nicht für jeden einfach ist, können wir nachvollziehen. Und das Verbandsklagerecht fordern wir übrigens auch schon seit Jahren. Und wer hat uns verraten? Richtig.

    Gerade Ihr als Tatort-Autoren, deren Brötchen zum großen Teil über die Rundfunkgebühren bezahlt werden, solltet wissen, wie sich eine Kulturflatrate anfühlt. Hier hungern Urheber nicht. Aber gerade diese Verwertungsgesellschaft, die Eure Tatort-Drehbücher entlohnt, ist das beste Beispiel, wie sich ein verselbständigter Wasserkopf mehr und mehr der eigentlich Euch zustehenden Anteile am ausgestrahlten Werk einverleibt. Hand hoch, wieviele von Euch sind festangestellt? Wieviele wurden in den letzten Jahren durch Vertragsveränderungen bei den Landesmedienanstalten auch noch der Zweitverwertungsrechte im Netz beraubt? Na, und wie fühlt sich der Blick in Eure Buy-Out-Verträge an, wenn Ihr ehrlich seid? Stockholmsyndrom?

    Da war noch was: Wir sollten mal mit unseren Kulturpolitikern reden, meint Ihr. Was für eine tolle Idee, als laberten wir denen nicht schon Blumenkohl ans Ohr seit einem Jahrzehnt. Hier müssen wir aber doch mal auf ein paar wohlfeile Unterschiede zwischen den von Euch zusammengemanschten Parteien Wert legen: Mit grünen Kulturpolitikern zu reden, ist wie mit einer Wand. Sie hören selten zu, haben in den letzten Jahren keine einzige zeitgemäße Idee zum Verwertungsrecht umsetzen können und eine konservative Grundhaltung, die selbst Ansgar Heveling eine Freude wär. (Ausnahmen bestätigen die Regel.) Die Piraten haben keine Kulturpolitikerinnen. Die linken Kulturpolitiker sind ganz entgegen anderslautender Gerüchte die mit Abstand progressivsten, die neue Ideen auch gern mal durchdenken. Natürlich hätten sie eh keine Macht, etwas umzusetzen, da diskutiert es sich eben einfacher.

    Na, jetzt eine Idee, wieso wir das mal einfach auf eigene Faust machen? Genau.“

    Quelle : http://ccc.de/updates/2012/drehbuchautoren

    Quelle 2: http://www.drehbuchautoren.de/nachrichten/2012/03/offener-brief-von-51-tatort-autoren-0

  4. Hannes sagte:

    Mal abgesehen davon, dass unsere uns umgebende reale Welt weder analog noch digital ist, da analog und digital trotz aller atemberaubenden Innovationssprünge immer noch Begriffe aus der Informationstechnik sind und bleiben werden, gebe ich dem Autor weitgehend recht ( ich habe die Kassettenära auch noch miterlebt!)
    Meiner Meinung nach krankt die ganze Diskussion aber erheblich daran, dass hier eine babylonische Begriffsverwirrung ohne Ende vorherrscht, die dazu führt, dass ACTA unisono mit Urheberrecht, Gratiskopieren mit Freiheit im Netz und die Piraten demnächst wahrscheinlich noch mit wikileaks verwechselt werden!

  5. Michael Butscher sagte:

    @Legio Astares: „Ich bin kein Künstler, arbeite aber beim Film und bin drauf angewiesen das meine “Chefs” für das Produkt Geld bekommen, damit sie mich und meine Kollegen bezalen können.“

    Normalerweise ist es doch wohl so, daß zunächst Geld für einen Film aufgebracht werden muß, er dann produziert wird und erst wenn er ins Kino kommt (und die weitere Verwertungskette durchläuft) klar wird, ob er vom Publikum angenommen wird und somit Gewinn oder Verlust macht.

    Es ist also nie sicher, daß ein Film Geld einbringt, egal wie viel Mühe man sich damit gegeben hat. Und ob durch Raubkopien oder ein reformiertes Urheberrecht die Gefahr von Verlusten tatsächlich größer wird (bzw. die Gewinne geringer) ist nicht belegt. Es gibt sogar Anzeichen, daß das nicht der Fall ist:

    http://netzpolitik.org/2012/verzoegerte-kino-releases/

    „Aber am Prinzip das der Urheber eines Werkes das Recht haben muss zu entscheiden mit wem und zu welchen Bedingungen er sein Werk teilen will, darf nicht gerüttelt werden, der meinung bin ich.“

    Kontrolle im Internet ist eine Illusion (es sei denn, man führt tatsächlich chinesische Verhältnisse ein). Firmen oder Parteien können nicht kontrollieren, welche Meinung über sie verbreitet wird und die USA konnten die Veröffentlichung geheimer diplomatischer Kommunikation durch Wikileaks nicht verhindern („Cablegate“).

