Video-Tipp: El hombre de Chinatown

Wenn das Werk bekannter ist als der Künstler, ehrt das vermutlich den Künstler. Was die Kunst des John A. Alonzo ausmachte, haben Stephanie Bahr und Axel Schill mit ihrem Dokumentarfilm herausgearbeitet. Auch wenn der Titel des Films über sein Leben und seine Arbeit nicht seinen Namen trägt, sondern erst einmal erklären muss, wer dieser Alonzo überhaupt war: „The Man Who Shot Chinatown“.

Man könnte es auch anders sagen: Einer der größten „directors of photography“, die Hollywood je hatte. So heben zumindest die vielen, meist prominenten Zeitzeugen im Film an, um sich dann langsam in ihrer Begeisterung zu steigern. „Chinatown“ (Roman Polanski, 1974), „Harold and Maude“ (Hal Ashby, 1971), „Scarface“ (Brian de Palma, 1983) oder „Internal Affairs“ (Mike Figgis, 1990) und fast 80 weitere Filme hat John A. Alonzo fotografiert – und Filmgeschichte gemacht: „Chinatown“ ist der erste Film, für den im Nationalarchiv der USA auch der Name des Kameramanns aufgenommen wurde.

Bahr und Schill hatten den Kameramann noch als Nachbarn in Los Angeles kennengelernt, ehe er 2001, mit 66 Jahren, überraschend starb. Unterstützt von Alonzos Witwe, aber ohne einen Sender im Rücken, wagten sie sich an das Abenteuer, erstens als kleine deutsche Produktion, zweitens in Hollywood, drittens einen Dokumentarfilm, viertens über einen Kameramann zu drehen. Trotzdem zog sich die Produktionszeit nur über drei Jahre hin, ein großer Teil davon Schreibtischarbeit. Das Budget von 400.000 Euro zu finanzieren war da nur das erste Problem – die größte Schwierigkeit waren die Lizenzrechte. An rund 30 Filmausschnitten stellen Schill und Bahr dar, mit welchem Sinn für Szene, Kadrage, Bewegung, Licht und Schatten Alonzo die Filme seiner Regisseure gestaltete.

Im Grunde wäre sowas ganz klar unter das Zitatrecht gefallen. Doch darauf wollte sich Bahr in ihrer zweiten Rolle als Produzentin nicht verlassen: Der Film sei auf eine internationale Vermarktung angelegt, und dafür müssten die Rechte „wasserdicht“ sein, erklärt sie. Die großen Studios verlangten allerdings bis zu 10.000 US-Dollar pro Minute, die Filmemacher mussten geschickt verhandeln – und die richtigen Regelungen kennen. Bei den Verhandlungen half das Argument, daß die Studios es mit solchen Preisen unmöglich machten, ihre eigene Geschichte aufzuarbeiten. Eine hilfreiche Regelung ist das „Most Favoured Nations Agreement“ (MFN). Darin haben sich viele Studios geeinigt, dass die Bedingungen, die eines von ihnen ausgehandelt hat, auch von den anderen akzeptiert werden (der offizielle Trailer jedenfalls unterscheidet sich von dem auf dieser Seite: Er verzichtet auf die Filmzitate).

Schließlich musste noch mit allen Schauspielern, die in dem jeweiligen Ausschnitt, auf Fotos oder Postern zu sehen sind, geklärt werden, ob sie der Nutzung des Materials für diesen Film zustimmen. Nach monatelangen Recherchen und endlosen Telefonaten hatten die meisten einer unentgeltlichen Nutzung zugestimmt.

