Abwärtsspirale Deutsches Kino: Ist Low-Budget das neue Branchenüblich?

So stellt man sich gerne die Filmarbeit vor. Doch der Alltag sieht anders aus – auch für Kollegen, die im Blitzlichtgewitter über den roten Teppich schreiten. | Foto © privat


Im Rahmen des Filmfest Münchens war ich bei der Preisverleihung „Förderpreis deutscher Film“, der als wichtigster deutscher Nachwuchspreis bekannt ist. Talentiere Frischlinge aus Regie, Produktion, Drehbuch und Schauspiel, deren Filme beim Filmfest München und den Internationalen Hofer Filmtagen gezeigt werden, sind hierbei vertreten. Im Wettbewerb werden die Filmemacher mit Preisgeldern von insgesamt 70.000 Euro ausgezeichnet. Die Kooperationspartner Bavaria Film, Bayerischer Rundfunk sowie die Hypovereinsbank leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Nachwuchsförderung und brachten schon so einige Karrieren in den Anfängen ins Rollen, wie unter anderem von: Oskar Roehler, Dany Levi, Sönke Wortmann, Johanna Wokalek, Katharina Schüttler, Hans Weingartner, Stipe Erceg, Alexander Fehling, Marcus H. Rosemüller oder Konstantin von Jascheroff. Es sei „das Beste, was einem jungen Filmemacher passieren kann“, sagte der Regisseur Hans Steinbichler, der dieses Jahr als Jurymitglied an Bord war.

Bei aller Freude und Rührung an diesem Abend hat mich vor allem die Dankesrede von „Golo Euler“ (bester männlich Schauspieler „Kasimir und Karoline“) amüsiert und zum schmunzeln gebracht. Auf die Frage, was er denn nun mit dem Preisgeld von 5.000 Euro vorhabe, antwortete er spontan, dass er ja selbst Kunde beim Sponsor, der Hypovereinsbank sei und sein Konto momentan rote Zahlen aufzeige. Folglich müsse er das Geld wohl zum Tilgen aufs Konto zurück fließen lassen. Ein Lacher!

Doch witzig ist die prekäre Lage des deutschen Kinos ganz und gar nicht!

Denn ohne die Existenz solcher Auszeichnungen gäbe es für Filmemacher in Deutschland kaum noch Möglichkeiten, sich mit Kinoformaten eine Anerkennung im Filmbusiness zu verschaffen und obendrein noch von einer finanziellen Aufmehrksamkeit zu profitieren. Wenn von „Profit“ überhaupt die Rede sein kann.

Es ist schon beängstigend, dass selbst hoch renommierte Kinoproduktionen zunehmend unter „Low-Budget“ Bedingungen realisiert werden. Als Kinomacher wird man in Deutschland kaum reich. Im Gegenteil, viele verschulden sich und investieren ihr letztes Hemd, um das Projekt überhaupt stemmen zu können.

Da meint man als branchenfremder Betrachter:  Kinohelden, sowohl vor als auch hinter der Kamera, leben wohl wie die Made im Speck und laufen über den roten Teppich. Doch das deutsche Kino leidet massiv unter der stieftmütterlichen Behandlung im Verhältnis zum deutschen TV.

Denn nur durch die Low- bis No-Budget-Mitwirkung von Schauspielern und Filmschaffenden ist die Lebenserhaltung in der gegenwärtigen Qualität überhaupt haltbar. Auch wenn in diesem Zusammenhang oft behauptet wird, dass Schauspieler „teuer“ seien oder Gagen angeblich steigen, trifft das nur auf einige wenige Kinoschauspieler zu – eine Handvoll – würde ich gar behaupten. Kinostars sind hierzulande eh sehr selten. Schweiger, Bleibtreu und Konsorten sind die wenigen Ausnahmen. Alle anderen spielen zwar in Kinofilmen mit, verdienen ihre Brötchen aber grösstenteils durch die TV-Drehs.

„Den König spielen immer die anderen. Das bedeutet: Ohne den Hofstaat sieht der König alt aus. Der Hofstaat aber, das sind die vielen hervorragenden, aber nicht prominenten Kollegen, die inzwischen oft weniger verdienen als Tiere am Set“, so der BFFS im Rahmen der Aktion „Wir gehen baden und mit uns die Kultur“

Man erinnere sich an den prägenden Auftritt von Sibel Kekilli beim deutschen Filmpreis. Für ihre Interpretationen in „Gegen die Wand“ und „Die Fremde“ gewann sie zwei Lolas als „Beste weibliche Hauptdarstellerin“ in Folge. Trotzdem blieben Angebote nach dem ersten Preis 2004 weitestgehend aus. In ihrer Dankesrede rief sie 2010 beim zweiten mal also Produzenten und Regisseure auf, ihr doch bitte zu mehr Arbeit zu verhelfen. „Ich will arbeiten, ich will drehen, bitte nicht wieder 4 oder 6 Jahre warten (…).“  Auch der Spiegel-Online Artikel „Heute Lola, morgen Arbeitsamt“ hat einen treffenden Titel dazu gewählt.