    Das führt mitunter natürlich auch zu schlimmen Auswüchsen, wie z. B. Mobbing, wenn Gerüchte über Einzelpersonen verbreitet werden, ändert aber nichts an der Realität.

    „Und das eine Gesellschaft überlegen soll ein unrecht zum Recht zu erklären weil es so oft und von so vielen begangen wird disqualifiziert sich selbst.“

    Wenn alles, was juristisch Unrecht ist, immer Unrecht bleibt (und alles, was Recht ist, Recht bleibt) werden sich unsere Gesetze nicht mehr verändern und damit nicht mehr weiterentwickeln.

    „Da ja keiner mehr seine Rechnungen zahlt müssen wir überlegen ob wir nicht gleich das Gesetzt ändern das man seine Rechnung nicht mehr zahlen muss, das das Freiwillig ist?!!!!? Massenhafte Rechtsverletzungen dürfen allein durch Ihre Masse nicht zum Recht werden.“

    Daß wir im Chaos versinken würden, wenn alle ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen würden, ist mit ziemlicher Sicherheit richtig. Bewiesen ist es nicht, aber man muß nicht alles ausprobieren.

    Bezüglich der illegalen Kopien gibt es aber praktische Erfahrungen und die sagen nun mal, daß es in Wirklichkeit gar kein so großes Problem damit gibt:

    http://www.heise.de/tp/blogs/6/150152

  6. Legio Astares sagte:

    @ Michael „Und viele Menschen sind auch bereit, Künstler finanziell zu unterstützen, obwohl sie ihre Werke kostenlos bekommen können.“

    Ich bin kein Künstler, arbeite aber beim Film und bin drauf angewiesen das meine „Chefs“ für das Produkt Geld bekommen, damit sie mich und meine Kollegen bezalen können. Filme machen ist in erster Linie harte Arbeit von vielen Menschen weil ein Künstler etwas vorhat. Ein Beleuchter z.B. ist in erster Linie kein Künstler sonder ein Packesel. Was da an Gewicht für ein paar minuten Film an die Aberwitzigsten Drehorte geschleppt wird, die Kunst übernimmt der Oberbeleuchter wenn der Kameramann es Ihn machen läßt. Die Ausstattung muss auch alles meist über Nacht, weil das Motiv erst sospät festgelegt wurde, fertigmachen, usw.

    Allgemein stimmt es bestimmt das die GEMA ihre Verfahren anpassen sollte, nicht alles was dem Gesetz nach möglich ist ist auch Sinnvoll, siehe Kinderlieder oder ähnliches. Aber am Prinzip das der Urheber eines Werkes das Recht haben muss zu entscheiden mit wem und zu welchen Bedingungen er sein Werk teilen will, darf nicht gerüttelt werden, der meinung bin ich.

    Und das eine Gesellschaft überlegen soll ein unrecht zum Recht zu erklären weil es so oft und von so vielen begangen wird disqualifiziert sich selbst. Wenn jetzt alle anfangen Ihre rechnungen nichtmehr zu bezahlen schaffen wir das Mahnwesen ab, also das recht sein Geld zu fordern ? Da ja keiner mehr seine Rechnungen zahlt müssen wir überlegen ob wir nicht gleich das Gesetzt ändern das man seine Rechnung nicht mehr zahlen muss, das das Freiwillig ist?!!!!? Massenhafte Rechtsverletzungen dürfen allein durch Ihre Masse nicht zum Recht werden.
    Und das die Film und Musikindustrie zu spät auf das Internet reagiert haben stimmt leider, darf aber nicht als rechtfertigung gelten bestehende Gesetze zu verletzen.

  7. Michael Butscher sagte:

    @Peter Kautzsch: „Es geht beim Urheberrecht doch nicht um ‚Tauschhandel‘ (Geld gegen Gegenstand), sondern um Entlohnung für Arbeit.“

    Und viele Menschen sind auch bereit, Künstler finanziell zu unterstützen, obwohl sie ihre Werke kostenlos bekommen können.