Einige von ihnen sind nun neben Alonzo zu sehen. Denn der DoP hatte, ehe er endlich seine Traumposition beim Film erreichte, selbst gut 20 Mal vor der Kamera gestanden. In „Die glorreichen Sieben“ war er „der dritte Mexikaner von links“, wie es der Produzent Robert E. Relya beschreibt. Der Western zeigt den allmählichen Umbruch exemplarisch. Immerhin hatte Alonzo hier nicht nur eine Sprechrolle, die zudem aus mehr als drei Wörtern besteht, sondern stellt einen Charakter dar. Hinter den Kulissen war es für einen Sohn mexikanischer Einwanderer noch schwerer. Durch seine Abstammung hatte er große Schwierigkeiten, in die Gewerkschaft aufgenommen zu werden. Dahinter steckte weniger Rassismus, vermutet der Filmkritiker Roger Ebert, als einfach Vetternwirtschaft. Ohne diese Mitgliedschaft konnte man aber nicht für die großen Studios arbeiten.

Alonzo fand den Weg über den Dokumentarfilm. Seine Arbeiten fürs Fernsehen, auch die zeigen Schill und Bahr, zeigen bereits das Gespür für Szenen und Momente, und prägten seinen Stil. So war es denn auch eine lange Handkamera-„Fahrt“, mit der er 1965 James Wong Howe auf sich aufmerksam machte: Alonzo war mehr oder weniger zufällig am Set von „Seconds“ zu Stelle, als Howe nachts um vier einen zusätzlichen Operator brauchte. Die Gewerkschaft schäumte. Später erfuhr Alonzo, daß der DoP und Regisseur John Frankenheimer ihn durchgesetzt hatten. Mit der Kamera auf der Schulter in langer Bewegung sollte er auch noch viele weitere Filme prägen – „Norma Rae“ (Martin Ritt, 1979) etwa oder „Black Sunday“ (1976).

Auf einer Party vertraute Howe ihm schließlich sein gesamtes Wissen an. Drei Stunden saßen sie zusammen, es sprudelte nur so aus dem Älteren heraus, erzählte Alonzo: „Er verriet mir jeden einzelnen Trick zu jedem Film, den er gemacht hatte”, erinnerte sich Alonzo. Von diesem Vorbild und aus der Anfangszeit im Dokumentarfilm mag es kommen, dass Alonzo nur so viel Technik wie unbedingt nötig einsetzte und am liebsten selbst an der Kamera stand. Die Nähe zur Technik machte ihn schließlich auch zu einem der HD-Pioniere in Hollywood. Deshalb (und wegen der vielen Interviews mit prominenten Zeitzeugen aus Hollywood) schien es folgerichtig, im HD-Cam-Format zu drehen. Kameramann Volker Gläser benutzte die Sony „900-F“ mit Panavision-Objektiven, in der Hoffnung, so die Postproduktion zu erleichtern.

Falsch gedacht: Die unterschiedlichen Ausgangsmaterialien – von 35 Millimeter bis Super-8 und Videoformate – in HD zu konvertieren erwies sich als schwieriger, als gedacht. Ja, sogar einige der 35-Millimeter-Ausschnitte hätten nicht die Qualität gehabt, die das hochauflösende Format brauchte. Und wegen der Empfindlichkeit des Aufnahmeformats wollten auch die Interviews gut geplant werden.

Der HD-Online-Schnitt dauerte drei Wochen – aber auch nur, weil die Filmemacher den Schnitt zwei Monate lang offline mit „Final Cut Pro“ vorbereitet hatten – um die Kosten niedrig zu halten.

Die Hommage an John Alonzo wurde im Dezember 2006 beim „Cinematographer’s Day“ in Los Angeles im kleinen Kreis vorgestellt. In Deutschland startete er 2007 in den Kinos. Wer ihn verpasst hat, kann das jetzt nachholen: 3 Sat zeigt „The Man Who Shot Chinatown“ am heutigen Dienstag um 22.25 Uhr.

2 Kommentare
  1. Peter Hartig sagte:

    @ Falko: Und ich fürchtete schon, zu weitschweifig zu werden. Tatsächlich habe ich hier aber alles in den Text destilliert, was ich an Informationen erhalten hatte. Was würde dich denn besonders interessieren?

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