Selbst eine so tolle und bekannte Schauspielerin wie Hannah Herzsprung war überwiegend in Kinorollen präsent, die im Low-Budget-Bereich liegen. Trotz Auszeichnungen und Prominenz entscheidet sich Hannah Herzsprung für ihre Figuren nach Bauchgefühl und Überzeugung, nicht nach finanziellem Mehrwert. Doch fragt auch jemand danach, ob Frau Herzsprung von ihren wunderbaren Kinofilmen dann überhaupt leben könnte? Ein Star ohne Erwerb? Unvorstellbar, aber im Kinofach ist das leider so. Wären da nicht auch die TV-Engagements in „Weissensee“ oder „Donna Leon“ die letztlich die Brötchen reinbringen. Das Werteverhältnis zwischen Kino und TV scheint hierzulande eindeutig verschoben zu sein.

Diese Schattenseiten sieht man nach außen nur leider nie. Berühmtheit, Qualität, grosse Leinwand und Blitzlichtgewitter bieten keine Garantie für einen finanziellen Gewinn im Kinomilieu. Wenn deutsche Schauspieler ausschließlich als Kinoträger arbeiten würden, wären sie schon längst verhungert. Nur die Mischkalkulation zwischen der Fernsehe- und Kinosparte macht es möglich.

In der cn-Interviewreihe „Hinter den Kulissen“ befrage ich auch Frau Petra Müller, Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung NRW zu diesem Thema. Frau Müller sieht diese Problematik eher im Diplom- und Debütfilmbereich. Hier können nunmal die zahlreichen Nachwuchstalente nicht alle gleichermaßen gefördert werden. Das leuchtet ein.

Schaut man sich auf internationalen Filmfestivals die repräsentativen deutschen Filme jedoch an, besteht die Auswahl nicht zuletzt aus Debüt- und Diplomfilmen. Sie stärken das nationale Kinorepertoire maßgeblich, bewirken weltweite Aufmerksamkeit und sind schlußendlich das Aushängeschild unserer nationalen Kinoindustrie. Sie können aber nur entstehen, weil sie durch das ungeschriebene Gesetz: „Hochschulproduktion = Low-Budget“ produziert werden. Qualitativ gleichwertige Filme sind auf branchenüblicher Ebene immer weniger finanzierbar.

So profitieren Kinoindustrie und beteiligte öffentlich-rechtliche TV-Sender nicht nur von diesen unschlagbar preiswerten Schätzen, die sie händereibend willkommen heissen können, sondern haben sich an diesen Zustand wohl auch gewöhnt. Wieso mehr Geld ausgeben, wenn man es zum Sonderangebot haben kann?
Wie diese eingeschlichene Abwärtsspirale aufzuhalten ist, bleibt also offen.
Doch sollte dieses kultur- und filmpolitische Defizit von den Filmhochschulen, Förderinstitutionen und insbesondere öffentlich-rechtlichen Sendern nicht mal hinterfragt werden?

Deutsche Kinoausstrahlungen sind zudem selten im TV-Hauptprogramm  integriert, sondern werden eher im späten Abendprogramm versendet. Für das Image Kinofilm nicht unbedingt förderlich, wie u.a. die Podiumsdiskussion des BVR im Rahmen der Berlinale 2011 mit dem Titel „Kinofilme im Fernsehen: Programmperlen oder Ladenhüter“ aufzeigt.
Dagegen ist allerdings auch anzumerken, dass durch die Beteiligung vom TV die Meisten Kinofilme überhaupt erst finanzierbar werden.
Die Rolle der Filmhochschulen ist im gesamten Kostrukt ebenso eine Baustelle für sich. Die Universitäten sind schon lange nicht mehr als reine Bildungsstätten zu betrachten. Sie beeinflussen leider auch stark die marktwirtschaftliche Lage.

Selbstverständlich gehört es als Einsteiger in fast jeder Berufsgruppe dazu, erst einmal auch (unentgeltliche) Praktika zu machen oder Investitionen zu leisten, um zunächst den Fuß reinzubekommen. Doch in unserem Kinomarkt geht es vordergründig nicht mehr darum, den Talenten eine Plattform zu bieten, nein, man ernährt sich im wesentlichen aus er Nachwuchsschmiede. So werden die preisgünstigeren Erstlingsfilme zwar mitunter noch gerne aufgebaut, soll aber der zweite und dritte Film unter normalen Bedingungen finanziert werden, sieht es schon wieder ganz anders aus.