    Die Branche beharrt aber größtenteils immer noch auf dem bisherigen Zahlungsprinzip, das das Geld-gegen-Ware-Prinzip auf geistige Güter zu übertragen versucht.

  8. Peter Kautzsch sagte:

    Um noch einmal klarzustellen, was oft etwas verwaschen wird: Es geht beim Urheberrecht doch nicht um „Tauschhandel“ (Geld gegen Gegenstand), sondern um Entlohnung für Arbeit.

    Ich frage mich, ob Leute, die ernsthaft fordern, daß Kunst kostenlos verfügbar sein müsse, auch selbst auf ihren Arbeitslohn verzichten würden – und wovon sie dann ihre Miete bezahlen würden.

  9. Michael Butscher sagte:

    @Icke „Nach der Logik ist das Steuerrecht auch an der Realität vorbei und sollte abgeschafft werden.“

    Reformiert werden sollte es vielleicht, ebenso wie das Urheberrecht.

    Viele Menschen haben keine Lust mehr, dem Staat Geld zu geben, wenn sie z. B. hören, daß Großverbraucher von Strom weniger zahlen sollen und der fehlende Betrag stattdessen von kleinen Betrieben und Privathaushalten aufgebracht werden soll:

    http://www.focus.de/immobilien/energiesparen/energiepreise-regierung-will-grosse-stromkunden-schonen_aid_686500.html

    Ebensowenig kann die GEMA Verständnis erwarten wenn sie von Kitas Gebühren für das Singen von Kinderliedern verlangt:

    http://www.derwesten.de/kultur/gema-kitas-sollen-fuer-kinderlieder-zahlen-id4102271.html

  10. Icke sagte:

    Nach der Logik ist das Steuerrecht auch an der Realität vorbei und sollte abgeschafft werden.

    Der Name der Partei ist Programm! Entern. Schänden. Stehlen.
    Da es sich hierbei um eine weltweite Partei handelt frage ich mich als denkender Bürger, wer da gerade global seine Interessen erkämpfen lässt. Mit Scientologie hat es nicht geklappt – Jetzt kommen die Piraten und etablieren ihre neue Gesellschaft! Juuuhuuu, die Kreuzzüge 3.0 haben begonnen!

  11. Schlucker sagte:

    Musik frei, Brötchen frei, U.Bahn frei – das Leben könnte so schön sein . . .

  12. Michael Butscher sagte:

    @Peter Hartig „Doch, leider ist das Alter in der Diskussion ein Thema. Zum Beispiel in diesem sehr ausführlichen Kommentar zu Regener:
    http://epapa100.blogspot.de/2012/03/regener-der-alte-mann-und-das-internet.html

    Ich meinte vor allem, daß ich „Die Welt hat sich geändert und ist heute digital, nicht mehr analog“ so noch nicht gehört hatte. Es mag natürlich der eine oder andere sagen, aber es ist natürlich Unsinn oder als Überspitzung gemeint.

    Leute mit Regeners Ansicht als „Dinosaurier“ zu bezeichnen, bringt natürlich niemanden weiter. Man muß erklären, so wie ich es gerade versuche.

    In Papathanassious Kommentar steht jedoch ausdrücklich: „Mir ist egal, wann er geboren wurde, und vielleicht ist er sogar jünger als ich. Aber er spricht wie jemand, für den früher alles besser war, und das tun seit Menschengedenken all die, die geistig alt werden“.

    Hier wird von einem geistigen Alter gesprochen, also letztlich einer Haltung, die nur begrenzt etwas mit dem realen Alter zu tun hat. Ich glaube aber, daß man diese Haltung bei vielen noch ändern kann.

    Regener ist seit über 25 Jahren im Musikbusiness und die Erfahrungen, die er gesammelt hat, die Regeln, die er gelernt hat, verlieren immer mehr ihre Gültigkeit. Meiner Ansicht nach hat er deswegen einfach Angst, was ich bis zu einem gewissen Grad auch verstehen kann.

    „Ja, iTunes kam zu spät, Online-Videotheken funktionieren (zur Zeit noch) schlechter, als sie sollten, und es nervt, wenn Filme in den USA schon veröffentlicht sind, hier aber nicht. Über all das kann ich mich ärgern, das gibt mir aber nicht freie Hand, das dann auf meine Weise nach eigenem Gutdünken zu lösen, damit ich bekomme, was ich will, nur weil das technisch geht.“

    Natürlich ist die unerlaubte Veröffentlichung und Vervielfältigung nach dem Gesetz illegal, aber auch alltägliche Realität. Daraus ergeben sich wichtige Fragen:

    Gehen die Gesetze in die richtige Richtung oder sollten sie besser gelockert bzw. völlig reformiert werden? Regener will offensichtlich alles beim Alten lassen.

