Böser Onkel: Was ist No-Budget-Filmern die Arbeit anderer wert?

Independent Spirit: Bei der Produktion des Schweizer No-Budget-Films „Der böse Onkel“ soll es immer noch nicht mit rechten Dingen zugehen, klagen einige der Beteiligten. | Foto © Nordwest Film

In Hof laufen die Hofer Filmtage, und das ist für deutsche Filmemacher immer ein besonderes Ereignis, weil hier, am obersten Rand von Oberfranken, also ziemlich abgelegen, und damals sogar noch abgelegener, vor 45 Jahren ins Leben gerufen wurde, was sich heute „das bedeutendste Festival für den Deutschen Nachwuchsfilm“ nennt. Das aber nur versteckt, denn man hat’s lieber ein wenig bescheidener und gemütlicher und spricht deshalb gerne vom „Familientreffen des deutschen Films“, das aber dafür bei jeder Gelegenheit. Beides ist auch gar nicht so verkehrt, denn der Reiz des Festivals besteht gerade in der Übersichtlichkeit fernab vom üblichen Trubel, wo sich Filmemacher zum Filmegucken und darüber reden treffen. Deshalb hat Hof auch nicht den üblichen Wettbewerb und vergibt auch nicht die üblichen Preise. Das mit den Preisen machen dafür andere, doch auch deren Preise sind nicht das Übliche, sondern auf den Nachwuchs und sonst gerne übersehene Gewerke abgestellt. Filmemachen pur, könnte man sagen. Oder auch, dass die Festivalmacher mehr „für den deutschen Film getan haben als die Berlinale, Oberhausen, München und Mannheim zusammen.“

Darum ist es natürlich prima für einen Filmemacher, wenn er nach Hof eingeladen wird, nicht nur Nachwuchs- und nicht nur deutsche: „Wir freuen uns, dass ,Der böse Onkelan diesem wichtigsten Schaufenster des deutschsprachigen Independentfilms Welturaufführung feiert“, verkündete Anfang des Monats die Schweizer Produktionsfirma. Und was sollte auch besser passen zum Festival jenseits des Mainstreams als ein „abgefahrener, durchgedrehter Film, der polarisiert wie kein zweiter“, so „provokant, irritierend, clever, rasend schnell, splitternackt und gnadenlos ehrlich“?

Das ist jetzt ganz schön viel des Guten, muss aber wohl so sein, wenn man das eigene Werk anpreist. An anderer Stelle wird die Produktionsfirma hintergründiger, denn für die anstehende Kinoauswertung nach der Weltpremiere in Hof suchte man schon mal eine Teilzeitkraft für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: „Zu oft muß die Kunst vor Macht, Geld, Quoten, Zensur und stirnrunzelnden Geldgebern kuschen. Darum arbeiten wir bei ,Der böse Onkel‘ mit der Null und machen den Film, der uns gefällt.“

Womit man offenbar vorher schon begeistern konnte, denn „die ganze 87köpfige Crew und über hundert Dienstleister und Firmen verzichten aus Freude an diesem schnellen, neuartigen und selbstbestimmten Filmprojekt auf Gage und Geldfluss. Nach dem Kinostart werden alle Erlöse an die Beteiligten sieben Jahre lang ausgeschüttet.“

Wobei die Zahl der Begeisterten nun wohl auf 80 reduziert werden muss. Denn vorige Woche reagierten sieben der Schauspieler namentlich auf die Einladung nach Hof. Was genau sie daran stört, schildern die sieben deutlich und ausführlich. Etwa, dass sie schon seit dem ersten Drehtag (14. Juli 2009) einem ordentlichen Vertrag hinterherrennen „als geringste Gegenleistung für die Gagenrückstellung und als geringste Anerkennung ihrer Arbeitsleistung.“ Oder dass der Film in Hof gezeigt wird, obwohl man die Festivalleitung informiert habe, dass die Schauspieler ihre Bildrechte nicht freigegeben haben – eben weil die Verträge fehlen, was in den Kommentaren auch andere Beteiligte aus Cast und Crew beklagen. Was aber eben auch fehle, sei das Geld, um juristisch dagegen vorzugehen.

Da wäre nun interessant zu erfahren, was wohl Produzenten und Festivalleitung dazu sagen? Nämlich gar nichts, wie ein Kollege schon gestern erfahren hat. Anscheinend interessiert das Thema Filmemacher doch nicht wirklich.

Was ich auch deshalb ein bisschen schade finde, weil ich die Formulierungskünste aus der Produktionsfirma ziemlich abgefahren und clever finde und nicht zufällig so ausgiebig zitiere. Weshalb ich mir aber die neuerliche Nachfrage auch sparen kann und stattdessen Zeitung lese, wo zu erfahren ist, dass der Regisseur und Produzent da einen heiklen Fall auf die Leinwand bringt, von dem er aber gar nicht gewusst haben will, als er sich ans Drehbuch setzte, obwohl er schon vor zehn Jahren gesagt habe, dass dieser Fall ihn nie mehr loslassen würde. Und dass nicht nur Schauspieler, sondern auch eine Autorin und Komparsen nicht so richtig glücklich mit der Produktion wurden.

Und dabei geht’s gar nicht ums Geld, von dem ja jedem klar war, dass es nicht da ist. Sondern schlicht, wie sich in vielen Kommentaren wiederholt: Um die Wertschätzung der Leistung. So sieht es übrigens auch die Produktionsfirma auf ihrer Website in gnadenloser Ehrlichkeit, weil „so ein ungewöhnliches Arbeitskonzept nur funktionieren kann, wenn alle hinter und vor der Kamera sich in hohem Masse respektieren und wertschätzen […] und wenn Spaß eine Hauptmotivation der Zusammenarbeit ist.“ Ach ja …

2 Kommentare
  1. uengel sagte:

    vielen dank für diesen beitrag.
    ich weiss, dass die zahl 80 durchaus noch nach unten korrigiert werden kann. einige crew- mitglieder warten bis heute auf einen angemessenen arbeitsvertrag.
    wenn die produktionsfirma damit wirbt ein neues finazkonzept aufgestellt zu haben und keine schulden hat, so ist dies eher eine milchmädchenrechnung .
    wer gagen zurückstellt, hat zumindest moralische schulden. diese sind bei dem enorm grossen cast und der grossen grew eine grosse summe.
    ich find es äusserst bedauerlich, dass ein renomiertes festival den film unkommentiert zeigt.
    wem gilt der applaus?

  2. Ro Bert sagte:

    Die Zahl der Begeisterten kann man getrost auf maximal ein Zehntel reduzieren – den meisten Beteiligten ist die Begeisterung noch während der Arbeit abhanden gekommen, eben weil genau das fehlte, was der Produktionsfirma angeblich so wichtig ist: Respekt und Wertschätzung, vom Spass einmal ganz zu schweigen!

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