Ich befürchte, eine endlose „Low-Budget“-Kinohitliste zu sammeln, wäre hier nicht schwer. Bekanntestes Beispiel sind sogar Filmklassiker wie „Das Leben der anderen“. Wir Künstler, Kreative und Filmschaffende sind diesem Teufelskreis zwar ausgesetzt, aber man sollte das Kind auch mal öffentlich beim Namen nennen. Denn gerade im Bewusstsein der Konsumenten ist es kaum vorstellbar, dass WIR Kreativen der Kultur im Grunde das deutsche Kino schenken.

16 Kommentare
  1. Theresa Zollern sagte:

    Hallo Filmschaffende,

    ich gehöre nicht zu eurer Zunft, stecke als kunst- und kulturaffines Wesen nur immer und überall meine Nase rein — und möchte genau darum mal meine Sicht aus der bloß als Konsumentin Beteiligten dazugeben…

    Jemand von euch hat es hier schon geschrieben: Es gibt durchaus Deutsche, die von der Filmindustrie richtig gut leben. Seien es (wenigstens Zeitweise) Prochnow und Müller-Stahl als Schauspieler (Diane Kruger nicht zu vergessen), seien es Emmerich und Petersen als Regisseure, sei es Hans Zimmer als Musiker. Was ihr bisher allerdings genau hierzu noch nicht gesagt habt: sehr viele kommerziell mega-erfolgreiche Filme werden von deutschen Produzenten mitfinanziert („Bourne“-Trilogie & Co.).

    Interessanterweise habt Ihr auch schon die letzten international wirklich erfolgreichen deutschen Filme aufgezählt: „Goodbye, Lenin“, „Das Leben der anderen“ und „Der Untergang“. Fällt was auf? Genau, alles schwere Kost über die deutsche Geschichte. Das interessiert offenbar auch hinterm Tellerrand. Und sonst?

    Tja, was waren denn die tollen, wenigstens in Deutschland erfolgreichen Produktionen sonst so in letzter Zeit? Genau, „deutsche Komödien“. Vielleicht ist es plakativer, die üblichen Schauspieler/Produzenten zu nennen statt der Titel: Schweiger, Herbig, Schweighöfer, Ulmen. Ulmen war spitze bei MTV, den Schweighöfer finde ich am besten (und da auch meist richtig unterhaltsam (!) in Talkshows, Herbig is noch einer der Kreativsten, traut sich aber auch nicht so recht aus seiner Schublade, und Schweiger ist eh schlimmer als Fußpilz. Alles in allem: Unterschichten-Berieselung.

    Drehen wir den Spieß doch mal um und fragen, wo die Substanz ist. Wo sind die wirklich guten Drehbücher, die nicht „Arthouse“ sind, sondern massentauglich, ohne niveaulos zu sein? Woher kommt es, dass es selbst die Franzosen inzwischen schaffen, abseits von „arte“ Filme zu produzieren?

    Gerade heute lief „Willkommen bei den Sch’tis“, einer der Filme, die mich in den letzten Jahren richtig gut unterhalten haben — was im Übrigen auch einer unglaublich kreativen, liebevollen Synchro zu verdanken ist. Na so was, da sind Kommerz und Kunst doch glatt Hand in Hand gegangen, und es war erfolgreich. Kein 10-Wochen-Nummer-1-Blockbuster, aber ein toller Film, der es ins Abendprogramm eines öffentlich-rechtlichen Senders geschafft hat, ohne dass er finanziell daran beteiligt war.

    Übrigens kommt es meiner Meinung nach auch nicht von Ungefähr, dass seit Jahren der Skandinavien-Krimi-Boom in Deutschland, in Europa und seit der Neuverfilmung der „Millennium“-Trilogie sogar weltweit grassiert. Wieso? Na, die können halt gute Krimis schreiben, die depressiven Skandinavier.

    Lassen wir mal deutsche Mode und deutsche Autos außen vor. Was ist deutsch und anerkannt und auch noch modern? Musik? Na ja, teilweise. Die Neue Deutsche Welle hat ja weltweit viel mehr Einfluss gehabt zu ihrer Zeit, als wir es jemals wahrgenommen haben. Bildende Kunst? Ja, in ihrer kleinen Nische, auch wenn sie bei Sotheby’s für aberwitzige Summen gehandelt wird. Hierzulande findet das höchstens im Feuilleton der FAZ oder unter „Skurriles“ in der „Bild“ statt. Sport? Tja, ohne Titel werden die Trainer am liebsten gelyncht.

    Ich behaupte mal: unsere kulturelle Identität ist zwischen Bücherverbrennung und „entarteter Kunst“ gestorben. Und seitdem zerreiben wir ihre Leiche zwischen überzogenem Anspruch und unsäglichen Versuchen leichter Unterhaltung. Das neue Verlangen unserer Politik nach mehr Europa und weniger Nationalstaat ist für mich da nur ein weiteres Symptom, so richtig diese Forderungen politisch auch sein mögen.