    Wie kann man in einer Weise Geld verdienen, die an die Realität angepasst ist? Oder sollte man tatsächlich fordern, daß die Realität den Gesetzen angepasst wird?

    „Wenn also die Mehrheit der Gesellschaft dieses Recht für überflüssig hält, mag sie zum Beispiel die Piraten, wählen. Aber nicht in der Zwischenzeit Selbstjustiz üben. Dinosauriervergleich: Ich fahre ja auch nicht über rote Ampeln, nur weil ich die für inakzeptabel halte.“

    Der Gesellschaft, also dem normal denkenden Durchschnittsbürger, ist der Sinn einer roten Ampel einsichtig. Wenn ich aber z. B. auf einer übersichtlichen, mäßig befahrenen Straße mich genau an die Geschwindigkeitsbeschränkung halte, komme ich mir häufig vor wie ein Verkehrshindernis, weil mich fast jeder überholt. Das Verbot der Geschwindigkeitsüberschreitung wird also von der Gesellschaft, je nach Verkehrssituation, auch mal ignoriert.

    „In der analogen Welt heißt das, wenn es ohne Erlaubnis geschieht, Diebstahl geistigen Eigentums. In der digitalen übrigens auch, da sind sich die Juristen einig.“

    Wie gesagt, das ist der aktuellen Gesetzeslage nach richtig.

    „Die Gegenständlichkeit war noch nie Voraussetzung für die Bezahlung. Im Gegenteil wird ja das wenigste Geld für anfassbare Waren ausgegeben, sondern für Dienstleistungen, Konzerte, Sportveranstaltungen, Kinokarten und so weiter …“

    Es gibt knappe Ressourcen, wie eben Brötchen, der Platz für Zuschauer bei Veranstaltungen, die Zeit und Arbeitskraft eines Dienstleisters, usw. Nimmt man etwas davon weg, bleibt weniger für die anderen.

    Ein geistiges Produkt ist, sobald es existiert, aber eine quasi unendliche Ressource. Durch die Entkopplung von einem physischen Medium kommt diese Eigenschaft im Internet jetzt voll zum Tragen.

  13. Peter Hartig sagte:

    @ Michael Butscher: Doch, leider ist das Alter in der Diskussion ein Thema. Zum Beispiel in diesem sehr ausführlichen Kommentar zu Regener:
    http://epapa100.blogspot.de/2012/03/regener-der-alte-mann-und-das-internet.html

    Ja, iTunes kam zu spät, Online-Videotheken funktionieren (zur Zeit noch) schlechter, als sie sollten, und es nervt, wenn Filme in den USA schon veröffentlicht sind, hier aber nicht. Über all das kann ich mich ärgern, das gibt mir aber nicht freie Hand, das dann auf meine Weise nach eigenem Gutdünken zu lösen, damit ich bekomme, was ich will, nur weil das technisch geht. Dinosauriervergleich: Ich schlage ja auch nicht bei meinem Bäcker die Schaufensterscheibe ein, weil der schon um 18 Uhr zu macht, ich aber nach Mitternacht noch ein Brot will.

    „Ein Recht, das gesellschaftlich keine breite Akzeptanz mehr hat, ist schwer durchzusetzen“. Richtig, solange es aber Recht ist, gilt es. Dann müsste man es eben ändern – so sind die Spielregeln. Wenn also die Mehrheit der Gesellschaft dieses Recht für überflüssig hält, mag sie zum Beispiel die Piraten, wählen. Aber nicht in der Zwischenzeit Selbstjustiz üben. Dinosauriervergleich: Ich fahre ja auch nicht über rote Ampeln, nur weil ich die für inakzeptabel halte.