    Drehbücher, Produktionen, Schauspieler sind dann erfolgreich, wenn sie das tun, was sie am besten können. Und vor allem, wenn sie aufhören, Dinge zu wollen, die nicht in ihnen stecken.

  2. Jens Würfel sagte:

    Ich möchte einigen empörten Fragen einige Antworten entgegenstellen, die dem Verständnis einiger Sachverhalte hoffentlich zuträglich sind.

    @ Stefan zu Thema Filmförderung:

    Dieser Artikel stellt die aktuelle Situation recht gut dar:
    http://www.zeit.de/kultur/film/2011-06/filmfoerderung/komplettansicht

    Interessant ist dabei unter anderem, wieviel des Fördergeldes tatsächlich in den Bereich „Film“ fließt bzw. floss. Hier ein Auszug von Fördermeldungen der niedersächsischen Filmförderung nordmedia:

    10|2003:
    „Tatort: Heimspiel“ – 211.485,54 Euro.

    (Insgesamt wurden 20 Filmprojekte mit 1.170.647,34 Euro gefördert)

    11|2004
    „Tatort: Dunkle Wege“ – 239.745 Euro
    aber auch
    „Thürnaus Fett-weg-Show. Der Norden speckt ab“ – 852.007,10 Euro

    05|2005
    „Tatort: Schwarzes Herz“ – 227.169,27 Euro
    aber auch
    „Alida – Lust am Wohnen“ (Einrichtungsdoku zum Thema Stilsicherheit in den eigenen vier Wänden) – 226.602,50 Euro

    (Förderung insgesamt ca 1,98 Mio. Euro)

    01|2006:
    „Tatort: Das namenlose Mädchen“ – 227.386,78 Euro

    Was das Thema Frankreich angeht: da lohnt es sich, dem Begriff „kulturelle Ausnahme / exception culturelle“ hinterher zu recherchieren, der eine Zeitlang die wichtigste Bestandsgarantie für einen rund 50%igen Anteil französischer Produktionen am jährlichen Gesamtvolumen der Filmstarts in Frankreich darstellte.

    Einige Startpunkte:

    http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,176557,00.html
    http://www.france-allemagne.fr/Das-Kino-in-Deutschland-und,4377.html

    Ansonsten ist die Amortisationsproblematik größerer und besser budgetierter Produktionen wirtschaftlich so lange unlösbar, wie Deutschland Filme in deutscher Sprache produziert, die sich in der Regel im Ausland nicht kommerziell auswerten lassen.

  3. Stefan Rutz sagte:

    @Paul
    Vielleicht leben wir in vollkommen verschiedenen Welten, dass Du meinen Text so interpretierst, dass ich glaube, die sms-shorties hätten irgend eine Publikumsrelevanz. (oder ich muss mich unklar ausgedrückt haben). Ein dringend zu wünschendes neues kreatives Erblühen des deutschen Filmes, dem wäre Publikumsrelevanz zu gönnen, das müsste sie haben. Während die Impulse dazu, die kommen von hinter den Kulissen. Aber da bin ich mir eben nicht so sicher, ob die ausgerechnet von den Produzenten kommen können, denn die sind doch am dichtesten verwoben in das die deutsche Filmkultur meiner Ansicht nach lähmende bis abwürgende Machtgespinst aus Förderung und Fernsehmacht. Also würde ich sagen, sind Impulse von dort am wenigsten zu erwarten, aufgrund der Konstruktion. Meine vielleicht utopische Fantasie (doch ohne Utopie keine Veränderung und ich gehe davon aus, dass wir uns einig sind, dass Veränderung beim deutschen Film dringend not tut) traute nun kühnerweise zum Beispiel dieser sms-Aktion zu, vielleicht verändernde Impulse branchenintern auf den Weg zu bringen. Und wenn das erst mal nur einige mutigere Besetzungen wären. Wo die Impulse letztlich herkommen ist ja auch egal. Hauptsache, es gibt in dem Abhängigkeitsgespinst, unter dem alle leiden, endlich wieder künstlerische Luft!

  4. Paul sagte:

    —Die Frage wäre also: wie wäre trotz Subvention und Fernsehmacht ein neues Erblühen
    eines kreativen deutschen Kinos möglich zu machen?
    Ein Impuls in so eine Richtung ist doch der sms-shorty-Wettbewerb von Daniel Philippen. Warum sollen Impulse nicht von Schauspielerseite aus gehen?—

    Bei allem Respekt für die großartige Leistung der vielen SMS Ersteller glaube ich nicht, dass diese Sache für den Kinozuschauer eine Relevanz hat. Branchen-Externe erfahren davon nichts und Anstöße für eine Verbesserung der Kinolandschaft liegt eher auf Förderer- und Produzentenseite sowie mutigen Filmemachern. Die Schauspieler, Kameramänner, Cutter, Requisiteure, etc. kommen da meiner Meinung nach am hinteren Ende der Schlange…

  5. Stefan Rutz sagte:

    Wie lange wollen wir uns das noch bieten lassen?
    300 Millionen Euro Filmförderung im Jahr und ein Output an Filmen, die immer schwächer und mutloser werden.
    Und alle sind unzufrieden dabei: die Macher, die Zuschauer (die gehen nicht hin),
    die Kritiker (die schreiben nicht drüber).
    Bloss einige Promis und Förderer, denen es ganz gut geht dabei, die finden das alles ganz toll.
    Wer sich jedoch erlaubt, es nicht ganz so toll zu finden, der ist naturgemäss ein Spielverderber.
    (Wie abgehoben diese Filmwelt ist, zeigte sich mir anlässlich des Todes von Bernd Eichinger, da hatte Til Schweiger in einer Sonntagszeitung prophezeit, 5000 Menschen würden zu der Kirche in der Münchner Füssgängerzone strömen, es wurden grosse Bildschirme aufgestellt, aber das Gros der Passanten lief desinteressiert vorbei, ich schätze kaum 100 Leute, die extra hingegangen sind und die ganze Feier mitverfolgt haben).
    Wie lange wollen wir uns eine Filmwelt in Deutschland noch bieten lassen, die keinerlei Anspruch auf gesellschaftliche Rückkoppelung erheben will, indem sie mit einem Verein namens Akademie, von dem mir noch keine akademiewürdigen kritischen Äusserungen zur Lage des deutschen Filmes begegnet sind, solange also ein privater Verein von Nutzniessern die 3 Millionen Euro staatlich-deutschen Filmpreisgeldes in onanistischer Manier unter sich verteilt? So kann jedenfalls Kino nicht den Stellenwert gesamtgesellschaftlichen Bewusstseins oder Gedächtnisses, wie Daniel Anderson es weiter oben formuliert hat, erhalten.
    Wie lange wollen wir uns das noch bieten lassen?
    Das Problem mit den Subventionen ist allerdings: wenn die mal etabliert sind, so sind die kaum rückgängig zu machen, auch wenn längst offenbar ist, dass sie kontraproduktiv wirken. In Deutschland fördern sie inzwischen in eifriger Kollaboration mit den gebührenfinanzieten Sendern de facto das Abwürgen der Filmkultur.
    Die Frage wäre also: wie wäre trotz Subvention und Fernsehmacht ein neues Erblühen
    eines kreativen deutschen Kinos möglich zu machen?
    Ein Impuls in so eine Richtung ist doch der sms-shorty-Wettbewerb von Daniel Philippen. Warum sollen Impulse nicht von Schauspielerseite aus gehen?

  6. dirk dotzert sagte:

    einigermassen gehaltvolle, nicht die intelligenz beleidigende deutsche filme jenseits der selbstausbeutung und obskurität scheinen nur möglich, wenn ihre macher die flüchtige willkürliche eitelkeit von förderbeamten, der jeweils assoziierten tages-/partei-politik und ihrer protagonisten sowie tv-lehnsherren und -leibeigenen nachlaufen, diese ausgiebigst bespeicheln & so den in diesem prozess v.a. enthaltenen kollektiven wie individuellen narzismus bedienen.

    anders als im englischsprachigen raum oder in frankreich, wo natürlich all das obige auch seine rolle spielt und filmemacher ebenso an allzu menschlichem unsinn verzweifeln, sind unter den genannten deutschen gatekeepern leider verschwindend wenig echte film-liebende, sondern überwiegend duckmäuser, deren hasenfüssiges verhalten im wesentlichen der selbstdarstellung, dem sicherheitsdenken und dem einspeicheln von politik und presse dient.

    mutlosigkeit, kurzfristiges karrieredenken und die dabei entstehende mentale trägheit kennzeichnen das klima und das personal in deutschland. ich werde nie vergessen, als mir mitte der 90er, grad aus den usa kommend, luggi waldleitner zum deutschen förderbetrieb & -personal erklärte: ‚die man braucht bekommt man nicht, die man bekommt braucht man nicht‘. daran hat sich wenig geändert, im gegenteil.

    förderer hecheln zahlen, roten teppichen, stars & sternchen nach, die ebenso öffentlich finanzierten tv-kollegen dito, der quote, den boulevard-fotografen. beide feiern sie gern im borchard, im nicci, im royal, wo immer sonst man gut other people’s money verbraten kann.