    „Nur das von früher oder von physischen Gegenständen gewohnte Prinzip ,Geld gegen Ware‘ funktioniert hier nicht mehr.“ Wieso? Auf diesen Passus bin ich im letzten Abschnitt ausführlich eingegangen. Was die Verfechter von „Kopieren ist nicht stehlen“ machen, ist raffiniert, und ich musste auch länger drüber nachdenken, bis ich den Trick bemerkt habe: Behauptet wird: Wenn ich jemandem zum Beispiel sein Fahrrad wegnehme, hat er keines mehr. Deshalb ist das Diebstahl. Wenn ich jemandem sein Lied wegne… entschuldigung: „kopiere“, dann hat er es noch. Deshalb ist das kein Diebstahl. Tatsächlich wird hier aber ein Apfel mit einer Birne verglichen, und zwar mit Absicht, wie ich jetzt noch mal in drei Stufen (und hoffentlich etwas deutlicher) darzustellen versuche:

    1. Ich behaupte, es gebe zwei verschiedene Welten – die alte, analoge, materielle auf der einen Seite und die neue, digitale, virtuelle auf der anderen.
    2. Weil diese Welten so gegensätzlich sind, behaupte ich weiterhin, müssen dafür auch verschiedene Regeln gelten.
    3. Um das zu verdeutlichen, nehme ich ein materielles Gut (Fahrrad) und ein immaterielles Gut (Lied) und verknüpfe jedes mit einer der beiden Welten. Und siehe da: Was in der analog-materiellen Welt eine böse Tat ist, wird in der digital-immateriellen Welt zu etwas völlig anderem.

    Zugegeben, das hat auf den ersten Blick eine gewisse Überzeugungskraft, aber nur solange man die Verknüpfung akzeptiert. Tatsächlich muß man materielle und immaterielle Güter separat für jede der beiden Welten begutachten. Ein materielles Gut in dem Sinne „kopieren“, wie es die Verteidiger der Praxis vorgeben, geht nicht – weder im Internet noch in der realen Welt. In der realen Welt kann ich ein Fahrrad noch klauen, in der virtuellen Welt geht da gar nichts. Also kann ich von vornherein nur das vergleichen, was in beiden Welten möglich ist, also den Umgang mit immateriellen Gütern. Und der unterscheidet sich erstaunlicherweise überhaupt nicht: Analog und digital, real und virtuell werden Bücher, Filme, Musik „kopiert“. In der analogen Welt heißt das, wenn es ohne Erlaubnis geschieht, Diebstahl geistigen Eigentums. In der digitalen übrigens auch, da sind sich die Juristen einig.

    Und die Entkoppelung von „geistigen Produkten an physische Gegenstände“ setzt meines Erachtens auch nicht das Prinzip „Geld gegen Ware“ außer Kraft. Die Gegenständlichkeit war noch nie Voraussetzung für die Bezahlung. Im Gegenteil wird ja das wenigste Geld für anfassbare Waren ausgegeben, sondern für Dienstleistungen, Konzerte, Sportveranstaltungen, Kinokarten und so weiter …

  14. Manuel sagte:

    Immer dieses Geheule. Würde mich wahrscheinlich auch aufregen, wenn ich als reicher Sack, um mein vielleicht verdientes Geld, bangen müsste.
    Daran erkennt man die dummen Künstler…wenn die argumentieren wie Designer, Grafiker und die Medienindustrie.
    KUNST GEHÖRT ALLEN! Wer verwerten will soll nicht jammern, wenn sein Scheiß kopiert wird.

  15. Michael Butscher sagte:

    „Die Welt hat sich geändert und ist heute digital, nicht mehr analog. Wer den Unterschied nicht begriffen hat, ist ein Dinosaurier.“

    Habe ich so noch nicht gehört, stimmt natürlich auch nicht. Aber manche Dinge sind eben digital genauso gut wie analog, teilweise besser (Musik hören, Film sehen, mit Einschränkungen auch Buch lesen).

    „Durch die Digitalisierung haben sich die Produktionsmittel und Vertriebswege demokratisiert. […] Bloß, auch wenn es toll klingt, mit Demokratie hat all das weniger zu tun, sondern mit Technik.“

    Die Technik (für Produktion und vor allem Verbreitung) ist ja der Punkt. Sie war früher teuer und daher nur wenigen zugänglich. Daß sich das verändert hat, ist die Demokratisierung.

    „Es ist doch nicht unsere Schuld, wenn die Industrie sich kein vernünftiges Bezahlsystem ausdenkt. Als gäbe es keinen iTunes-Store oder Online-Videotheken.“

    Der iTunes-Store und Vergleichbares kam recht spät, als illegale Angebote schon Fuß gefasst hatten, weil es noch keine legalen Möglichkeiten gab. Außerdem wird mit dem Store ja offensichtlich trotz der schlimmen Piraterie noch einiges verdient.