    warum können sie das? weil die politik(er), die das ermöglicht(en), sich gern mit ‚kultur‘ schmückt(en). damit das jemand mitbekommt, muss diese vermeintliche ‚kultur‘ aber eindruck machen, in der zeitung stehen, etc. — also muss es der mainstream sein, die zahlen, die quoten, nicht der künstlerische, wertvolle, ehrgeizige, ambitionierte, gehaltvolle, anspruchsvolle film. (es sei denn, der läuft auf einem festival, dann kann man auf den roten teppich, eine party feiern, spesen machen, am bestem im ausland.)

    ganze karrieren beruhen darauf, die namen sind bekannt. unheilvolle allianzen, die medial aufrüsten und inhaltlich abwirtschaften.

    aber warum sollte es dem deutschen film anders gehen als dem sozialstaat, der bildung, der wissenschaft, der finanzpolitik, dem rüstungsexport, etc. — vergleiche die ‚bildungs-karte‘: dass es sie gibt heißt noch längst nicht, dass mehr kinder bessere bildung bekommen. dass es filmförderung gibt heisst noch längst nicht, dass es gute filme gibt.

  7. Tradator sagte:

    Es ist wie es ist. Alles ist immer kommerziell ausgelotet. Spätestens hier bei den Senderanstalten bzw. Verleihern. Man kann als betroffener Mitwirkender nur sich selbst treu bleiben und seine Linie fahren. d.h. u.U. sogar den Beruf an den Nagel hängen und es hobbymässig zu betreiben oder es zu lassen. Vor allem Schauspieler neigen, sich zu verheizen. Hier muss man sich ein Minimum an Gage setzen, das man akzeptiert. Darunter geht nichts. Wenn das alle machen würden, dann wären die Filmemacher gezwungen, höhere Gagen zu bezahlen und auch das Ende der Kette müsste mehr bezahlen. Über Daily soaps sich aufzuregen braucht man nicht, denn wenn sie so schlecht wären, gäbe es sie nicht mehr. Anscheinend gibt es genügend Zuschauer dafür. Da kommt natürlich die Frage auf, ob Schauspielerei nicht genauso unter- wie überschätzt wird ;-). Kunst liegt im Auge des Betrachters und nicht im Ego von einzelnen. Darüberhinaus kommt dann die Frage auf, ob Schauspieler überhaupt ein Beruf noch ist, wenn nur ca. 5% davon leben können. Das gilt dann natürlich auch für Regisseure, Produzenten usw. — Wenn es also kein Budget für Filme gibt, dann muss man es einfach lassen oder darauf sparen, wie es halt so auch in anderen Bereichen des Lebens ist. Der Markt regelt alles…. 😉

  8. harry sagte:

    Deutsches Kino:
    Gibte s das denn ? Wer sieht es ? Warum und für wen wird es überhaupt gemacht ? Also, von den Dumpfbacken – „Blockbustern“ , und seichtem Familenentertainment abgesehen…

    Die „großen“ deutschen Kinoregisseure verdienen doch in den USA nicht schlecht…hierzulande ist man traditionell doch wohl eher damit beschäftigt, die Kreativität der Bürger nich über – zu – beanspruchen, getreu der Devise: Wieso Burgerflipper für 7 Euro die Stunde wenn Du auch Callcenter Agent für 13 werden kannst ? Guten Morgen.

  9. Nicolas Rutschmann sagte:

    In der Peripherie dieses Themas kann ich jedem nur wärmstens mein Buch ans Herz legen:

    „Magic Hotel – Glücksritter auf dem Weg nach Hollywood“

    Beste Grüße,
    Nicolas Rutschmann

  10. Daniel Anderson sagte:

    Ich bin immer wieder fasziniert, entsetzt, erschüttert, erstaunt über das sogenannte „deutsche Kino“. Um es ganz klar und mit der Eindeutigkeit eines Vorschlaghammers zu sagen: das „deutsche Kino“ existiert nicht und es interessiert auch niemanden, es sei denn, man ist Teil dessen, was nicht existiert. Die Hoch-Zeit ist vorbei, die letzten Komparsen zucken noch in Gestalt von Debütfilmern vor sich hin und hoffen, dass vielleicht doch noch ein bisschen Material in der Kamera vergessen wurde. Der Versuch, eine tatsächlich komerzielle Distribution in Deutschland zu etablieren, ist misslungen, weil unabhängige Verleihe gegen die Majors keine Chance haben, alleingelassen von eine Politik, die es nicht mal schafft einen eigenständigen Minister zu etablieren, ausgebotet von Fernsehsendern, ohne deren (Geld)Macht kein Film mehr zustande kommt und die darüber hinaus damit auch Inhalte mit dem Redakteur als Universalvollstrecker auf ein „sendertaugliches“ Mittelmaß zurechtstutzen. was haben wir noch? Achja, einen Berufsverband der Schauspieler, der Regisseure, der Kameraleute, die eher einem Sektirierzirkel und Schulterklopfclub gleichen als einer mit politischer Kompetenz ausgestatteten Vertretung unserer (vitalen) Interessen. Und, vergessen wir bitte nicht die Arroganz der meisten Kollegen, die Kinofilme drehen gegenüber denjenigen, die das nicht dürfen, können oder wollen dürfen. So sehen wir tatsächlich immer dieselben Nasen in wechselnden Kostümen, korumpiert von einem Elitedenken, das in einem reziproken Verhältnis zu ihrer (Massen-) Wirkung steht – von Till Schweiger vielleicht mal abgesehen. Wenn selbst arrivierte Regisseure wie von Trotta um jeden Cent kämpfen müssen, wenn Produktionen mit Millionenbudget floppen, weil es nur darum geht, Geld zu drucken und wenn viele Kollegen sich „zu schade“ sind, tatsächlich auch anderes zu drehen als die hehre (Kino-)Kunst, weil sie Angst haben müssen, dass dadurch ihr Marktwert sinkt, dann müssen wir uns doch wirklich nicht wundern. Man kann lamentieren, aber ändern wird sich erst etwas, wenn alle begriffen haben, dass Kinokultur Teil des kollektiven (Unterhaltungs-)Gedächtnis?ses ist und andereseits endlich die Überheblichkeit gegenüber der Arbeit anderer Kollegen abgelegt worden ist.

  11. Stefan Rutz sagte:

    Viel an der Misere scheint also am mangelnden Geld fürs Kino zu liegen.
    Wobei in Deutschland doch 300 Millionen Euro Filmförderung ausgeschüttet werden und nochmal ein mir nicht bekannter Betrag an gebührenfinanzierten Fernsehgeldern. Wo fliesst das Geld hin? Wieviel davon geht an Schauspieler? Weiss das jemand?
    Frankreich ist kleiner als Deutschland. Weiss jemand, wieviel Filmförderung es dort gibt? Ständig laufen bei uns in den Kinos erfolgreich französische Filme. Die verdienen also Geld mit ihren Filmen im Ausland. Wie kommt das? Warum tun das die deutschen Filme so selten? Ich rede hier von Kinoauswertung und nicht von Fernsehverkäufen. Kennt sich da jemand aus? Oder täuscht mich der Eindruck, dass sich deutsche Filme im Ausland im Kino schlecht vermarkten lassen? (die letzten Filme, bei denen über nennenswerten internationalen Kinoerfolg deutscher Filme im Ausland zu lesen war, waren doch GOOD BYE LENIN, DAS LEBEN DER ANDEREN und DER UNTERGANG – ein bisschen wenig für annähernd zehn Jahre. )

  12. stefan sagte:

    Die Headline macht Angst. Nach dem Beitrag über Studentenfilme lesen wir hier die Fortsetzung und man fragt sich, was kommt dann noch?

    Mein Vorschlag, was danach noch kommt:
    Reizwort ‚Gagenrückstellung‘. Prinzipiell unabhängig vom Budget einer Produktion wird hier das unternehmerische Risiko auf die einzelnen Mitarbeiter abgeschoben. So etwas sollte sich mal ein Industriebetrieb leisten. ‚Gagenrückstellung‘ – es lässt sich auf diese Weise bequem drauf los produzieren und vermutlich nur in der Filmbranche sagen sich die Beteiligten: ich mach da mit – denn es ist besser als gar nichts. Diese Einstellung hält dann sogar noch den Qualitätsanspruch hoch, aber am Schluss zahlen wir da doch alle drauf, oder?

    ——
    (übrigens: ‚No-Budget‘ ist ein Unwort. Das gibt es schlichtweg gar nicht. Allenfalls lasse ich es für unprofessionelles oder für den Hobbyfilmbereich gelten, aber für nichts, was annähernd ernstgenommen werden will. ‚Low-Budget‘ ist schon tief genug.)