    Zu Online-Videotheken sei mal der Beitrag „Ein Versuch“ in dieser Sendung des „Elektrischen Reporters“ empfohlen:

    http://www.elektrischer-reporter.de/phase3/video/268/

    „Klar muss da noch vieles anders werden, aber was soll mit dem Argument eigentlich gerechtfertigt werden? Ich komme einfach nicht drauf … Und so lange muss ich einfach akzeptieren, dass die Industrie vielleicht einfach nichts verkaufen möchte, was zwar dumm wäre, aber ihr gutes Recht, nicht aber mein Recht, dieses Recht in die eigenen Hände zu nehmen.“

    Ein Recht, das gesellschaftlich keine breite Akzeptanz mehr hat, ist schwer durchzusetzen.

    Wenn ein US-Film Wochen oder Monate braucht, um von amerikanischen zu europäischen Kinos zu kommen, während die Datenübertragung im Internet Minuten erfordert oder wenn eine DVD aus Amerika in Deutschland wegen des Regionalcodes nicht abgespielt werden kann, ist das heutzutage einfach nicht mehr vermittelbar.

    „Kopieren ist kein Diebstahl“

    Zunächst mal paßt Kopieren nicht zur juristischen Definition von „Diebstahl“ (einen physischen Gegenstand wegnehmen), aber das ist Nebensache.

    Daß geistige Produkte an physische Gegenstände gekoppelt waren, ist offensichtlich (bald) Vergangenheit (wie Kutschen oder Dampfloks).

    „Und ich bezahle das, weil ich die Arbeit des Künstlers respektiere und möchte, dass er noch mehr davon produziert, was er aber nur kann, wenn er nicht Pizza ausliefern muss, um seine Miete zu bezahlen, weil seine Werke ja zum Wohl der Welt an ihm vorbei vervielfältigt werden.“

    Richtig, das ist vielen auch klar. Darum kaufen viele auch CDs, Downloads oder gehen ins Kino, obwohl sie das Material teilweise schon (illegal) beschafft haben. Weiterhin gibt es natürlich noch andere Möglichkeiten, Geld zu erhalten, z. B. über Merchandising oder Crowdfunding.

    Nur das von früher oder von physischen Gegenständen gewohnte Prinzip „Geld gegen Ware“ funktioniert hier nicht mehr.

  16. Matthias sagte:

    Ich finde, das ist der beste Kommentar zu diesem Thema, der bisher je ins Internet gestellt wurde. Ein bisschen Sorgen macht mir da eher die Werbeanzeige auf der rechten Seite, für ein Magazin über Serien, das sich TORRENT nennt … Einen unpassenderen Namen hätte man nicht wählen können …

    Übrigens sollte man nicht von „Internet-Piraterie“ sprechen. Diese Wort „Piraten“ hat etwas Romantisches, Freibeuterisches, das eine Robin-Hood-Mentalität widerspiegelt – den Reichen etwas nehmen, um es den Armen zu geben.

    Es handelt sich hier schlicht und ergreifen um „Diebstahl geistigen Eigentums“.
    Und dafür gibt’s in Deutschland sogar eine eigene Partei …

  17. Legio Astares sagte:

    Erstmal danke für den Beitrag, sehr informativ!
    Die Aussage der Piraten das Kopieren kein Diebstahl sei, und damit nichts unrechtes ist, ist sehr gefährlich. Es wird immer so getan als wenn es Nur die Musik- und Filmbranche betrifft, aber mit dieser Aussage wird auch das Patentrecht infragegestellt, und damit ist die gesamte Wirtschaft in gefahr riesige Verluste zu bekommen.
    Mich regt auch immer die Aussage: „Die Filmstudios haben doch genug Geld!“ auf, denn durch Piraterie sinken absatzzahlen und quoten, also das Potential eines Films um sich zu refinanzieren, und das wirkt sich dann dierekt auf Die Gagen der Filmcrew aus, und ich für meinen Teil finde nicht das wir unangemessen hoch bezahlt werden, eher im Gegenteil.
    Aber ich machs dann einfach frei nach den Piraten, und Kopiere mir irgend einen Kontostand eines Bankchefs, ist ja kein Diebstahl!!

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Noch nicht registriert? Als eingeloggter User wird Ihr Name automatisch übernommen.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte lösen Sie diese Aufgabe, bevor Sie den Kommentar abschicken.
Dies dient dem Schutz vor Spam.

Was ist 4 addiert zu 4?