  13. S. Hartel sagte:

    Hallo Ihr Harz Frösche!
    Letztendlich sind wir doch alle Frösche, ob nun in der Dienstleistung, in der freien Marktwirtschaft, oder in der Kunst.
    Das schöne ist ja das diese Harzgeschichte Verfassungswidrig ist.
    „Wirft man einen Frosch ins heiße Wasser versucht er der Situation zu entkommen. Setzt man ihn in ein für ihn wohltemperiertes Wasser und erhöht allmählich die Temperatur, so verharrt er dort bis er Gar ist.“
    Das schöne ist ja das diese „Harzgeschichte“ Verfassungswidrig ist, aber das wissen die wenigsten.
    Es freut mich zu beobachten das es doch einige Schauspieler gibt die die Gewinnoptimierungsphilosophie und Niveaulosigkeit der Fernseh und Filmemacher ablehnen und in den Stachus baden gehen.
    Ist es nicht der Schauspieler vor der Kamera der die wichtigste Komponente eines Werkes gewährleistet?
    Ist es nicht verdammt noch mal ein Beruf wo Amateure und Laien nichts zu suchen haben?
    Sind es nicht die Budgets die die Qualität eines Werkes ermöglichen?
    Ist es nicht die Gage die einen Schauspieler motiviert und zu besonderen Leistungen antreibt?
    Wir wurden mit den Euro belogen, halbiert, hinters Licht geführt, während die F.u..F. Macher ihre Gelder nicht angepasst haben. (Siehe GEZ Gebühren in DM u. in Euro) Nach der € Lüge sollen wir die Gagendrückerei weiterhin brav hin nehmen.
    Wir gleiten zunehmend in eine Würdelosigkeit was diesen Beruf anbelangt: Onlinecasting, SMS Shorties, Low Budget Produktionen, Daily Soaps, die zunehmende auferlegte Konkurrenz mit Laiendarsteller, die immer Niveauloseren Formate die den Konsumenten auferlegt werden, usw.
    Als Idealist habe ich diesen Beruf erlernt und als ein Mensch mit Würde beobachte ich diese zunehmende Niveaulosigkeit die da Systematisch etabliert wird.
    Wo noch der Versuch war Kunst und Unterhaltung zu Produzieren ist heute nur noch die Absicht einer Gewinnoptimierung zu beobachten, von und mit Niveaulosen, Unprofessionellen Elementen.
    Deutschland ist ein Hauptkonsument für Amerikanische Produktionen.
    Die Sprache der Dichter und Denker geht dem Ende entgegen.
    Die manipulativen Meinungsmacher sind heute am Drücker, i. A. einer neuen Weltordnung.
    „Gender Mainstream“ ist das Program, mit der Behauptung: „We love to entertain you“
    „Denke ich an das deutsche Fernsehen bei Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht“
    Dabei machen es doch unsere Zwangslieferanten vor: „Think big , you get big, think small you get small“
    Europa hat doch die ganzen Themen und Möglichkeiten, doch unsere Politpuppen haben einfach nicht Unser Wohl und das Wohl unserer Kinder im Sinne.
    Florebo quo ferrar.

  14. Huckleberry Finn sagte:

    Deutschland einig Fernsehland?!?! Der Artikel macht traurig, wenn man liest, das selbst unsere bekannten Kollegen ohne Pilcher die Xte nicht überleben könnten.
    Ich wag mich mal vor…vielleicht liegt unser Kino finanziell deshalb danieder, das man sich zu lange auf die Förderung durch die Länder verlassen hat (oder ihr auch zwangsweise anheim gefallen ist). Vielleicht auch weil man man nie den Sprung dahin gehend gewagt hat, eine FilmINDUSTRIE aufzubauen. Überall mischen wir Deutschen ordentlich mit…Lebensmittel, Autos, Waffen, Computer…nur nicht im Film.
    Ich glaube, Kino aus Deutschland, wird noch von vielen, gerade auch aus der Branche als Kunst (o.ä.) betrachtet, das bloß dem Kommerz nicht huldigen darf. Grosse Kohle machen..igitt!!
    Oder bei Vertretern anderen Branchen sieht man darin ein Produkt, mit dem man kein Geld verdienen kann. Kunst, Kultur eben und das ganze Zeugs, feingeistiges Getrömmel. Nix Handfestes…

    Aber vielleicht lässt sich trotz aller Skepsis und trotz mancher (in manchen Kreisen schon fast zum guten Ton gehörenden) Abneigung gegenüber amerikanischen Produktionen die Denke wagen, das Kunst und Kommerz sich nicht zwangsläufig ausschliessen.
    Ich denke darin liegt evtl. die Chance des deutschen Kinos.
    Einige Gedankensprünge hierzu:
    – Kinofilme sind ein Produkt, deshalb müssen sie nicht zwangsläufig alle bräßig-massenkompatibel sein.
    – Kinofilme müssen international verständlich und international nachfühlbarbar sein, dann kann man deutsche Filme auch einem breiteren Publikum im Ausland zuführen.
    – Abschied vom Fördergängelband
    und im Nachzug:
    – Kinofilme als Quelle des finanziellen Profits auch interessant als Investition für andere Branchen

    Wie gesagt, ich wag mich nur mal vor…

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Noch nicht registriert? Als eingeloggter User wird Ihr Name automatisch übernommen.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte lösen Sie diese Aufgabe, bevor Sie den Kommentar abschicken.
Dies dient dem Schutz vor Spam.

Was ist 5 * 9?